Grundlage der Ausstellung ist ein Sensationsfund im türkischen Göbekli Tepe durch Klaus Schmidt vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin. Eine riesige Kultanlage mit bis zu sieben Metern hohen Stelen fanden die Forscher in einem südostanatolischen Hügel. Die Anlagen erinnern an das englische Stonehenge, nur ist der Fund in Göbekli Tepe fast doppelt so alt. Folglich müssen die Monumente von einer sehr frühen Zivilisation errichtet worden sein, die sich erst an der Schwelle zur Sesshaftwerdung befand. Kaum ein Wissenschaftler hatte einer Kultur in diesem Entwicklungsstadium zugetraut, eine Kultanlage von solch gigantischem Ausmaß zu errichten.
Anatolien als "Wiege der Menschheit"
Die Archäologen haben in den Jahren seit dem ersten Fund 1994 eine Reihe von kreisförmigen Anlagen ausgegraben, deren Durchmesser teilweise mehr als dreißig Meter beträgt. Der Kreis wird von Kalksteinpfeilern gebildet, die bis zu sieben Meter hoch und fünfzig Tonnen schwer sind. Mehr als vierzig solcher Stelen wurden frei gelegt; in dem Hügel sind aber noch viele weitere Pfeiler verborgen, wie geomagnetische Messungen gezeigt haben. Die Stelen selbst sind mit Tierreliefs verziert und hatten wohl eine kultische Bedeutung, möglicherweise handelt es sich um die Anlage eines Totenkultes. Die Stelen wurden von Karlsruher Studenten mit einem hochmodernen 3-D-Lasersystem gescannt (ka-news berichtete) und werden als originalgetreue Repliken in der Ausstellung gezeigt.
Vermessung der Steinzeitfunde durch Christian Bühler, Theo Kesapidis und Prof. Tilman Müller von der Hochschule (HS) Karlsruhe (Foto: pr) |
Zwischen 12.000 und 8.000 Jahre sind die Funde alt. Zum Vergleich: Die Steinzeitmumie "Ötzi" ist etwa 5.300 Jahre alt, die Pyramiden von Gizeh wurden vor gut 4.500 Jahren erbaut. Die Entdeckung ist ein Beleg dafür, dass die Wiege der Menschheit nicht in Palästina oder im Zweistromland, sondern in Südostanatolien liegt. Erstaunlich, über welches Wissen die Menschen vor so langer Zeit bereits verfügten. Um Steine von solcher Größe und Gewicht zu bewegen, mussten vermutlich mehrere hundert Menschen zusammenarbeiten, und das über Jahre hinweg. Dazu musste eine gewisse Arbeitsteilung existieren, denn wer im Steinbruch oder an der Anlage arbeitete, konnte nicht jagen oder sammeln gehen.
Umfangreiches Begleitprogramm zur Ausstellung
Neben den Monumenten von Göbekli Tepe wurde in Anatolien bereits in den sechziger Jahren ein steinzeitliches Dorf in Çatal Hüyük entdeckt. Auch über die Erkenntnisse aus diesen Ausgrabungen berichtet die Landesausstellung. Begehbare Wohnhäuser sind in Karlsruhe nachgebaut worden. Die Ausstellung bietet vielfältige Einblicke in die Themenbereiche Religion und Totenkult, Ernährung, Wohnen, Handwerk und Handel, Jagen und Sammeln, Ackerbau und Viehzucht.Mehr als 500 Exponate, die zum Großteil noch nie zuvor öffentlich zu sehen waren, veranschaulichen die Ursprünge unserer Zivilisation. Gezeigt werden außer den Megalithpfeilern und Steinzeithäusern auch Alltagsgegenstände wie Schmuck, Werkzeug und Gefäße.
Die Ausstellung beginnt am Samstag, 20. Januar, und endet am 17. Juni. Täglich finden öffentliche Führungen statt. Es werden auch Familienführungen, fremdsprachige Führungen und Führungen für Blinde und Sehgeschädigte sowie für Hörgeräteträger und erstmals Führungen in Gebärdensprache angeboten. Neben der Ausstellung bietet das Landesmuseum ein umfangreiches Begleitprogramm. Ein besonderes Glanzlicht ist die "Steinzeit-Nacht" am 21. April, zu der zwischen 19 und 1 Uhr zahlreiche Vorführungen von steinzeitlichen Handwerkstechniken, Percussion-Musik und verschiedene Aktionen für Kinder geboten werden. Weiterhin veranstaltet das Museum anatolische Abende, Vortragsreihen und Exkursionen sowie Workshops für Erwachsene und Jugendliche. So ist am 8. Februar Göbelik Tepe-Entdecker Schmidt anwesend und erzählt von seinem Fund.