Sportlich, dünn, makellose Haut. Werbung, Posts und Influencer auf Social Media verleiten zu Schönheitsidealen, die in der Kritik stehen, ungesund zu sein. Dazu zählt zum Beispiel auch der sogenannte  "Heroin-Chic"-Trend, über den ka-news.de bereits berichtete.

Doch durch solche Trends können auch ganz andere Süchte gefördert oder ausgelöst werden. Dies sieht auch Dieter Engel so. Er ist Leiter des Vereins Freundeskreis Karlsruhe e.V., welcher in Form von Selbsthilfeangeboten Suchtkranke unterstützt.

Dieter Engel ist Leiter des Freundeskreis Karlsruhe e. V.
Dieter Engel ist Leiter des Freundeskreis Karlsruhe e. V. | Bild: Dieter Engel

Mangelnde Selbstreflektion

"Gerade bei jüngeren Personen ist das ganze Thema sehr schwierig, da sie sich noch nicht so gut selbst reflektieren können", meint er gegenüber ka-news.de.

Bei den wöchentlich stattfindenden Selbsthilfegruppen in der Adlerstraße 31 würden Minderjährige aber so gut wie nie auftauchen. Doch eigentlich wäre gerade dies sehr wichtig: "Wenn man schon in jungen Jahren in solche Probleme reinrutscht, drohen diese, sich durch das ganze Leben zu ziehen und zu begleiten", so Engel. "Das setzt sich stark im Kopf fest."

Einer der Gruppenräume in der Adlerstraße 31.
Einer der Gruppenräume in der Adlerstraße 31. | Bild: Sophia Wagner

Ungesunder Vergleich

Das Problem: Solche "Beauty-Trends" können Essstörungen auslösen und sogar bei den Selbsthilfegruppen sei die Dynamik schon in eine falsche Richtung abgerutscht. Stichwort: Konkurrenzdenken. 

"Die Betroffenen motivieren sich bei uns eher mit Eifersucht aufeinander und verglichen sich mit den anderen Teilnehmern aus der Gruppe. Wer ist dünner, wer entspricht stärker meinem Ideal  das war alles andere als förderlich", erzählt Engel.

Daher sei man auf gemischte Gruppen umgestiegen, sodass Personen mit verschiedenen Süchten zusammengebracht werden. Somit werde der Blick von Körper weg  auf unterschiedliche Probleme gelenkt. "Der Fokus soll es sein, auf emotionaler Ebene Wege zu finden, besser durchs Leben zu kommen", sagt der Vereinsleiter.

Social Media-Trends können schnell Problematisch werden - vor allem, wenn es um das eigene Körperbild geht.
Social Media-Trends können schnell Problematisch werden - vor allem, wenn es um das eigene Körperbild geht. | Bild: pexels/cottonbro studio

Die Einsicht kommt meist spät

Auch bei anderen Süchten hat Engel das Thema Soziale Medien kritisch im Blick. "Wer sich in einer Suchtform befindet, der merkt sein Problem erst mit ein bisschen Abstand", meint er.

Viele würden erst mit der Abstinenz zur Einsicht kommen, wenn sie sich bereits in einer Selbsthilfegruppe befinden oder andere Hilfe in Anspruch genommen haben.

Das Problem bei Werbung und digitalen Inhalten ist hierbei: Sie sind konstant um uns herum und begleiten unseren Alltag. "Da kann man sich nur schwer von distanzieren", sagt er. Außerdem würden diese den Wunsch nach Konsum nur verstärken. "Man fängt an, diese Reize in seinem Bewusstsein mit dem Gegenstand der Sucht zu verbinden", so Engel.

Inhalte werden nicht negativ wahrgenommen

Wer Instagram- oder TikTok-Posts kennt, weiß: Sie sind ansprechend gestaltet und regen unsere Gefühlswelt an. Gerade bei Werbung steht dann gar nicht mehr das Produkt im Vordergrund, sondern wie es emotional verpackt ist.

Engel ist der Meinung: "Es ist nahezu unmöglich, solche Inhalte während des Rezipierens aktiv als Bedrohung wahrzunehmen." Gerade die Jugend nutze die Plattformen ja zu Unterhaltungszwecken, da käme dieses Mindset gar nicht auf.

Nutzer sollen mehr rechte bekommen.
Nutzer sollen mehr rechte bekommen. | Bild: Robert Günther/dpa-tmn/dpa

Doch auch hier gibt es nicht nur Fluch oder Segen: "Es gibt tatsächlich auch Inhalte auf diesen Seiten, welche die jungen Menschen zum Nachdenken anregen und sich mit Sucht beschäftigen", begrüßt Engel. "Nicht alles ist bedenklich."

Digitaler Gruppenzwang

Auch der Faktor der schnellen, viralen Verbreitung ist dabei ein Problem: Body-, Alkohol- oder sonstige "Challenges" auf TikTok zum Beispiel, meist ohne Kontext oder informativen Hintergrund, was überhaupt in ihnen ausgedrückt werden soll, regen die Jugendlichen zur Interaktion an.

"Man schaut sich das an, möchte dazu gehören, auch mitreden und dann springt man automatisch mit auf den Zug auf und probiert die Dinge selbst aus", erklärt Engel.

Restriktionen, wie "lass die Finger davon" oder das Verteufeln der Sucht, bringen in diesem Falle seiner Aussage nach gar nichts. Daher sind in den Selbsthilfegruppen auch eher auf die Teilnehmer selbst und ihre Bewältigung des Alltags konzentriert.

Freundeskreis e.V.
Bild: Sophia Wagner

Einen generalisierten Ratschlag kann man beim Thema Sucht sowieso nicht geben. "Da hängt die gesamte Lebenseinstellung mit drin", erzählt er ka-news.de. Aber welche Tipps kann der Experte mit auf den Weg geben?

Selbstbeobachtung ist wichtig

"Wenn man merkt, dass gewisse Dinge aus dem Ruder laufen oder andere Dinge vernachlässigt werden, entweder sich selbst, oder die Dinge, die einem guttun, dann sollte man anfangen, das zu hinterfragen: Warum ist das jetzt so? Und sich entweder Hilfe holen oder mit jemandem darüber reden."

In diesem Falle muss noch nicht einmal unbedingt eine Suchterkrankung vorliegen. Beim Konsum kommt es dabei auch nicht auf die Menge an, sondern auf die Regelmäßigkeit und die Situation.

Die Suchthilfe befindet sich in der Adlerstraße 31 in der Karlsruher Innenstadt-Ost.
Die Suchthilfe befindet sich in der Adlerstraße 31 in der Karlsruher Innenstadt-Ost. | Bild: Sophia Wagner

Angehörige und Freunde, denen das Verhalten aufhält, können laut Engel meist recht wenig bei den Betroffenen bewirken. Dennoch sei wichtig, dass auch sie selbst einen Umgang mit der Situation lernen und auf ihre eigene Psyche achten. Daher sind solche Hilfsgruppen auch für sogenannte "Co-Abhängige" eine gute Anlaufstelle.

Grundsätzlich sei Engel der Ansicht, dass man in solchen Gruppen weg vom "Sthuhlkreis-Prinzip" müsse. "Wenn man zusammen kocht, wandert oder anderes unternimmt, ist die Hürde für junge Menschen, sich zu öffnen, gleich viel niedriger", äußert er sich gegenüber ka-news.de.

Freundeskreis e.V.
Die Idee eines Freundeskreises ist Mitte der fünfziger Jahre entstanden. Menschen, die sich damals aus einer Entzugstherapie kannten und angefreundet hatten, entschieden sich dazu, regelmäßig zum Gespräch, dem sogenannten Wohnzimmer, zusammenzukommen.

Dies wurde als hilfreich empfunden und die Idee wurde fortgeführt, bis der Verein im Jahr 1969 entstand. Es gibt mittlerweile Freundeskreise in ganz Deutschland. Der Verein in der Fächerstadt hat ungefähr 180 Mitglieder. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Suchtkranken in Form von Selbsthilfeangeboten zu helfen. In Karlsruhe gibt es jeden Donnerstag um 20 Uhr eine Infogruppe zum kennenlernen (Anmeldung nicht notwendig).

Nach vier dieser Termine hat man im Anschluss die Möglichkeit, sich in eine der zehn Stammgruppen einteilen lassen. Teilnehmen können nicht nur Betroffene, sondern Angehörige, die nicht selten ebenfalls Leid aus  der Sucht ihrer Liebsten tragen. Mehr Informationen gibt es unterfreundeskreis-karlsruhe.de