"Bye-bye booty: Heroin Chic is back"  mit diesem Titel sorgte ein Artikel der New York Times Anfang November für Aufruhr. Er bezieht sich dabei auf wiederkehrende Schönheitsideale aus den 90-gern und frühen 2000er-Jahren.

Trends gibt es auf Social Media wie Sand am Meer.
Trends gibt es auf Social Media wie Sand am Meer. | Bild: Pexels/Cottonbro Studio

Trends sind nichts Ungewöhnliches. Es gibt sie gerade in der Beauty- und Fashionindustrie in Massen und meistens wandeln sie sich mit der Zeit sehr schnell und plötzlich.

Influencer vermitteln ein falsches Selbstbild

Unterstützt wird das von Influencern auf Plattformen wie Instagram: Perfekt gestylt, trainierte Figur, gesunde Haare, große Lippen und ein strahlend weißes Lächeln  so sehen die meisten dieser auf ihren Bildern aus.

Influencer begegnen uns auf unseren Smartphones überall.
Influencer begegnen uns auf unseren Smartphones überall. | Bild: Pexels/Anna Nekrashevich

Dabei wird auch an Bildbearbeitungs-Apps nicht gespart, um das optimal inszenierte Bild zu kreieren. Doch was hat es nun genau mit "Hero Chic" auf sich?

Der Wandel von kurvig zu skinny

"Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt." Dieses Sprichwort des Models Kate Moss ging in den Neunzigerjahren um die Welt. Moss galt als die Stilikone zu dieser Zeit.

Social Media-Trends können schnell Problematisch werden - vor allem, wenn es um das eigene Körperbild geht.
Social Media-Trends können schnell Problematisch werden - vor allem, wenn es um das eigene Körperbild geht. | Bild: pexels/cottonbro studio

Eine Ära kommt zurück: In den Schaufenstern der Stadt findet man wieder Klamotten wie Low-Waist-Jeans und Miniröcke, die an längst vergangene Zeiten erinnern.

Doch nicht nur der Kleidungsstil, sondern auch das Körperideal ändert sich mit: Wo gestern noch "Body Positivity" und die Akzeptanz von weiblichen Kurven ein Thema war, scheint es nun, als würde wieder gelten: Je flacher der Bauch, desto besser.

Trends sind nicht ungefährlich

Diese Darstellungen haben einen hohen Einfluss auf die Nutzer in sozialen Medien. Denn gerade Jugendliche nehmen sich  Personen öffentlichen Lebens häufig als Vorbild und haben das Bedürfnis, ihrem Ideal bestmöglich nachzueifern.

Aufgrund von Social Media nehmen sich viele Menschen anders wahr, als sie tatsächlich aussehen.
Aufgrund von Social Media nehmen sich viele Menschen anders wahr, als sie tatsächlich aussehen. | Bild: Pixabay/Tumisu

Die ständige Konfrontation mit Hashtags auf den sozialen Medien wie #thinspo oder #whatieatinaday kann dazu führen, dass man sich mit seinem eigenen Aussehen nicht mehr wohlfühlt.

Es kann sogar so weit gehen, dass man eine Körperbildstörung entwickelt. Dies kann im schlimmsten Fall Depressionen und Essstörungen mit sich bringen.

Eine virtuelle Traumwelt, die es in Realität gar nicht gibt

Social Media kann toxisch sein, vor allem für die jüngere Generation. So sieht es Dr. Thomas Gohla. Er ist seit knapp 30 Jahren chirurgisch tätig und seit 2010 in eigener Praxis als Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie in Karlsruhe niedergelassen.

Dr. Gohla ist plastischer Chirurg in Karlsruhe.
Dr. Gohla ist plastischer Chirurg in Karlsruhe. | Bild: Praxis Dr. Gohla

Er benutzt Instagram und Co. genau aus diesem Grund bewusst nicht: "Es wird einem eine virtuelle Welt vorgegaukelt, die so gar nicht existiert", meint er. 

Dies führe dazu, dass man immer zu den anderen aufschaue, die immer schöner, reicher und schlanker seien: "Da kann man nur scheitern, denn an diesen Punkt kommt man nicht, da er völlig unrealistisch ist."

Warum ist den Menschen Schönheit so wichtig?

Ihm ist besonders aufgefallen, dass sich die dargestellten Personen auf Social Media häufig sehr gleichen. Hier spricht er das "Püppchen-Schema" an.

"Das sind tief in der Menschheitsgeschichte verankerte Strukturen", meint er. Es gehe um den Überlebensinstinkt, wer damals der Wahrnehmung nach jung und fruchtbar wirkte und die Fortpflanzung so gewährleisten konnte.

Symmetrisch, frisch, gesund, reine Haut - dies sind alles Dinge, die wir mit Schönheit assoziieren. "Wenn wir jemandem das Kompliment geben "du siehst gut aus", setzen wir das mit dem Begriff "schön" gleich", erklärt Dr. Gohla.

Auch Plastische Chirurgen haben ihre Grenzen

Gerade viele junge Mädchen würden in Gohlas Praxis kommen, weil sie etwas an sich verändern möchten. Dabei zeigen sie häufig Bilder aus Social Media als Vorlage.

"Das sind schon wunderschöne Menschen, und es tut mir so leid, dass deren Selbstwert so gering und die Selbstwahrnehmung so verzerrt ist", so Gohla. Er ist selbst Vater einer Tochter und würde sich in solchen Fällen von Herzen wünschen, dass die Leute an den Punkt kommen, sich so schön zu finden wie sie sind.

Der Trend geht in Richtung Schönheits-OPs.
Der Trend geht in Richtung Schönheits-OPs. | Bild: pixabay/12019

Zehn bis 15 Prozent seiner Anfragen lehne er aus genau diesen Gründen ab, weil er weiß, dass er in solchen Fällen die Erwartungen der Patienten nicht erfüllen kann und auch nicht möchte.  "Davon nehme ich Abstand."

Feinfühliger Umgang mit unsicheren Patienten

Das wichtige sei dabei, seine Kunden damit nicht zu kränken: "Ich versuche auf höfliche Weise die Last von diesen Personen zu nehmen, indem ich ihnen ganz grundlegend erkläre, dass ich den Wünschen nicht gerecht werden kann", sagt er gegenüber ka-news.

Nach Installation des iOS-Updates sollte man Apples Mail-App wieder sicher nutzen können.
Bild: Andrea Warnecke/dpa-tmn

Außerdem erwähnt er, dass es berufsrechtlich gar nicht zulässig sei, Menschen mit zum Beispiel Dysmorphophobie, das ist die gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers, zu behandeln. Es muss eine ärztliche Stellungnahme vorliegen, die diesen Fall ausschließt. "Doch das ist allerdings manchmal schwer zu beurteilen", erklärt er.

Sicherheit und Qualität gehen vor alles andere

Gohla geht darauf ein, dass Schönheits-OPs in Deutschland häufig tabuisiert und versteckt werden. "In Brasilien zum Beispiel gibt es einen ganz anderen Körperkult. Die Menschen sind viel offener diesem Thema gegenüber, man wird von seinem Umfeld eher bestärkt."

Ein Smartphone vor dem Logo von Instagram.
Ein Smartphone vor dem Logo von Instagram. | Bild: Carsten Rehder/dpa

Die Grundströmung hierzulande sei jedoch eigentlich eine ganz andere: Es werde immer mehr operiert, da es zunehmend risikofreie Anwendungen gibt. Auch die Pandemie habe ihren Teil dazu beigetragen, so Gohla gegenüber ka-news.de: "In Krisenzeiten investieren die Menschen mehr in sich selber."

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Er selbst gehe seiner Aussage nach allerdings nicht jedem Trend hinterher. Die Beauty-Branche sei eine der weltweit am schnellsten wachsenden Märkte und war schon häufig mit Skandalen verbunden. Man müsse erst einmal abwarten, bis sich bewährte Methoden bewährt und etabliert haben, denn Sicherheit und Qualität seien das wichtigste bei einer Schönheits-OP.

Hilfe zur Selbsthilfe

Dass Social Media eine Beeinflussung auf das Körperbild hat, sieht Dieter Engel auch so. Er ist Leiter des Vereins Freundeskreis Karlsruhe e.V., welcher in Form von Selbsthilfeangeboten Suchtkranke unterstützt.

Dieter Engel ist Leiter des Freundeskreis Karlsruhe e. V.
Dieter Engel ist Leiter des Freundeskreis Karlsruhe e. V. | Bild: Dieter Engel

"Gerade bei Jüngeren ist das Thema sehr schwierig, da sie sich noch nicht so gut selbst reflektieren können", meint er gegenüber ka-news.de. In seinen Selbsthilfegruppen würden Minderjährige so gut wie nie auftauchen. Doch eigentlich wäre das wichtig: "Wenn man in jungen Jahren in solche Probleme reinrutscht, drohen diese, sich durch das ganze Leben zu ziehen und zu begleiten."

Gegenseitiger Neid statt Motivation

Eine ins Leben gerufene Selbsthilfegruppe nur mit Essgestörten habe laut Engel nicht funktioniert und ist schon nach wenigen Monaten wieder zerfallen. Das Problem: Fehlende gegenseitige Motivation.

"Die Betroffenen motivieren sich eher mit Neid und Vergleichen mit den anderen Personen aus der Gruppe, wer ist dünner, wer entspricht meinem Ideal das war nicht förderlich", so Engel.

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Daher sei man darauf umgestiegen, in gemischten Gruppen aus Personen mit verschiedenen Süchten zu arbeiten. Somit werde der Blick von Körper weg und auf unterschiedliche Probleme gelenkt. "Der Fokus soll es sein, auf emotionaler Ebene Wege zu finden, besser durchs Leben zu kommen", sagt Engel.

Wie kann man teilnehmen?

Immer donnerstags ab 20 Uhr kann man ohne Anmeldung zur wöchentlichen Infogruppe vorbeikommen, um sich kennenzulernen. Fühlt man sich nach vier solchen Abenden wohl und möchte weitergehen, wird man in eine Stammgruppe eingeteilt.

Gegenseitiger Support ist wichtig.
Gegenseitiger Support ist wichtig. | Bild: Pexels/Diva Plavalaguna

Momentan betreut der Freundeskreis insgesamt zehn Gruppen. Teilnehmen können nicht nur Betroffene, sondern auch ihre Angehörigen, die häufig auch unter der Sucht ihrer Liebsten leiden.

"Für 2023 wollen wir uns mehr auf eine junge Selbsthilfe konzentrieren, die sich weg vom Stuhlkreis bewegt", blickt Engel in die Zukunft. "Wenn man zusammen kocht, wandert oder anderes unternimmt, ist die Hürde sich zu öffnen oft viel niedriger." Erste Pilotprojekte hierfür seien bereits in Planung.