ka-news.de: Frau Fenrich, Sie sind am 25. April bei der Karlsruher Gemeinderatssitzung öffentlich aus der AfD-Fraktion ausgetreten: Welche Auswirkungen hat das jetzt auf die Fraktionsarbeit?
Ellen Fenrich: Die Fraktion besteht jetzt de facto nicht mehr. Weil: In Karlsruhe benötigt man für eine Fraktionsstärke drei Mandate - und wir waren gerade eben drei. Wenn einer weggeht, zerfällt die Fraktion. Jetzt besteht noch eine Gruppe mit den beiden Ex-Kollegen - und ich als Einzelstadträtin.
Wie ist aktuell die Stimmung in der Fraktion?
Die Fraktion besteht ja nicht mehr - und wir haben eigentlich keinen Kontakt mehr. Ich sollte immer angerufen werden - so habe ich es vernommen - und wäre nie erreichbar gewesen. Aber: Ich muss ehrlich sagen - das war nicht so! Ich habe jedem Rede und Antwort gestanden. Vielleicht nicht gleich am Dienstagabend, weil da einfach zu viele auf mich zukamen und irgendwas besprechen wollten, aber am nächsten Tag war ich für jeden erreichbar. Von daher denke ich, man es es vonseiten der Kollegenschaft - Herrn Doktor Schmidt und Herrn Schnell (Anmerkung der Redaktion: Paul Schmidt und Oliver Schnell sind die verbleibenden AfD-Stadträte im Gemeinderat) - wohl gar nicht versucht. Gestern bin ich angeschrieben worden, dass ich die Schlüssel für das Fraktionsbüro zurückgeben soll - aber darüber hinaus gibt es ja noch ein paar andere Dinge zu regeln.

Wobei jetzt muss ich mich kurz korrigieren: Kurze Zeit nach der Gemeinderatssitzung bin ich von Herrn Schnell angerufen worden. Er hat mir eine Zählgemeinschaft vorgeschlagen. Eine Zählgemeinschaft - ich weiß nicht ob sie wissen - bedeutet: Die Ausschüsse würden im Wesentlichen bleiben - so war die Auskunft von der Stadt, die ich eingeholt hab. (Anmerkung der Redaktion: Ellen Fenrich sitzt in folgenden Ausschüssen: Bäderauschuss, Betriebssausschuss Eigenbetrieb im Wildparkstadion, Sozialausschuss, Sportausschuss). Das Ziel von Herrn Schnell war wohl - ich denke mal, das war auch mit Herrn Doktor Schmidt besprochen - dass eine Zählgemeinschaft meinerseits eingegangen wird.
Das heißt, sie würden weiterhin Ihren Tätigkeiten ihrer Tätigkeit in den Ausschüssen nachkommen - und auch im Gemeinderat?
Ich habe mich noch nicht festgelegt, ob ich eine Zählgemeinschaft eingehen möchte. Aber nach allem, was ich im Nachhinein hinsichtlich meines Austritts noch erfahren habe, muss ich ganz ehrlich sagen: Ich sehe für eine Zählgemeinschaft kaum eine Chance. Ich bin mit der Stadt so verblieben, weil ich mich erkundigt habe, wie es aussieht und wie es aufgeteilt wird - und die sind noch am Werkeln. Das ist jetzt natürlich ein Riesen-Aufwand - das war nicht meine Absicht, aber es war mir leide nicht möglich die Fraktion aufrecht zu erhalten. Das ist mir sehr schwergefallen, aber vielleicht fragen sie mich das ja nachher noch... (lacht).
Wieso kam der Austritt zum jetzigen Zeitpunkt - ein Jahr vor der Kommunalwahl?
Das war überhaupt nicht geplant: Die Unstimmigkeiten innerhalb der Fraktion haben relativ früh angefangen. Im Sommer 2020 gab es einen Riesenkrach: Damals habe ich gesagt, dass ich die Fraktion verlasse, weil ich so nicht weiterarbeiten kann. Doch vonseiten des Bundestagsabgeordneten (Marc Bernhard, Anmerkung der Redaktion) und des Kreisverbandes hat man mich bekniet, die Fraktion nicht zu verlassen. Also haben wir uns ein bisschen zusammengerauft. Zum Schluss wurde es aber dann so schlimm und hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Es sind drei Dinge geschehen, nach denen ich mir gesagt habe: "Nein, so möchte ich nicht in den Spiegel gucken". Die Zusammenarbeit war für mich ein Spießrutenlauf. Das wollte ich einfach nicht mehr. Mir hat der Respekt gefehlt - ich wollte mir das nicht mehr antun. Ich habe 40 Jahre lang gearbeitet; ich habe Personal geführt und ich muss sagen: So etwas ist mir in meiner ganzen Laufbahn noch nicht passiert.
Erwarten Sie noch weitere Austritte?
Aus der Partei oder aus der Fraktion? Aus der Fraktion sicherlich nicht: Die gibt es ja nicht mehr. Ich nehme an, dass die beiden Ex-Kollegen weiter machen werden.
Ob es weitere Austritte aus der AfD geben wird: Ich kann es ehrlich nicht sagen. Nach der Wahl des Kreisverbandes am vergangenen Samstag (29. April) habe ich auch nichts mehr gehört. Gut, ich habe ein paar Nachrichten und Anrufe bekommen, die meinen Austritt bedauert haben. Aber etliche haben wohl gar nicht reagiert.

Wenn ich jetzt mein Fazit ziehe, muss ich sagen: Ich konnte eigentlich wirklich wenig bewegen. Nicht, weil ich nicht wollte, sondern weil es von anderer Seite nicht gewollt war. Ich habe manchmal Prügel zwischen die Füße geworfen bekommen - das fand ich nicht gut.
Zum Beispiel bei meinem letzten Projekt: Ich wollte eine Frauengruppe, einen Frauenzirkel, initiieren. Das Einladungsschreiben war schon verschickt und alle Leute, mit denen ich schon an Stammtischen gesprochen hatte, haben sich darauf gefreut. Das waren meist ältere Frauen - junge haben wir ja fast gar nicht, leider. Mein Ziel war folgendes: Alle Parteifrauen sollten sich zusammentreffen. Weil die AfD ist - wie jede konservative Partei - eher eine Männerpartei, nicht frauenfeindlich, darum geht es nicht, aber männerdominiert.

Ich wollte die Frauen aktivieren: Was machen wir? Wollen wir ein bisschen Politik machen oder einfach nur zusammensitzen und uns austauschen? Ich war da sehr aufgeschlossen und habe das Programm - also das, was ich mir vorgestellt hatte - dann der Fraktion mitgeteilt. Dort gab es einen Aufschrei, ob ich denn eine Frauenquote einführen wollte. Zum Spaß meinte ich daraufhin: "Selbstverständlich ja!" Als ich merkte, dass sie das ernst nahmen, habe ich gesagt "It was a joke - natürlich nicht." (zu deutsch: "Nur ein Scherz", Anmerkung der Redaktion).

Ich wollte keine Frauenquote; ich wollte einfach nur eine Frauengruppe gründen. Auch mit dem Ziel, junge Frauen für eine konservative Politik zu begeistern. Um eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu bieten - und zu zeigen: Ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich war ja nicht immer bei der AfD - ich hatte ja eine ganz andere politische Vorgeschichte. Und von daher denke ich: Ich bin ein Demokrat - ich lehne Gewalt ab, jeglicher Art, körperlich sowieso. Auch verbal lehne ich es eigentlich ab. Ich möchte die Demokratie hochhalten - ich bin von Haus aus Juristin. Mir ist es wichtig, dass wir eine Rechtstaatlichkeit - was wir uns auch auf die Fahne geschrieben haben - dass wir das auch leben.
Also kurzum: Dieses Herzensprojekt hat leider nicht geklappt. Da ich jetzt aus der Partei ausgetreten bin, kann ich es auch nicht mehr machen.
Daran anknüpfend: Was hat die AfD während Ihrer Zeit im Gemeinderat erreicht?
Sagen wir es so: Wir haben viele Anträge gestellt, Anfragen gemacht und immer Position zu bestimmten Themen bezogen. Dass wir in der aktuellen Konstellation des Gemeinderats mit den bestehenden Mehrheitsverhältnissen nicht mit unseren Themen durchkommen, das war eigentlich vorherzusehen.
Ich bin der Meinung, wir haben vernünftige Anfragen und Anträge gestellt - dazu stehe ich auch. Den ein oder anderen hätte ich sicherlich nicht gemacht; hätte vielleicht etwas anders formuliert - aber auch in der Fraktion geht es nach Mehrheitsverhältnissen. Wenn zwei das wollen und einer nicht, dann fällt es eben hinten runter.
Aber von der thematischen Ausrichtung, stehe ich dahinter. Auch wenn ich jetzt nicht mehr AfD-Mitglied bin, bin ich zum Beispiel beim Thema Energiewende nach wie vor der Meinung, dass wir große Fehler machen. Darüber muss man diskutieren. Zu diesem Thema haben wir gute Anfragen gemacht - und Herr Doktor Schmidt ist als Kernkraft-Physiker ein Fachmann in Energie-Fragen.
Auch beim Thema Verkehr haben wir immer eine Position bezogen: Wir möchten Radfahrer unterstützen, aber wir möchten auch Autofahrer nicht vernachlässigen. Denn: Wir brauchen die Gäste in der Stadt; wir möchten, dass Auswärtige kommen und hier kostengünstig parken können, um zu Bummeln oder Essen zu gehen.
Mir persönlich war natürlich das Thema Sicherheit wichtig: Weil ich von vielen Frauen - die zum Teil jünger als ich waren - gehört habe, dass sie nach Geschäftsschluss nicht mehr in die Untergrundstationen der U-Bahn gehen. Daher war mir die Sicherheit in der Stadt ein Anliegen. Und die Sauberkeit - da kann man noch viel tun.
Ich bin der Meinung, dass die Anträge, die gemacht worden sind, im Großen und Ganzen vernünftig waren - und auch aus meiner heutigen Sicht noch sind. Wissen Sie: Am Stammtisch hinterher sieht es dann immer ein bisschen anders aus als in der Gemeinderatssitzung, wenn man nach dem Gemeinderat noch zusammensitzt. Und ich kann es ja auch nachvollziehen: Ich weiß, dass sich andere Parteien und Fraktionen abgrenzen ... müssen - zwangsläufig, so ist es mir übermittelt worden. So ist das in der Politik: Wir hätten es ändern können, aber das ist ein Zeitablauf. Es wird sich sicherlich noch einiges ändern, denn die Politik bleibt ja auch nicht stehen. Sie wird sich verändern - in die eine oder andere Richtung und dann wird man sehen, wie sich die Menschen neu aufstellen - oder auch nicht.
Zurückblickend: Sie haben vier Jahre Kommunalpolitik mitgemacht - unter den zahlreichen Anträgen: Welche haben Ihrer Meinung nach zum Erfolg geführt - welche werten sie für die AfD als erfolgreich?
Wie gesagt: Für die AfD waren sie erfolgreich. Denn: Die Menschen haben die Themen gesehen, sie waren auf unserer Homepage, wir haben Pressemeldungen gemacht.
Rein nach der Abstimmung im Gemeinderat - sind natürlich immer drei dafür und der Rest dagegen (lacht). Ich finde, das ist nicht die richtige Politik - aber das ist einfach so. Ich bin der Meinung, man muss über alles sprechen können. Wir haben auch mal Anträgen von den Grünen oder Linken zugestimmt. Wir haben diese Ausgrenzung nicht, wir sagen nicht "mit denen können wir nicht, das ist der politische Feind". Sondern, wir wollten Politik für den Bürger machen.
Wir haben natürlich unsere eigenen Vorstellungen - wie gesagt: bei Verkehr wollen wir die Radfahrer, aber auch die Autofahrer berücksichtigen. Was Energie anbelangt: Wir wollten den Fokus nicht zu sehr drauflegen. Sie wissen vielleicht, dass viele Stellen (in der Stadtverwaltung, Anmerkung der Redaktion) neu geschaffen werden sollen, das ist mit einer sehr, sehr großen Mehrheit durchgegangen. Wir haben gesagt: Wir brauchen aber auch in anderen Bereichen neue Stellen - da sollten wir schauen.
Auch das Thema Klimaanpassung war für uns nie ein Problem. Nie. Wir wollen auch ein sauberes Klima: Sauberes Wasser, saubere Luft. Aber eine Anpassung - und nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, das war uns wichtig.
Von daher heißt Erfolg in der Kommunalpolitik für mich: Wir haben unsere Position öffentlich machen können - in Pressemitteilungen und an Infoständen. Ich glaube, wir haben etliche Leute sensibilisieren können - das ist meine Erfahrung aus meiner Arbeit an den Infoständen. Viele sehen das ähnlich - das sind keine Spinner, sondern normale, bürgerliche Leute. Ich habe das sehr gerne gemacht.
Unsere Arbeit war ein Erfolg - ja. Aber wie gesagt - in der Abstimmung natürlich nicht. Aber ich bin auch überzeugt davon, dass letztendlich nicht die Abstimmung zählt, sondern was will die Partei und wie es sich - gerade im Energiebereich - weiterentwickelt.
Erwarten Sie auch, dass die AfD auch 2024 wieder in den Gemeinderat einziehen wird?
Ob ich das erwarte? Das kann ich jetzt natürlich nicht sagen. Das kommt darauf an, wie sich der Kreisverband aufstellen wird. Ich persönlich hatte ein paar Ideen, wie man sich besser bekannt machen kann und was wir dafür machen sollten. Ich hatte ein paar Projekte, die ich gerne gemacht hätte. Das waren gute Ansätze, wenn die Partei das umsetzt, kann es gut sein, dass sie wieder einen Einzug in den Gemeinderat schaffen. Ich möchte mir jetzt kein Urteil erlauben.
Ob ich den Wiedereinzug gefährdet habe mit meinem Austritt....damals 2020 hatte man die Befürchtung, wenn die Fraktion ein zweites Mal zerbricht, würde auch der Bürger sagen: "Wenn die sich dauernd streiten, mit denen kann man ja nicht. Dann gehe ich woanders hin." Jetzt hat die Partei noch ein Jahr bis zur Wahl: Da können Sie noch viel bewegen - wenn sie es geschickt anstellen.
Was ich für den Bürger tun kann, möchte ich tun - auch für meine Wähler. Für mich war es immer wichtig, dass empathisch und demokratisch wahrgenommen werde - dass klar ist, dass ich den Rechtsstaat vertrete. Das war mir von meiner Ausbildung und früheren Berufstätigkeit immer wichtig. Ich hoffe daher, dass mir nicht allzu viele Bürger gram sind und in gewisser Weise auch Verständnis für meine Entscheidung da ist.
Denn nur Streit und so - wird nichts bringen. Dieser Streit zwischen mir und der Fraktion ist durch drei verschiedene Nachrichten eskaliert - und das wollte ich einfach nicht mehr. Ich bin kein "Youngster"; ich möchte am Ende des Tages noch in den Spiegel schauen können. Für mich war der Austritt daher der richtige Schritt.
Er ist mir sehr schwer gefallen - sehr, sehr schwer. Ich habe lange darüber nachgedacht und natürlich auch die Konsequenzen berücksichtigt. Meine Entscheidung war nicht aus der Hüfte geschossen. Aber ausschlaggebend waren die drei Punkte, die ich vorhin angesprochen habe - und ich konnte einfach nicht mehr.
Vielen Dank für das Interview.
Ich danke.
Hintergrund
Auf Nachfrage bei der Stadt Karlsruhe heißt es zu den Auswirkungen auf die Ausschuss-Sitze: Die Besetzung der Ausschüsse hat zunächst Bestand bis der Gemeinderat über eine Neubildung der Gremien entscheidet. Dies kann idealerweise durch Einigung, aber auch durch Verhältnis- oder Mehrheitswahl geschehen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird auch Ellen Fenrich in den Ausschüssen vertreten sein, für die sie als Mitglied bestellt wurde.
Die Zusammensetzung der Ausschüsse muss gemäß dem Demokratiegebot des Grundgesetzes ein Spiegelbild der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat sein - also ein Abbild des durch die Wähler hergestellten Stärke-Verhältnisses der politischen Kräfte. Die Möglichkeit, mit Blick auf Ausschussbesetzungen Zählgemeinschaften zu bilden, besteht. Auswirkungen auf die Sitzverteilung durch neue beziehungsweise veränderte Zählgemeinschaften wären zu prüfen.