(smj)
Die Entscheidung über die Tischvorlage 135, das 13-seitige Papier, das den Gemeinderäten schon vor gut einer Woche vorlag, und das Rathauschef Heinz Fenrich (CDU), Freitag vor einer Woche zeitgleich der Presse und den Fraktionen präsentierte, war mehr als eindeutig: Die Mehrheit des 48-köpfigen Gemeinderats (mindestens drei Sitze waren während des Tagesordnungspunkts unbesetzt, zwei bei der CDU und einer bei der SPD) stimmte mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und KAL sowie des Einzelstadtrats „Gemeinsam für Karlsruhe“ gegen die Zulassung eines weiteren Bürgerentscheids – mit dem, nach Meinung der Initiatoren des Bürgerbegehrens zeitnah noch einmal über den Stadtumbau mit Kaiserstraßentunnel abgestimmt hätte werde sollen.

Nur 14 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte von Grüne (10 Sitze), Freie Wähler (2) und Linke (2) waren da anderer Meinung. Auch das so genannte „Moratorium“, der Stopp von weiteren Ausgaben und Vergaben laut Tischvorlage 136 ist nach dem Wunsch der Gemeinderatsmehrheit vom Tisch. Vorangegangen war der Abstimmung eine mehr als zweieinhalb-stündige hitzige Debatte des Gemeinderats, die von viel Emotionen und viel Polemik geprägt war. Viele der rund 100 Demonstranten vor dem Rathaus waren auf der Zuschauertribüne im Bürgersaal wiederzufinden.

Fenrich wehrt sich gegen Vorwürfe mit „juristischen Spitzfindigkeiten“ oder „Zeitschinderei“ zu agieren

Auch OB Fenrich, der nochmals die aus Sicht der Verwaltung und des Zentralen Juristischen Diensts maßgeblichen fünf Punkte, die „einen Bürgerentscheid aus rechtlichen Gründen“ unzulässig erscheinen lassen würden, vortrug, und sich selbst gegen die Vorwürfe von „Taschenspielertricks“, „juristischen Spitzfindigkeiten“ oder „Zeitschinderei“ verwahrte, blieb davon nicht ausgenommen: in einer theatralisch anmutenden Inszenierung – schon hatte Grünen-Fraktionschefin Lisbach zum Wortbeitrag angehoben – ließ er entschuldigend wissen, er habe „etwas vergessen“, ehe er nochmals dem Hausjuristen Peter Hebel das Wort erteilte, der dann in etwa zehn Minuten nochmals die Zweifel an dem Rechtsgutachten „der Gegenseite“, dem Anwalt der Initiative „Stoppt das Millionengrab“, vortrug. Insbesondere monierte der Leiter des zentralen juristischen Dienstes, die Verfristung – eine Vorschrift entsprechender Passagen der Gemeindeordnung – sei außer acht gelassen worden.

Auch sonst war vieles in der Debatte von reflexartigen Reaktionen geprägt, die manche Gräben im Rat vermuten lassen: „Kombilösung – die wievielte Debatte“, ließ Gabriele Luczak-Schwarz von der CDU Resignation anklingen. Sie leitete das Wort Moratorium aus dem Lateinischen ab: das stamme von "Aufschieben", "Verzögern" ab. Den Gegnern der Kombilösung ginge es schlicht „um Macht“, die Initiatoren des Bürgerbegehrens würden „nichts anderes tun, als den Bürgerentscheid 2002 anzuzweifeln“, meinte SPD-Sprecherin Doris Baitinger. Während Lüppo Cramer (KAL) den Zug für einen neuerlichen Bürgerentscheid aus verschiedenen Gründen für abgefahren ansieht, hielt es Neustadtrat Manfred Schubnell (Grüne) für überaus „legitim und ganz und gar nicht undemokratisch“ den Bürger nochmals abstimmen zu lassen.

Er sieht durch maßgebliche Kostensteigerungen beim Eigenanteil der Stadt und der Kasig „eine Änderung der Geschäftsgrundlage“ gegeben, zudem sei  „das Vertrauen von vielen Bürgern angeknackst“. Während Rita Fromm von der FDP einen neuerlichen Bürgerentscheid für unzulässig hielt, und sachlich nüchtern von der Kasig und dem Chef der Verkehrsbetriebe Walter Casazza „mehr vertrauensbildende Maßnahmen für die Bevölkerung“ einforderte, „arbeiteten“ sich OB Fenrich und KAL-Sprecher Eberhard Fischer regelrecht an Niko Fostiropoulos (Linke) ab.

140-minütige Aussprache: in der Sache wenig erhellend neues

Er lasse sich seine Vorwürfe nicht gefallen, schnaubte der Rathauschef an die Adresse des linken Kritikers, der zuvor offenkundig in einem etwas unverständlichen Wortbeitrag provoziert hatte. Fischer erwähnte angesichts des vor dem Rathaus kursierenden Flugblatts „Wir sind das Volk“ zudem, er halte es für deplaziert, von einem „Mitglied der SED-Nachfolgepartei“ Nachhilfeunterricht über Rechtsstaatlichkeit zu erhalten. Und wenn Doris Baitinger (SPD) auf die Grüne Bettina Lisbach reagiert, ist schnell ein leicht aggressiv-schriller Unterton in den Ausführungen zu spüren. Alles das ist nichts neues. In der Sache selbst gab es in der mehr als 140-minütigen Aussprache des Gemeinderats wenig erhellendes.

Wohltuend hob sich da allenfalls der – ebenfalls neu gewählte – Stadtrat Friedemann Kalmbach von der Gruppe „Gemeinsam für Karlsruhe“ von manch anderem Redner ab. Man nehme den Bürger nicht mehr ernst, wenn man ihn ständig zu neuen Befragungen aufrufe. Der Bürgerentscheid aus dem Jahr 2002 sei für ihn gültig. „Geben sie den Kampf gegen Windmühlen auf und gehen sie objektiv und sachlich miteinander um“, appellierte er an die Gemeinderatsfraktionen, die sich den Initiatoren des Bürgerbegehrens „Stoppt das Millionengrab“ verbunden fühlen. Eberhard Fischer (KAL) benannte zudem den Bürgerentscheid 2002 „als das demokratischste Verfahren in Karlsruhe", das er aus der jüngeren Geschichte kenne.

Verwaltungsgerichtsbarkeit wird abschließend über Zulässigkeit eines Bürgerentscheids entscheiden

Wie es weitergeht, wird man am kommenden Dienstag sehen: dann wird der Gemeinderat zu einer Sondersitzung zusammen treten, und über einen interfraktionellen Antrag von Grüne, Freie Wähler und Linke beraten und abstimmen, der die Initiierung eines Bürgerscheids durch den Gemeinderat zum Ziel hat. Doris Baitinger (SPD) ließ schon im voraus anklingen, wie sich ihre Fraktion dann verhalten werde: der Gemeinderat werde sich nicht lächerlich machen, richtete sie ihre Worte an die Fraktionen, die sie als „Selbsternannte-Ich-weiß-was-die-Bürger-wollen-Mentalität“ charakterisierte. Mehrere Redner, darunter Jürgen Wenzel (Freie Wähler), Manfred Schubnell (Grüne) und Niko Fostiropoulos ließen dagegen wissen, dass letztlich wohl die Verwaltungsgerichtsbarkeit über die Zulässigkeit eines weiteren Bürgerentscheids abschließend entscheiden werde.
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