Das schummrig-orangefarbene Licht verleiht dem Inneren des Zirkus Flic Flac eine seltsame Atmosphäre. Wüsste man nicht, dass es bereits hellichter Tag ist, man könnte meinen, es sei schon wieder Abend. Die Luft im Zelt steht, vereinzelt finden sich noch Popcorn-Reste und Getränkedosen zwischen den Zuschauerrängen.

Doch vor allem eines irritiert: die Stille. "Schauen wir mal, wer schon wach ist", lacht Pressesprecher Rudi Bauer. Eine etwas seltsame Aussage, immerhin ist es bereits 11 Uhr. Wirft man einen Blick hinter die Kulissen der Manege, wird allerdings schnell klar: Der Alltag gestaltet sich hier etwas anders.

Wohnwagen, Container und ein Leben auf dem Sprung

Sechs Jahre ist es her, seit der Zirkus Flic Flac der Fächerstadt zuletzt einen Besuch abstattete. Bis Mitte September gastiert er nun wieder auf dem Messplatz in der Oststadt. "Karlsruhe ist inzwischen einer unserer Top-Standorte", meint Bauer. Für diesen Zeitraum nennen 103 Menschen den Karlsruher Messplatz ihr Zuhause, darunter 43 Artisten, 40 Mitarbeiter für den Aufbau, zehn Gastronomie-Mitarbeiter und zehn Personen aus der Administration.

Diese leben entweder in zitronengelben Containern oder im eigenen Wohnwagen. Mit den knallig-bunten Bauwagen, die man aus so manchem Hollywoodfilm kennt, hat das aber nichts zu tun - vielmehr erinnert die kleine "Zirkus-Stadt" an einen typischen Campingplatz. Das ist auch nicht weiter verwunderlich: Zieht der Zirkus nach drei Wochen wieder in eine andere Stadt, muss innerhalb von drei Tagen alles ab- und wieder aufgebaut werden.

Ein stressiges Leben, das viele Mitarbeiter des Zirkus aber nicht anders kennen. "Man freut sich immer auf die nächste Stadt", erzählt die 21-jährige Alexandra Sazonova im Gespräch mit ka-news, "nach drei Monaten wird eine Stadt langweilig." Sazonova ist das, was Bauer ein "Zirkuskind" nennt. Bereits die Eltern arbeiteten bis vor Kurzem als Artisten, der Zirkus hat in Sazonovas Familie eine lange Tradition. Mit sieben tauchte die junge Frau dann in die Zirkuswelt ein: Mit den Eltern hatte sie lange eine Seiltanznummer.

Nun haben sich die Eltern zur Ruhe gesetzt. "Mit 40 Jahren ist für viele Artisten Schluss", erklärt Bauer. Entweder habe man bis dahin finanziell vorgesorgt oder man übernehme andere Aufgaben im Zirkus. Sazonova ist nach dem Rückzug der Eltern vom Seil auf den Luftring umgestiegen. Seit zwei Wochen arbeitet sie nun an eigenen Nummer. "Von der ersten Idee bis zur fertigen Nummer können schon mal zwei Jahre vergehen", erklärt Bauer.

"Beim Zirkus gibt es keine Ruhetage"

In die Welt des Zirkus geboren zu werden, bedeutet allerdings noch lange nicht, dort auch zu bleiben. Sazonovas Zwillingsschwester ging einen anderen Weg: Beide wurden zusammen mit anderen Kindern vor Ort von einer Lehrerin unterrichtet, die den Zirkus in einem eigenen Wagen begleitete. Über eine Fernschule habe ihre Schwester das Abitur gemacht und strebe nun ein Studium an.

Irina Rizaeva: "Der Beruf ist mein Leben."

Diese Erfahrung hat auch Jonglier-Künstlerin Irina Rizaeva gemacht. Nachdem sie im Alter von acht Jahren bereits eine Kinderzirkusschule in Kiew besucht hatte, stand ihr Entschluss mit 14 Jahren fest: Der Zirkus ist ihre Welt. Während die Tochter in die Fußstapfen der Mutter getreten ist, wählte der Sohn eine Karriere als Koch. "Wenn man Artist werden will, muss man den Beruf auch leben", erklärt Rizaeva. Das zeige sich auch daran, dass ein Artist sich nicht von einer Grippe außer Gefecht setzen lasse, ergänzt Bauer. Wegen Migräne oder Schnupfen nicht zur Arbeit kommen? "Das geht gegen die Artistenehre", so der Pressesprecher.

Auch ein regelmäßiges Wochenende oder gar eine dreiwöchige Urlaubsreise sieht das Zirkusleben nicht vor. "Beim Zirkus gibt es keine Ruhetage", meint Rizaeva, "jeder ist für sein Training selbst verantwortlich." Das bedeute allerdings nicht, dass es keine Pausen gebe: "Es gibt Tage, da läuft es nicht, da hat man kein Gefühl. Da nehme ich mir auch mal einen Tag vom Training frei." Am Ende der zweijährigen Saison steht für die Artisten, die derzeit das Publikum im Zirkus Flic Flac unterhalten, dann wieder alles auf Anfang: Die wenigsten Künstler bleiben dauerhaft bei einem Zirkus. "Wir kaufen jetzt schon für das nächste Jahr komplett ein", verrät Bauer.

Lust auf Zirkus? !