Rewe, Edeka, Aldi und Co. - täglich gehen tausende Karlsruher in den örtlichen Lebensmittelmärkten ein und aus - ein nahezu perfekter Hotspot für Corona-Infektionen, so scheint es. Zu Beginn der Pandemie wurden hier daher besonders strenge Maßnahmen getroffen: Sicherheitsabstand, Einlasskontrollen durch Sicherheitspersonal, Desinfektionsmittel-Spender und limitierte Einkaufswägen gehörten schnell zum alltäglichen Einkauf dazu.
ka-news.de-Leser sind empört
Doch nun, knapp ein Jahr später, ist davon nicht viel übrig geblieben, so zumindest die persönlichen Erfahrungen der ka-news.de-Redakteure - und damit sind sie scheinbar nicht allein: Viele Leser teilen diese Ansicht, beschweren sich über fehlende Sicherheitsmaßnahmen in ihren örtlichen Supermärkten.

"Die Situation im Rewe in Durlach geht gar nicht! Keine Kontrolle, wie viele Menschen im Markt sind plus unverantwortliches Verhalten der Kundschaft! So etwas gehört sich im Lockdown nicht!", empört sich so etwa eine anonyme ka-Reporterin gegenüber der Redaktion.
Ein Corona-Missstand, der schon zu lange ignoriert wird? Ein persönliches Schicksal, das erzählt werden sollte? Fragen rund um die Corona-Pandemie, die Sie bewegen? Uns interessiert, was Sie interessiert! Schreiben Sie uns - und werden Sie ka-Reporter!
Nutzen Sie hierfür dieses Formular, um direkt mit uns in der ka-news.de-Redaktion in Kontakt zu treten. Wir sind gespannt auf Ihre Geschichten!
ka-news.de-Leserin Rahel fällt ein ähnlich hartes Urteil über einen Kaufland-Markt in Karlsruhe: "Ich war an einem Samstagmittag dort. Katastrophe! Kein Abstand! Unglaublich viele Menschen. Keine Kontrolle. Die Maske wurde unter der Nase getragen und eine Person hatte nicht einmal eine auf. Also am Samstagmittag bekommen mich keine zehn Pferde da wieder rein."
"Wir sind einfach nur fertig"
Eine Person aus dem Umfeld der Kaufland-Kette, die nicht näher genannt werden möchte, bestätigt die Eindrücke und berichtet über weitere, scheinbar teils katastrophale Zustände in den Märkten: "Am Samstagnachmittag gelten hier eigene beziehungsweise keine Regeln", so die Person gegenüber der Redaktion.
"Es wird reingelassen, bis sich die Kunden stapeln, Maskenpflicht ist zwar von der Regierung vorgegeben, aber wir haben jeden so hereinzulassen, wie er das möchte. Offiziell dürfen wir auch niemanden ansprechen, wenn es eine falsche Maske ist oder die Maske falsch sitzt. Wir sind einfach nur fertig."
Das sagen die Supermärkte
ka-news.de hat bei verschiedenen Supermarkt-Ketten einmal nachgefragt. Bestätigen sich hier die Eindrücke? Wie sieht das Hygienekonzept konkret aus und was wird zum Schutz für Mitarbeiter und Kunden unternommen?
-
Edeka
Die Mehrzahl der Edeka-Märkte wird von selbstständigen Kaufleuten betrieben. Das Unternehmen bittet um Verständnis, dass "wir hier keine Informationen zu einzelnen Unternehmen unseres genossenschaftlichen Verbunds geben und keine allgemeingültige Aussage machen können. Unsere selbstständigen Edeka-Kaufleute und wir versuchen immer, mit Blick auf die Situation vor Ort individuelle und pragmatische Lösungen zu finden", heißt es in der Antwort an die Redaktion.Bild: Tobias Hase/Archivbild
In den einzelnen Märkten würden unterschiedliche Vorkehrungen getroffen und kontinuierlich angepasst werde, um Kunden und Mitarbeitende bestmöglich zu schützen und gleichzeitig die Nahversorgung aufrechtzuerhalten. "Selbstverständlich werden in allen Märkten die jeweiligen behördlichen Auflagen im Zuge der Corona-Pandemie konsequent umgesetzt. Die Gesundheit und der Schutz unserer Kunden und Mitarbeitenden stehen für uns an erster Stelle", so Edeka.
Weiter heißt es: "Die Beschränkung der Kundenzahl wird beispielsweise über Maßnahmen wie Einlasskontrollen, digitale Kundenzähler oder die Verpflichtung, einen Einkaufswagen zu nutzen, umgesetzt. Insbesondere die Wagenpflicht, verbunden mit einer begrenzten Stückzahl von Einkaufswagen, ermöglicht eine pragmatische Kontrolle, dass sich nur die Maximalzahl der Kunden im Markt befindet und somit das Infektionsrisiko deutlich reduziert werden kann."Bild: Federico Gambarini/dpa/Archivbild -
Aldi-Süd
"Die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter und Kunden hat oberste Priorität", meint eine Sprecherin von Aldi-Süd auf ka-news.de-Anfrage. Deshalb habe die Kette zum Schutz aller in allen Filialen Plexiglasscheiben an den Kassen installiert und Bodenmarkierungen angebracht. "Unsere Pfandautomaten wurden zudem umprogrammiert", heißt es weiter.Bild: Bernd Thissen/Archiv
Dadurch werde der Pfandbon nun automatisch ausgegeben. Darüber hinaus seien nahezu alle Aldi-Süd Filialen im Eingangsbereich und in Nähe der Einkaufswägen mit Hygienestationen ausgestattet. "Wir bitten unsere Kunden, in dieser Ausnahmesituation besonders Rücksicht zu nehmen und während ihres Einkaufs auf die wichtigen Hygiene- und Abstandsregeln zu achten", so die Erklärung. Unter anderem sollen Kunden verstärkt kontaktlos und mit Karte zu bezahlen und "selbstverständlich halten wir uns bei Aldi-Süd an die Verordnung zur Maskenpflicht."
Kunden, welche die Filiale ohne entsprechende Maske betreten, "werden durch unsere Mitarbeiter freundlich darauf hingewiesen, eine solche anzulegen", sofern sie nicht durch ein ärztliches Attest davon befreit seien. "Auf die Maskenpflicht sowie die Hygiene- und Abstandsregelungen werden unsere Kunden mit Hinweisschildern und Plakaten in und vor der Filiale hingewiesen."Bild: Aldi Süd/dpa
Um den aktuellen Anforderungen nachzukommen, setze Aldi-Süd zudem nach eigenen Angaben in rund zwei Drittel der Filialen "Systeme zur digitalen Einlasskontrolle und Einlassbeschränkung" ein. Auch Sicherheitspersonal könne bei Bedarf zum Einsatz kommen. -
Lidl
"Die Vorgaben zur Begrenzung der Personenanzahl in seinen Filialen setzt Lidl unter anderem durch eine Reduzierung der Einkaufswagen im Verhältnis zur jeweiligen Verkaufsfläche um. Darüber hinaus setzen wir individuell anhand der jeweiligen behördlichen Anweisungen vor Ort weitere Vorgaben um", erklärt ein Sprecher des Unternehmens gegenüber der Redaktion.Bild: Matthias Balk/dpa/Archivbild
Dazu gehören laut hauseigenem Hygienekonzept unter anderem Bodenmarkierungen, Hygienestationen "die regelmäßig von Mitarbeitern aufgefüllt werden", Plexiglas-Scheiben und Hinweisschilder. Je nach Infektionslage würden kurzfristig weitere Maßnahmen beschlossen werden können. -
Real
Auf Anfrage von ka-news.de antwortet die Real-Kette folgendermaßen: "Im Rahmen der Corona-Schutzverordnung gibt es für Verkaufsflächen Vorgaben, wie viele Kunden sich zeitgleich auf der jeweiligen Verkaufsfläche befinden dürfen. Diese Vorgaben sind für uns als Unternehmen bindend. Durch die Aufforderung, dass jeder Kunde für seinen Einkauf einen Einkaufswagen verwendet, können wir so den individuellen Vorgaben je Markt nachkommen."Bild: Oliver Berg/dpa -
Kaufland
Aufgrund der wechselnden Infektionslage in den verschiedenen Regionen könne Kaufland keine Angaben zu einzelnen Standorten machen, heißt es auf Anfrage von ka-news.de. Aber: Laut Kaufland haben sich viele der notwendige Verhaltensregeln inzwischen gut eingespielt: "Aufgrund unserer großen Verkaufsflächen sowie den breiten Gängen können wir die geforderte Kundenanzahl sowie die Mindestabstände in der Regel einhalten. Sollte es notwendig sein, begrenzen wir die Einkaufswagen auf eine entsprechende Anzahl."
Bild: Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
Und weiter: "Kunden tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung und achten darauf, die entsprechenden Abstands- und Hygieneregeln während des Einkaufs einzuhalten. Unsere Kunden können uns zudem aktiv unterstützen, indem sie die gesamte Länge unserer Öffnungszeiten nutzen und insbesondere montags, dienstags und mittwochs, sowie – soweit möglich – nur alleine oder zu zweit einkaufen gehen."
Soweit also die Theorie der Märkte - doch wie viel davon wird im Alltag tatsächlich umgesetzt? Ein Mann, der das im vergangenen Jahr hautnah miterlebt hat, ist Uwe Wagner. Der Chef eines Sicherheitsdienstes hat zusammen mit seinen Mitarbeitern im ersten Lockdown den Kundenstrom vor einem Knielinger Drogeriemarkt überwacht. Wie schätzt er die aktuelle Situation vor und in den Supermärkten ein?
Auf den "Mann an der Tür" wird verzichtet
"Die Hygiene ist sehr schlecht geworden. Aus Kostengründen wird auf den Mann an der Tür verzichtet", erklärt Uwe Wagner gegenüber ka-news.de. Statt kleinere Supermärkte oder Drogerien betreue er mit seinem Team aktuell eher Großfirmen oder Märkte, die umgebaut wurden.
"Im ersten Lockdown standen wir draußen und haben jeden Kunden freundlich begrüßt, verabschiedet und höflich darauf hingewiesen sich die Masken korrekt anzuziehen und sich die Hände zu desinfizieren. Alle Einkaufswägen wurden desinfiziert, es hat kein Kunde einen Wagen genommen, ohne dass dieser von uns nicht desinfiziert wurde. Diese Dinge fallen jetzt alle weg", so Wagner.

Sind Supermärkte ein Infektions-Hotspot?
Doch trotz allen empörten Aufschreien, trotz aller Kritik: Welchen Anteil haben Lebensmittelmärkte am aktuellen Infektionsgeschehen wirklich? Sind sie tatsächlich Corona-Hotspot und die Kritik damit berechtigt?
Auf Anfrage der Redaktion stellt das Gesundheitsamt Karlsruhe folgende Zahlen zum derzeitigen Infektionsgeschehen in der Fächerstadt vor: Rund ein Drittel der Infektionen erfolgen demnach im Bereich von Familien. Zirka 20 Prozent in Einrichtungen wie Pflegeheimen und bei Unternehmen. Bei zwischen 25 - 30 Prozent könne die Ansteckungsquelle nicht ermittelt werden.
Anhaltspunkte, dass Infektionen aus Supermärkten herrühren, habe das Gesundheitsamt in Karlsruhe dagegen nicht. "Ausgeschlossen werden kann es aber auch nicht", so ein Sprecher des Gesundheitsamtes. Dennoch seien Ansteckungen beim Einkaufen zwar möglich, aber eher selten.
Karlsruher machen auch positive Erfahrungen
Und: Nicht alle Karlsruher haben in ihren Supermärkten schlechte Erfahrungen gemacht. Viele sind von den Konzepten der Geschäfte überzeugt. So meint etwa Leserin Viola in einem Kommentar auf der ka-news.de-Facebook-Seite: "Die Personenzahl wird ganz gut über die Anzahl der Einkaufswagen gesteuert, Desinfektionsmittel steht bereit und wenn Leute an der Kasse zu dicht aufrücken, sagt das Kassenpersonal was."
User Chris sieht die Verantwortung für etwaige negative Berichte aus Supermärkten sogar gar nicht bei den Läden selbst: "Die Supermärkte haben alles richtig gemacht, aber die Kunden haben sich teilweise schon blöd angestellt", erklärt er auf Facebook.
"Mehr Mitgefühl und Solidarität und weniger Egoismus"
Dennoch sind sich die meisten Leser in einem Punkt einig: Die Belastungen vor allem für das Personal sind enorm. User Thomas fordert deshalb in einem Facebook-Kommentar mehr Verständnis für die Mitarbeiter in den Supermärkten: "Mitgefühl, Solidarität und weniger Egoismus würde guttun. Die Angestellten arbeiten täglich acht oder mehr Stunden in einem geschlossenen Raum mit hunderten ständig wechselnden Menschen. Und das für einen mickrigen Lohn."

Auch Türsteher Uwe Wagner weiß, dass "viele Supermarkt-Mitarbeiter an ihrer Grenze sind und einfach keine Lust auf die Diskussionen haben", meint er gegenüber ka-news.de. Was also könnten die Märkte in Zukunft hier noch besser machen? "Ein externer Sicherheitsmann vor der Tür würde schon viel helfen - die Leute haben dann einfach mehr Respekt", so Wagner.
"Außerdem sollten die Ketten mehr auf die Verringerung des Risikos und die Sicherheit achten." Sicherheitsmitarbeiter könnten seiner Meinung nach hier beruhigend auf die Kunden einwirken. "Diese sind eh schon verängstigt genug. Die Märkte sollten nicht auf jeden Cent schauen", so Wagner.
Der Artikel wurde nachträglich bearbeitet.
Hinweis: Kommentare geben nicht die Meinung von ka-news wieder. Der Kommentarbereich wird 7 Tage nach Publikationsdatum geschlossen. Bitte beachten Sie die Kommentarregeln und unsere Netiquette!