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Karlsruhe: Bruchsaler Krebspatient: Von der Intensivstation auf den Highway

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Bruchsaler Krebspatient: Von der Intensivstation auf den Highway

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    Manfred Grimme leidet an der unheilbaren Blutkrebsart Morbus Waldenström
    Manfred Grimme leidet an der unheilbaren Blutkrebsart Morbus Waldenström Foto: (Privat)

    Sie haben ein angeschlagenes Knie, leiden an der unheilbaren Blutkrebsform Morbus Waldenström, haben schon eine Chemotherapie überstanden - gab es gesundheitliche Tiefpunkte während Ihrer Reise, die Sie an Ihrem Vorhaben zweifeln ließen?

    Die schwierigste Etappe galt es in New Mexico zu durchstehen: Ich hatte zu diesem Zeitpunkt sowohl eine Erkältung als auch einen Magen-Darm-Infekt und dann machte mir auch noch ein starker Gegenwind zu schaffen. In diesem Moment dachte ich das erste Mal "Warum hast du dir sowas eigentlich eingebrockt?" - aber letztlich stand ich auch diese Krise durch und radelte weiter, mit einem dreitätigen, außerplanmäßigen Stopp im bequemen Motel, um mich von den Strapazen zu erholen. Adrenalin strömte auch durch meine Adern, als ich am Golf von Mexiko eine sieben Kilometer lange Brücke bei Sturmböen überqueren musste - ich hatte am nächsten Tag eine Verabredung und wollte diese nicht verpassen. Nun ja, meine Freunde waren schließlich überrascht, dass ich überhaupt bei ihnen ankam (lacht).

    ... und was war das schönste Erlebnis während des Trips?

    Ein tolles Erlebnis hatte ich in Las Vegas: Das erste Mal checkte ich auf meiner Reise in einem Luxushotel ein - mein Zimmer befand sich im 19. Stock! Aber wohin mit dem Fahrrad? Schließlich und endlich schob ich es durch das riesige hauseigene Spielcasino bis zum Aufzug und nahm es mit nach oben. Mit dem Rad über den Dächern einer Millionen-Metropole - das können auch nicht viele von sich behaupten (lacht). Atemberaubend war auch der Moment, als ich früh morgens in 2.000 Meter Höhe am Monumet Valley saß und den schönsten Sonnenaufgang meines Lebens miterleben durfte.

    Wie hat sich Ihre Krankheit im Laufe und nach der Reise entwickelt?

    Ich habe anscheinend ein ziemliches Glück: Als ich die Diagnose bekam, sagt man mir, dass der Statistik nach 50 Prozent der Patienten sieben Jahre nach der Feststellung der Krankheit sterben. Nun habe ich bald das neunte Jahr überstanden und ich fühle mich rundum wohl - ich nehme auch keine Medikamente mehr. Was mich selbst, aber auch den Arzt, überrascht hat: Nach der Reise hat sich mein Krankheitswert (IGM) deutlich stabilisiert. Heute fühle ich mich besser denn je.

    "Herr Waldenström" - Sie nennen Ihre Krankheit im Buch beim Namen. Haben Sie im Zuge der Tour eine andere Beziehung zu ihr aufgebaut?

    Tatsächlich trägt dieser Name im Verlauf der Geschichte eine gewisse Symbolik mit sich. Als ich vor neun Jahren das erste Mal mit der Krankheit und deren Namen vertraut gemacht wurde, konnte ich mit "Waldenström" gar nichts anfangen. Jahrelang habe ich die Diagnose verdrängt - sie war für mich etwas Unfassbares. So spreche ich am Anfang des Buches von meinem Reisebegleiter "Herr Waldenström", dem ich wünsche, dass seine Einreise in die USA vom Zoll verweigert wird. Zum Ende hin stoße ich dann mit "Waldi" auf der Golden Gate Bridge auf einen gelungenen Trip mit Höhen und Tiefen an - während er mich noch vor neun Jahren im Rahmen einer vorigen Reise nach San Francisco aufforderte, vom Brückenmast zu springen. Die Beziehung hat sich im Laufe der Jahre, im Laufe der Reise geändert - heute kann ich mit der Diagnose umgehen und lasse sie nicht mein Leben beherrschen. Ich lerne mit ihr zu leben.

    In Ihrem Buch geben Sie zu, dass es Sie gleich am ersten Tag in Orlando in einen Aldi-Markt verschlagen hat, um sich mit Grundnahrungsmitteln einzudecken.

    (lacht) Ja, genau.

    Was haben Sie denn am meisten vermisst?

    Ein einfaches Brötchen aus dunklem, knusprigen Teig mit Marmelade zum Frühstück. Irgendwann wurde der Besuch bei McDonalds für mich zur Tradition - aber nicht wegen der labbrigen Ei-Schinken-Burger, die sie da morgens anbieten, sondern wegen des kostenlosen High-Speed-Internets. In den Läden hatte ich so immer die Möglichkeit, meinen Blog zu aktualisieren oder mit meiner Familie zu skypen.

    Zu Beginn der Reise gaben Sie an, wissen zu wollen, wo Ihre Grenzen liegen. Haben Sie sie gefunden?

    Oh ja. Ich bin definitiv an meine Grenzen gegangen, als ich mit 25 Kilogramm Gepäck auf meinen Schultern einen 190-Kilometer-Trip an einem Tag geschafft habe. Danach war ich stolz, aber auch sehr müde.

    Nach dem Abenteuer ist vor dem Abenteuer. Sie haben in Ihrem Leben schon viele Reisen unternommen - unter anderem nach Island, Neuseeland und Kanada. Haben Sie bereits neue Urlaubspläne?

    Ich würde im Winter diesen Jahres gerne eine weitere Fahrradtour in Südamerika, wahrscheinlich Argentinien, machen, aber das steht noch nicht ganz fest. Gerne würde ich einmal meine Frau mitnehmen, aber für die sind so lange Strecken mit dem Rad nichts (lacht). Ich setze mir jedes Jahr neue Ziele, das finde ich wichtig. So habe ich beispielsweise letztes Jahr nach der Reise durch die USA mein Buch geschrieben. Auch dieses Jahr werde ich wieder am Leukämie-Kongress der DLH (Deutsche Leukämie Hilfe) teilnehmen.

    Bereits im Dezember 2012, kurz vor Antritt seiner Reise, hat ka-news mit dem Bruchsaler über seine Krankheit, Zukunftspläne und Erfahrungen gesprochen.

    Manfred Grimmes Buch "Diagnose Leukämie - Von der Intensivstation auf den Highway" ist ab sofort im Handel und als E-Book erhältlich. Pro verkauftem Buch erhält die Stiftung Deutsche Leukämie und Lymphon-Hilfe einen Euro als Spende. "Diese Spendengelder", so Grimme, "kommen dort an, wo sie dringend benötigt werden - beim Patienten." So wurde von den Spendengeldern der letztjährigen Radtour einem Krebspatienten geholfen, der nach einer erfolgreichen Stammzellentransplantation aufgrund einer ausgeprägten Muskelschwäche nun dauerhauft in seiner Mobilität eingeschränkt ist. Er bekam ein so genanntes E-Trike.

    Die Fragen stellte Marie Wehrhahn

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