Herr Neppl, bei der Antwort auf die Frage, wie Städte in 25 Jahren aussehen werden, tun sich Experten schwer. Warum ist das so?
Weil wir keine Meteorologen oder Wahrsager sind. In unserer Profession der Architektur und Stadtplanung bedeutet "Planung" immer ein Nachdenken darüber, wie wir eine reale städtische Situation oder ein Gebäude verändern können. Dafür kann es viele Gründe geben. Oft geht es um eine höhere Dichte, immer sind viele Nachbarn mit gegensätzlichen Interessen betroffen und es geht fast immer um viel Geld. Es ist also immer eine Gleichung mit vielen Unbekannten.
Die Einwohnerzahl in Karlsruhe wächst seit Jahren. Mehr Menschen bedeuten aber auch einen höheren Bedarf an Wohnraum. Muss Karlsruhe von seinen bisherigen Konzepten beim Wohnungsbau abrücken und vermehrt in die Höhe bauen?
Hochhäuser sind nur bei extremen Grundstückspreisen eine Option. Diese Gebäudetypologie kommt heute vornehmlich für Büronutzungen oder für luxuriöses Wohnen in Großstädten in Frage, da ihre Konstruktion durch die energetischen und brandschutztechnischen Vorschriften sehr aufwendig und teuer ist. In Karlsruhe geht es aber um den sogenannten "bezahlbaren Wohnraum".
Es kommt also darauf an, dass man auf den zur Verfügung stehenden Flächen Projekte entwickelt, wodurch tatsächlich bezahlbare Wohnungen entstehen können. Der Gemeinderat hat am 21. Januar 2014 dazu das Karlsruher Wohnraumförderungsprogramm (KaWoF) und Karlsruher Innenentwicklungskonzept (KAI) beschlossen, wodurch gezielt solche Projekte gefördert werden sollen. Auch in dem kürzlich vorgestellten Entwurf zum Räumlichen Leitbild wird das Thema unter dem Titel "Mehr Wohnen" intensiv bearbeitet. Das Thema ist also auf allen Ebenen angekommen. Ob die Maßnahmen tatsächlich greifen wird man sehen.
Werfen wir einen Blick auf die Mobilität. Bereits heute wird vermehrt versucht, Autos aus Stadtbereichen raus zu halten. Erwarten Sie, dass der Autoverkehr bis in 25 Jahren gänzlich aus der Innenstadt verschwunden sein wird?
Die Mobilität ist ein zentrales Thema in unserem täglichen Leben. Heute geht es dabei um eine möglichst effiziente und bequeme Verknüpfung unterschiedlichster Verkehrsmittel. Man kann nicht überall alles haben. Das Auto ist in dichtbebauten Stadtteilen schon lange nicht mehr der "Alleskönner". Für viele Pendler und in ländlichen Räumen aber ist es unverzichtbar.
Mein persönlicher "modal split", also die Verteilung auf die verschiedenen Verkehrsmittel, sieht zur Zeit beispielsweise so aus: fünf Prozent eigenes Auto, zehn Prozent Carsharing, fünf Prozent zu Fuß, 40 Prozent Fahrrad, 35Prozent Öffentlicher Nahverkehr und Deutsche Bahn und fünf Prozent Flugzeug. Ich glaube jeder wird durch die entsprechenden technischen Hilfsmittel zu seinem eignen Verkehrsmanager und wird persönlich entscheiden wie er seinen Alltag am besten organisiert.
Wie sieht die Energieversorgung in Karlsruhe im Jahr 2040 aus?
Eine Stadt wie Karlsruhe mit etwa 300.000 Einwohnern wird sich auch 2040 nur in Ausnahmefällen mit regenerativer Energie vollständig auf der eigenen Gemarkung versorgen können. Eine Berechnung des sogenannten ökologischen Fußabdruckes für Berlin ergab, dass ein Flächenäquivalent von 168 mal der Stadtfläche benötigt wird, um eine solche Stadt mit allen Ressourcen zu versorgen. Das zeigt, dass es in Zukunft nicht nur um Energie geht, sondern um einen planvollen Umgang mit allen Ressourcen.
Die Stadt Karlsruhe setzt im Moment sehr stark auf den Ausbau des Fernwärmenetzes. Das ist aber abhängig von der industriell erzeugten Abwärme. Ob das in Zukunft so bleiben wird, hängt im Wesentlichen davon ab, wie sich der Industriestandort Karlsruhe entwickelt und welche Möglichkeiten für die Integration von regenerativer Energieerzeugung gefunden werden. Im Moment sind die Pläne dafür noch nicht entwickelt.
Die Sehnsucht nach mehr Grün ist bei vielen Stadtbewohnern groß. Welche Rolle werden Grünflächen, Parks oder frei benutzbare Gemüsebeete in der Fächerstadt der Zukunft spielen?
Schon bei der Stadtgründung 1715 wurde die Verknüpfung mit der umgebenden Landschaft in den Mittelpunkt der Planungen gestellt. Eine der großen Qualitäten der Stadt liegt in ihrer direkten Verknüpfung mit der Landschaft. Doch auch bei diesem Thema wird sich jede Generation ihre eigene Sichtweise entwickeln. Mein Großvater zum Beispiel war stolz auf seinen Schrebergarten. Wenn unsere Enkel lieber Gemüsebeete in der Stadt bepflanzen, so ist das auch okay. Karlsruhe sollte immer offen sein für neue Ideen und Sichtweisen und sich nicht nur hinter Traditionen verstecken.
Die Wirtschaft im Stadtgebiet lebt von Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor. Produzierende Betriebe spielen in urbanen Räumen dagegen immer seltener eine Rolle. Hält dieser Trend an, oder wird sich die wirtschaftliche Situation verändern?
Bei dieser Frage gibt es ja Fachleute, die in die Zukunft sehen können, die sogenannten "Wirtschaftsweisen". Nach meiner Überzeugung geht es eher um die Innovationsfähigkeit einer Stadt als um reine Statistiken unterschiedlicher Branchen. Die Kreativwirtschaft zum Beispiel wurde immer belächelt. Die Städte aber die sich offensiv um die Ansiedlungsmöglichkeiten gekümmert haben, profitieren heute auf mehreren Ebenen davon. Es geht nicht immer nur um Zahlen, sondern auch um Stimmungen und Atmosphäre in einer Stadt.
Herr Neppl, wenn Sie sich Ihr Karlsruhe in 25 Jahren nach Wunsch zusammenstellen könnten - wie sähe es aus?
Ich wünsche mir, dass Karlsruhe noch viel mehr eine offene Stadt wird. Damit meine ich, dass die Menschen hier noch mehr für ihre Stadt stehen und sich persönlich engagieren, sie weiterentwickeln. Dabei sollten sie neugierig sein und viel ausprobieren dürfen. Eigentlich genau das, was schon bei der Stadtgründung propagiert wurde.
Die Fragen stellte Karsten Schäfer.
Zur Person: Markus Neppl wurde 1962 in Duisburg geboren. 1983 bis 1990 studierte er an der RWTH in Aachen.1990 gründete er zusammen mit Kees Christiaanse, Peter Berner und Oliver Hall das Büro ASTOC Architects and Planners. 2003 übernahm er die Professur für Stadtquartiersplanung und Entwerfen an der Technische Hochschule Karlsruhe. Seit 2013 ist Neppl Studiendekan der Fakultät für Architektur, am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
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