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Karlsruhe: Auf den Spuren der Scheinanlagen aus dem Weltkrieg: Was wurde aus den Attrappen, die die Fächerstadt retten sollten?

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Auf den Spuren der Scheinanlagen aus dem Weltkrieg: Was wurde aus den Attrappen, die die Fächerstadt retten sollten?

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    Die Brücke über den Hirschkanal. Diese wurde vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut und sehr wahrscheinlich in den 1930er Jahren verbreitert. Sie lag inmitten der Scheinanlage "Venezuela".
    Die Brücke über den Hirschkanal. Diese wurde vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut und sehr wahrscheinlich in den 1930er Jahren verbreitert. Sie lag inmitten der Scheinanlage "Venezuela". Foto: Norbert Prothmann

    Anfang Oktober letztes Jahr berichtete ka-news über die Scheinanlagen der Luftwaffe im Hardtwald, die bei den Luftangriffen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg die Fächerstadt und andere wichtige Bombardierungsziele in der Umgebung vortäuschen sollten. Jetzt forscht ka-news weiter, um Näheres über die drei mit südamerikanischen Decknamen benannten Anlagen zu erfahren.

    Norbert Prothmann von der "Forschungsgruppe Untertage" aus Stuttgart recherchiert bereits seit mehreren Jahren in Karlsruhe. Die Gruppe dokumentiert unter anderem Luftschutzanlagen und Bunker in der Region. Im vergangenen Monat hat er Standorte besichtigt, um nach Resten und Nachweisen von "Columbia", "Venezuela" und "Panama" zu suchen.

    Übrig sind nur noch Reste und Ruinen

    Im Hardtwald zwischen Ettlingen und Forchheim-Silberstreifen befinden sich mehrere Reste und Ruinen von Luftwaffenbunkern. Die einst imposanten Bauten sind verfallen, mit Draht versperrt und teilweise mit Moos bewachsen. Das Betreten ist verboten. Prothmann hat den Verdacht, dass zwischen diesen Bauten die Scheinanlage "Panama", die eine Industrieanlage vortäuschen sollte, hätte liegen können. "Auf jeden Fall wurde im Kriegstagebuch des Luftgaukommandos (LGK) VII eingetragen, dass 'Panama' bei Ettlingen liegt", sagt Prothmann.

    Norbert Prothmann
    Norbert Prothmann Foto: Tim Carmele

    Im Wald bei Silberstreifen fand er einen gesprengten Mannschaftsbunker, der nicht zur Hardtwaldbatterie gehörte und auch sonst nicht dem Westwall zugeordnet werden konnte. Nach mündlichen Berichten hatte die Luftwaffe hier zumindest während des Krieges eine Radarstation betrieben. "Ob der Bunker zuvor für die Scheinanlage 'Panama' genutzt wurde, kann bis heute nicht abschließend beantwortet werden", so Prothmann.

    Gesprengter Mannschaftsbunker im Wald bei Silberstreifen. Der Bunker wurde möglicherweise für die Scheinanlage “Panama“ benutzt. Er gehört nicht zur Hardtwaldbatterie oder Westwall.
    Gesprengter Mannschaftsbunker im Wald bei Silberstreifen. Der Bunker wurde möglicherweise für die Scheinanlage “Panama“ benutzt. Er gehört nicht zur Hardtwaldbatterie oder Westwall. Foto: Norbert Prothmann

    Spuren im Wald lassen auf Scheinanlage schließen

    Auf der Spur der Scheinanlage "Venezuela", die durch Rodungen und eine Anlage von ferngesteuerten Lämpchen die Fächerstadt bei Nacht abgebildet hat, fuhr der Hobby-Historiker zum Campus-Nord, wo diese Anlage aufgebaut war. Der Campus ist umgeben vom Wald, durch den mehrere schnurgerade Schneisen durchlaufen. "Ich habe keine belastbaren Hinweise darauf, dass von der Anlage 'Venezuela' noch etwas erhalten ist, außer diese Schneisen im Wald", so Prothmann. Diese erkennt man zum Teil noch, auch wenn sie nur 1 bis 1,5 Meter breit sind und immer mehr zuwachsen.

    Schneisen im Wald bei Campus Nord, wo die Scheinanlage “Venezuela“ lag
    Schneisen im Wald bei Campus Nord, wo die Scheinanlage “Venezuela“ lag Foto: Katherine Quinlan-Flatter

    In einer Aufstellung des Bundesvermögensamts aus der Nachkriegszeit sind Gebäude in der Nähe des Friedhofs von Friedrichstal gelistet, die keinen militärischen Anlagen in Karlsruhe zugeordnet werden können (Westwall, Luftverteidigungszone West oder Flak). "Es könnte daher sein", sagt Prothmann, "dass diese Gebäude zur Scheinanlage Venezuela gehörten. Die Gebäude wurden jedoch schon in der Nachkriegszeit entfernt und mit Wohnhäusern überbaut".

    Heute Entlastungskanal, früher Panzerhindernis

    Prothmann besuchte mit einem ortskundigen Bekannten zudem noch ein Gebäude an der Bahnlinie Durlach-Weingarten in der Nähe der Brücke über den Pfinz-Entlastungskanal. Der Kanal wurde in den 1930er Jahren gebaut und hatte neben der Vermeidung von Hochwassern auch eine militärische Funktion als Panzerhindernis. Es war aber leider nicht möglich, dieses Bauwerk neben der Bahnlinie einzuordnen, und ein potentieller Zusammenhang mit den Karlsruher Scheinanlagen wurde ausgeschlossen.

    In der Waldstadt stand vor zirka 20 Jahren noch ein Bauwerk am Traugott-Bender-Sportpark, das der dortige Sportverein damals noch nutzte, das inzwischen aber entfernt wurde. Ein älterer Herr vom Verein hatte erzählt, dass das Bauwerk einmal zu einer Scheinanlage gehört hätte. "Für mich passt der Standort aber zu keiner der drei Karlsruher Scheinanlagen", erklärt Prothmann. "Vielleicht war an dieser Stelle eine Scheinwerferstellung der Karlsruher Flak gewesen. Wir haben keine Gebäudereste, keine Belege oder weitere Erkenntnisse, so dass ich diesen Fall zurückstellen muss, bis wir vielleicht eines Tages doch noch mehr dazu erfahren".

    Aus einem Baggersee wurde vielleicht ein Hafen

    Die Anlage "Columbia" sollte den Karlsruhe Rheinhafen simulieren und Prothmann vermutet, dass sie am Weingartener Baggersee gelegen hat, da es auch im Kriegstagebuch des LGK VII heißt, Columbia läge "zwischen Weingarten und Untergrombach, 9 km südwestlich Bruchsal, Ausrodung im Hardtwald und Hafenattrappe".

    Der Weingartener Baggersee. Es wird vermutet, dass hier die Scheinanlage “Columbia“ war.
    Der Weingartener Baggersee. Es wird vermutet, dass hier die Scheinanlage “Columbia“ war. Foto: Norbert Prothmann

    Mit ka-news zusammen fuhr Prothmann zum Baggersee bei Weingarten. Auf der Seite von Weingarten kommend befindet sich der Baggersee und ein Kiesstrand. Auf der anderen Seite des Sees liegt ein kleines Stück Wald – von hier aus hätte die Scheinanlage, falls sie tatsächlich hier lag – betrieben werden können. So würde sich die Lage dieses Baggersees dafür eignen, ein Hafengebiet zu simulieren.

    Um eventuell eine genauere Lokalisierung der Scheinanlagen in und um Karlsruhe festzustellen, müsste man in Archiven recherchieren, ob Grundstücke in den in Frage kommenden Gegenden in der ersten Hälfte des Jahres 1940 vom Militär gekauft oder enteignet wurden.

    Der Artikel wurde nachträglich bearbeitet.

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