Im zweiten Teil des ka-news Interviews äußert sich der Buchautor Meinrad Heck ("Die Taschenspieler - Verraten und verkauft in Deutschland") sehr kritisch zur so genannten Endlagerfrage. Die Bevölkerung sei im Fall der Asse getäuscht worden. Gleichzeitig sei der Atommüll, der aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague auch regelmäßig durch den Karlsruher Hauptbahnhof in Richtung Gorleben gekarrt werde, noch um ein Vielfaches gefährlicher.
Herr Heck, apropos Stichwort "Asse im Ärmel": Der Titel des Buchkapitels ist bewusst doppeldeutig gewählt. Sind die Verantwortlichen wirklich so leichtfertig, in der Asse die Lösung all ihrer Entsorgungsprobleme zu sehen?
Die Asse wurde den Menschen in Niedersachsen in den 60er Jahren als atomares "Versuchslager" verkauft. Das war eine Lüge. Tatsächlich sprachen Ministerialbeamte und Forscher in Karlsruher damals zeitgleich von einem Endlager in diesem Salzbergwerk Asse. Dieses Wort taucht in alten, aber damals eben geheimen Aktenvermerken und in alten Genehmigungsunterlagen von Kernkraftwerken immer wieder auf. Die Lüge ist als solche belegt.
Wie viel radioaktives Material aus Karlsruhe lagert denn in der Asse?
Mindestens die Hälfte kam aus Karlsruhe.
Ist dies (anteilig) belegt und im Zweifel: Wodurch belegbar?
Es gibt Gutachten und alte Inventarlisten. Damit lässt sich wenigsten belegen, woher der Atommüll kommt. Ob in den Fässern auch tatsächlich das drin ist, was in den Begleitpapieren steht, lässt sich nie mehr überprüfen.
Wie kommt ein Journalist an die Akten und Insiderinformationen zur Asse?
Vieles liegt in Archiven und ist nach so vielen auch Jahrzehnten freigegeben und zugänglich. Über andere vertrauliche Quellen reden Journalisten nicht.
Wird einem da nicht manchmal schwindelig, wenn man das so alles liest?
Schwindelig vielleicht nicht, aber das Ausmaß der verlogenen Tricks ist schon dramatisch.
Der Titel "Asse im Ärmel" wird ja auch durch Recherchen belegt. Im Buch heißt es, dass viele deutsche Atomkraftwerke ihre Entsorgung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle über den Umweg Karlsruhe ins "de facto-Endlager" Asse gelöst haben und die Öffentlichkeit mit dem harmlosen Wort vom Versuchslager "ruhiggestellt" wurde. Ist dieses Vorgehen nicht schlichtweg kriminell?
Was kriminell ist oder nicht entscheiden Gerichte. Solche Verfahren hat es in diesem Zusammenhang nie gegeben. Verlogen war es in jedem Fall. Aber die Lüge ist in der Politik bekanntlich nicht verboten.
Es ist die Rede von 127.000 Fässern, die in der Asse eingelagert sind. Jeweils etwa ein Meter hohe Fässer mit circa 200 Litern Fassungsvermögen. Wie viel Plutonium lagert dort in dem Bergwerksstollen?
Laut einer wissenschaftlichen Hochrechnung verteilt auf alle Fässer mehr als 26 Kilogramm.
Wie viel ist das - nach radioaktiver Strahlung - verglichen mit den Castoren aus La Hague, die regelmäßig auch durch den Karlsruher Hauptbahnhof weiter in Richtung Gorleben fahren?
Ein Castor-Transport aus La Hague soll etwa das tausendfache radioaktive Strahlenpotenzial der gesamten Asse haben. Die Zahl stammt von den Grünen und sollte deshalb genauso mit Vorsicht genossen werden, wie Zahlen der Atomlobby. Aber der Vergleich lässt zumindest ahnen, dass der Unterschied zwischen schwach- und mittelaktivem Asse-Atommüll im Vergleich zu hochaktivem Abfall (wie aus der alten WAK) aberwitzige Dimensionen hat.
Bei der so genannten friedlichen Nutzung von Kernkraft geht es um viel, viel Geld. Das hat man beim jüngsten Kabinettsentscheid gesehen, als es um die neuerliche Laufzeitverlängerung ging. Was spielt das für eine Rolle bei der Zwischen- und Endlagerung von Atommüll, wie wir es in der Asse erleben, oder es mit Gorleben bevorsteht?
Wo so viel Geld im Spiel ist, darf man einfach niemandem mehr vertrauen.
Geht die Politik bei der friedlichen Nutzung von Kernkraft redlich mit ihren mündigen Bürgern um?
Ich fürchte, nein. Man mag darüber streiten, ob der Betrieb von Kernkraftwerken sicher ist oder nicht. Die Entsorgungsfrage aber ist der Knackpunkt. Wer etwa in Gorleben die sichere Lagerung beispielsweise von Plutonium mit einer Halbwertszeit von über 24.000 Jahren garantieren will, handelt unredlich. Denn was passiert, wenn in vielleicht 1.000 oder 10.000 Jahren Menschen diesen alten Salzstock aus welchem Grund auch immer wieder anbohren? Wer will das ausschließen? Verstehen die Menschen in 10.000 Jahren noch unsere Warnhinweise von heute? Welche Sprache werden sie sprechen, welche Daten in welchen Archiven werden sie noch finden und lesen können? Wer da von Garantie spricht, lügt.
In einem ersten Teil des Interviews hat sich Autor Meinrad Heck zur Wiederaufarbeitungsanlage im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe geäußert.
Interview: Die Fragen stellte Stefan Jehle
______________________________________
Zum Buch: im September wurde in Stuttgart erstmals das Buch "Die Taschenspieler - Verraten und verkauft in Deutschland" einer Autorengruppe um Josef-Otto Freudenreich vorgestellt. Es folgt dem 2008 verlegten Titel: "Wir können alles - Filz, Korruption und Kumpanei im Musterland". "Die Taschenspieler" wird von der Autorengruppe am 30. November um 20.00 Uhr in Stuttgart im Haus der Wirtschaft (Stuttgarter Buchwochen) und am 3. Dezember um 18.00 Uhr in Karlsruhe im Meidinger Saal (Karlsruher Bücherschau) präsentiert.
Biobliographische Angaben: "Die Taschenspieler - Verraten und verkauft in Deutschland", Herausgeber: Josef-Otto Freudenreich, Verlag Klöpfer & Meyer, 288 Seiten, ISBN 978-3-940086-87-7, 19,90 Euro - http://www.kloepfer-meyer.de