Der Standort im Karlsruher Hardtwald galt lange Zeit selbst Fachleuten als "äußerst exponiert", eine Notlösung - wie bei vielen Fragen der Endlagerung von Atomabfällen. Damit der "Output" der Wiederaufarbeitungsanlage (WAK) im einstigen Kernforschungszentrum sich nicht ins unermessliche Risiko steigern konnte, hatten die Manager für einige Jahre ein weiteres "Zwischenlager" im Ärmel: Das Salzbergwerk Asse in Niedersachsen. Rund die Hälfte der dort eingelagerten Fässer stammt aus der Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe. ka-news Redakteur Stefan Jehle unterhielt sich mit Meinrad Heck über sein früh eingeübtes Misstrauen.
Hat der Autor Meinrad Heck einschlägige Erlebnisse, dass sich - immer wieder aufs neue - Fragen rund um Atomkraftwerke, Wiederaufarbeitung, Endlagerung radioaktiven Materials in der Berichterstattung wiederfinden?
Atomkraft beschäftigt mich seit 30 Jahren. Ich lebte damals in der Nähe des Kernkraftwerkes Obrigheim und stellte immer wieder fest, wie sehr diese Lobby uns Journalisten schon seinerzeit im Griff hatte. Teure First Class Besichtigungsreisen über den Atlantik für Redaktionsleiter und lokale Politiker. Die dann folgende Geschichte im Blatt war vom Kernkraftwerk abgesegnet und lobte diese Industrie selbstredend in den allerhöchsten Tönen. Solche Verstrickungen haben mich schon in meinem ersten Berufsjahr ziemlich misstrauisch gemacht und dabei ist es geblieben.
Vor Jahren gab es den spektaktulären Plutoniumdiebstahl aus einem vermeintlichen Hochsicherheitstrakt. Was löst das in jemandem aus, der über leichtfertigen Umgang mit derart gefährlichen Stoffen "quasi vor der Haustür" berichtet?
Das schon erwähnte Misstrauen. Vor dem Plutoniumdiebstahl hatte jeder Verantwortliche wieder und wieder behauptet, ein solches Szenario sei undenkbar. Und plötzlich war es Realität geworden unter damals ziemlich beängstigenden Umständen. Für Journalisten heißt das, glaube nicht alles, was dir von Lobbyisten vorgegaukelt wird, sondern prüfe, ob es stimmt. Und was sich nicht prüfen lässt, kann zwar publiziert werden, muss aber immer mit einem dicken Fragezeichen versehen werden.
Gab es bei den Begehungen - Blick ins Innenleben - der Wiederaufarbeitungsanlage Schlüsselerlebnisse?
Ich war mal in der der alten WAK, wurde von einem freundlichen Pressemenschen herumgeführt. Den fragte ich, wo denn diese so genannte Atomsuppe genau gelagert sei. Er lächelte und sagte, wir stünden gerade auf einer Stahlbetondecke und die Plutoniumsuppe sei zweieinhalb Meter unter uns. Ich weiß nicht, ob diese Beschreibung wirklich korrekt war, aber ich hab´ kurz geschluckt.
Wie war der Umgang der amtlichen Öffentlichkeitsarbeit im Forschungszentrum mit dem kritisch nachforschenden Journalisten Heck?
Wenn´s um eine Alltags-Reportage ohne aktuellen Anlass ging und die Herren mit keinen allzu kritischen Fragen rechneten, schien es okay zu sein. Sobald ein aktueller Anlass - wie etwa der vor dreieinhalb Jahren bekannt gewordene Korruptionsverdacht in der Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe des Forschungszentrums Karlsruhe - auftauchte, der bis heute ungeklärt ist, wurde viel geredet und nichts gesagt. Wirkliche Antworten auf Fragen gab und gibt es nicht.
Wie schätzt ein von Berufs wegen als Anwalt der Öffentlichkeit agierender Journalist die konkrete Gefährdung ein: War und ist der Flecken Erde im Hardtwald, auf dem in den 50er- und 60er Jahren Kernforschung betrieben wurde, und in den 70er- und 80er Jahren Wiederaufarbeitung von Brennelementen vonstatten ging, gefährlicher als der "ganz gewöhnliche Standort" eines Atomkraftwerkes?
Bei den Recherchen zu unserem "Taschenspieler"-Buch sind wir im Zusammenhang mit dem Betrieb des früheren Kernforschungszentrums Karlsruhe auf den Inhalt einer 41 Jahre alten Aktennotiz gestoßen. Demnach galt der Standort der WAK Karlsruhe damals schon vor Baubeginn als - so wörtlich - "äußerst exponiert" und deshalb nur als eine "Notlösung". Die erwähnte Plutoniumsuppe in einem tatsächlich nicht gegen Flugzeugabstürze gesicherten Gebäude zu bunkern, scheint mir 40 Jahre lang eine ziemlich riskante Notlösung gewesen zu sein. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass diese alte WAK bis zur Verglasung ziemlich lange einer der gefährlichsten Orte der Republik gewesen ist.
Ist der Karlsruher Hardtwald heute immer noch so gefährlich?
Ein Insider hat mir nach dem Bau der neuen Verglasungsanlage einmal gesagt, jeder Liter Atomsuppe, der aus der alten in die neue Anlage gepumpt werde, sei "in einem sichereren Zustand".
Aus welchen Gründen wurde die Wiederaufarbeitung eigentlich aufgegeben?
Sie war in Karlsruhe als Test für die industrielle Wiederaufarbeitung in Wackersdorf gedacht. Wackersdorf war am Widerstand der Bevölkerung gescheitert, also wurde auch Karlsruhe aufgegeben.
Was muss man konkret unter der so genannten Atomsuppe verstehen, die dort heute noch im Hardtwald lagert? Und um welche Mengen radioaktiven Materials handelt es sich dabei?
Derzeit ist sie zum Glück fast vollständig verglast. Es waren einmal 60.000 Liter Salpetersäure. Darin waren nach Betreiberangaben mehr als 500 Kilogramm Uran und 15 Kilogramm Plutonium enthalten.
Anteile des radioaktiven Materials lagern auch in so genannten Castoren - wie sie etwa regelmäßig auch aus dem französischen La Hague (gelegen in der Normandie) durch die deutsche Republik gekarrt werden - und das mitten im Hardtwald. Ist bekannt wie viele?
Es soll sich um vier Castor-Behälter mit 140 Glaskokillen handeln (Anm.d.Red.: Als Glaskokillen werden in der Kerntechnik normalerweise die Blockgussbehälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung bezeichnet.)
Wann werden wir die im Hardtwald entstandenen Probleme gelöst haben - noch in dieser Generation?
Aus dem Hardtwald ist das Zeug vielleicht noch in dieser Generation verschwunden. Das Problem des hochradioaktiven Mülls ist damit aber nicht gelöst, sondern nur verlagert.
In einem zweiten Teil des Interviews, der in Kürze auf ka-news erscheint, wird Autor Meinrad Heck zum Salzbergwerke Asse in Niedersachsen detailliert Stellung nehmen.
Interview: Die Fragen stellte Stefan Jehle
______________________________________
Zum Buch: Im September wurde in Stuttgart erstmals das Buch "Die Taschenspieler - Verraten und verkauft in Deutschland" einer Autorengruppe um Josef-Otto Freudenreich vorgestellt. Es folgt dem 2008 verlegten Titel: "Wir können alles - Filz, Korruption und Kumpanei im Musterland". "Die Taschenspieler" wird von der Autorengruppe am 30. November um 20.00 Uhr in Stuttgart im Haus der Wirtschaft (Stuttgarter Buchwochen) und am 3. Dezember um 18.00 Uhr in Karlsruhe im Meidinger Saal (Karlsruher Bücherschau) präsentiert.
Biobliographische Angaben: "Die Taschenspieler - Verraten und verkauft in Deutschland", Herausgeber: Josef-Otto Freudenreich, Verlag Klöpfer & Meyer, 288 Seiten, ISBN 978-3-940086-87-7, 19,90 Euro - http://www.kloepfer-meyer.de