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Karlsruhe: 599 Schwerbehinderte in Karlsruhe ohne Job: "Firmen haben Angst"

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599 Schwerbehinderte in Karlsruhe ohne Job: "Firmen haben Angst"

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    Das Karlsruher Call-Center SympaTel wurde als "beispielhaft behindertenfreundlicher Arbeitgeber" ausgezeichnet.
    Das Karlsruher Call-Center SympaTel wurde als "beispielhaft behindertenfreundlicher Arbeitgeber" ausgezeichnet. Foto: Berthold Berghoff

    404 von 624 Arbeitgebern in Karlsruhe kommen ihrer gesetzlichen Verpflichtung, fünf Prozent der Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu besetzen, nicht nach. Die gesetzlich verpflichteten Unternehmen in Karlsruhe (mindestens 20 Mitarbeiter) haben demnach im Schnitt nur 3,97 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzt.

    "Das ist eine beunruhigende Zahl", erklärte Roland Klinger, Verbandsdirektor des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS), im Gespräch mit ka-news.

    Wenige Unternehmen in Karlsruhe erfüllen Quote

    In Karlsruhe zeichnete er am Freitag die Firma SympaTel als "beispielhaft behindertenfreundlichen Arbeitgeber" aus. Das Call-Center habe von seinen mehr als 100 Stellen zehn Prozent mit schwerbehinderte Menschen besetzt und die Quote sei damit doppelt so hoch wie gesetzlich vorgeschrieben.

    Doch in Baden-Württemberg und auch in Karlsruhe ist das kein typisches Bild: Knapp zwei Drittel der Karlsruher Unternehmen erfüllen die fünf Prozent Hürde nicht. "Hier besteht Handlungsbedarf. Die Unternehmen müssen ihre Ängste überwinden und schwerbehinderte Menschen einstellen", so Klinger weiter. Karlsruhe liege zwar im Mittelfeld in Baden-Württemberg, aber auch Gerhard Volz, operativer Geschäftsführer der Karlsruher Agentur für Arbeit, sieht ein generelles Problem: "Die Bereitschaft bei den Unternehmen muss größer werden. Die Pflichtquote ist hier als moralische Stütze sehr wichtig", so Volz im Gespräch mit ka-news.

    Vorurteile sind falsch

    An sich sei die Situation in Karlsruhe gut, sie könne aber noch besser werden, findet er. "Die Agentur für Arbeit mit ihren Angeboten tut alles dafür, dass noch mehr Schwerbehinderte angestellt werden." Mit 7,2 Prozent liegt die Arbeitslosenquote bei Schwerbehinderten in Karlsruhe deutlich höher als bei gesunden Arbeitnehmern (unter vier Prozent), erläuterte Klinger zuvor in seiner Rede bei der Auszeichnung SympaTels. "599 schwerbehinderte Menschen haben in Karlsruhe keinen Job, da ist jedes Unternehmen wichtig", so der Verbandsdirektor der KVJS. Dabei sei die Sorge der Unternehmen, vor unüberwindbare Schwierigkeiten gestellt zu werden, unbegründet.

    "Die Vorurteile 'Schwerbehinderte sind nicht so motiviert' stimmen nicht - im Gegenteil. Auch die Angst, dass sie häufiger krank seien, trifft nicht zu." Es gebe keinen Grund sich zu fürchten, schwerbehinderte Menschen einzustellen - zumal viele Menschen erst im Laufe ihres Lebens schwerbehindert würden und eine normale Berufsausbildung hätten. "Die Erfahrungen zeigen, dass 95 Prozent der Unternehmen wieder einen Behinderten einstellen würden. Hier kann soziale Verantwortung und Wirtschaftlichkeit zusammengebracht werden", ist sich Klinger sicher - zumal die Agentur für Arbeit verschiedene finanzielle und organisatorische Belastungen übernehme. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am "Glücksfaktor Arbeit" sei ein wichtiges Bedürfnis der Betroffenen.

    Thema gehört in die Mitte der Gesellschaft

    Die gesetzliche Beschäftigungsquote soll die Rahmenbedingungen für die Inklusion und Integration behinderter Menschen sorgen. "Doch die Quote muss nicht nur erfüllt werden, sie muss auch zur Betriebskultur passen und darf nicht aufgesetzt sein", so Klinger. Dies sah er bei SympaTel gegeben und bezeichnete die Karlsruher Filiale als "Leuchtturm in Baden-Württemberg". Jährlich zeichnet der KVJS vier Arbeitgeber für ihr Engagement aus. Und SympaTel wurde ganz zurecht ausgezeichnet, findet Ulrike Schabenberg, behinderte Mitarbeiterin im Call-Center: "Wie hier mit Behinderten umgegangen wird, ist nicht selbstverständlich". Die blinde Mitarbeiterin wünscht sich zudem, dass andere Firmen das ebenfalls so handhaben.

    Auch die Geschäftsführer, Michael Martin und Roland Rüger, des in Pirmasens gegründeten Unternehmens, schließen sich dem an. Das Thema müsse in den Mittelpunkt der Gesellschaft gestellt werden, finden sie. Pragmatisch gesehen, könne es sich der Arbeitsmarkt nicht leisten, jemanden auszuschließen. Mit den Mitarbeitern schätzen sich die Geschäftsführer glücklich. Manchmal dauere es zwar länger, bis die Abläufe sitzen. "Aber wenn es funktioniert, dann richtig."

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