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Karlsruhe: Tarantino und die Naziskalpsammler: "Inglourious Basterds"

Karlsruhe

Tarantino und die Naziskalpsammler: "Inglourious Basterds"

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    Inglourious Basterds
    Inglourious Basterds Foto: ps

    Der DVD-Tipp von Patrick Wurster

    Tarantinos siebter Kinofilm ist ein viersprachiger Bastard fern jeden Reinheitsgebots: ein Spaghetti-Western-Revenge-Kriegs-Movie. Und der 20-minütige Dialog straft gleich zu Beginn des ersten Kapitels alle Schwarzmaler Lügen.

    Mit Ennio-Morricone-Musik und der auf "Spiel mir das Lied vom Tod" zielenden Zeile "Once Upon A Time in Nazi-Occupied France" lässt Tarantino am Horizont hinterm strahlend weißen Laken das braune Unheil heranfahren. Auftritt Christoph Waltz.

    Der Österreicher ist als Spezialist für verschlagene Charaktere bekannt; aber die Rolle des Judenjägers Hans Landa wird er in den kommenden 154 Minuten mit derart diabolischem Genuss schauspielern, dass es ihm zur Parade gereicht.

    Es ist diese lauernde Brutalität, die schlagartig aufzieht, sobald Waltz die Bildfläche betritt. Er bekommt von allen Darstellern nicht nur die meiste Leinwandzeit, sondern obendrein den Darstellerpreis der 62. Filmfestspiele von Cannes, einen "Golden Globe" als "Bester Nebendarsteller" und den deutschen Medienpreis "Bambi" in der Kategorie "Film International". Der "Oscar" muss folgen.

    Es war also einmal im Nazi-besetzten Frankreich... Während Landa den französischen Bauern LaPadite (Denis Menochet) verhört, der im Verdacht steht, Staatsfeinde zu verstecken, gibt sich der weltmännische SS-Mann freundlich-jovial; doch bald ist klar, dass er es mit hinterhältiger Berechnung geradezu genießt, sein Vorwissen auszuspielen und nur auf den rechten Moment wartet, um die Maskerade zu beenden und sein wahres grausames Gesicht zu zeigen.

    Und das tut er auch, lässt Maschinengewehrsalven durch die Dielen feuern, auf dass das vermeintlich sichere Versteck für die jüdische Familie darunter zur Todesfalle wird. Eine der Dreyfusens kann dem Detektiv entkommen: Shosanna (Mélanie Laurent). Aber er wird sie wiedersehen - als Femme Fatale, die sich ihm und den seinen zum feurigen Finale im flammenroten Kleid als rachsüchtiger Engel offenbart.

    Doch vorher lernen wir in Kapitel zwei die titelgebenden Basterds kennen, "Einen Haufen verwegener Hunde", die sich Tarantino aus Enzo Castellaris etwas anders buchstabiertem 78er B-Movie "Inglorious Bastards" ("Quel Maledetto Treno Blindato") mit Raimund Harmstorf, Bo Svenson und Fred Williamson entliehen hat. Und weil das, was er macht keine Remakes, sondern Hommagen sind, spendiert er dem Italiener im letzten Kapitel einen kurzen Auftritt. Die Spezialeinheit jüdisch-amerikanischer Soldaten steht unter dem Befehl von Lt. Aldo Raine und Brad Pitt muss für seinen Part des überbissigen Südstaatlers noch heftiger grimassieren als in "Burn After Reading" (siehe Heißer Coen-Scheiß: "Burn After Reading").

    Kunst der Konversation in Vollendung statt exemplarischer Gewaltdarstellung

    Zusammen mit seiner Truppe um den gefürchteten "Bärenjuden" (Eli Roth) - einem Berserker, der Nazis mit dem Baseballschläger zu Brei klumpt - und die beiden Überläufer Hugo Stiglitz (Til Schweiger) und Wilhelm Wicki (Gedeon Burkhard) ist er auf der Jagd nach Naziskalps. Und ihrem Häuptling. Diese Chance kommt, als Hitler (Martin Wuttke, der seit seinem "Arturo Ui" am Berliner Ensemble weiß, wie man eine prächtige Führer-Parodie abliefert), Goebbels (Sylvester Groth) und der Rest des bis zur Karikatur verzerrten Oberkommandos an der Kinopremiere eines Propagandastreifens teilnehmen, in dem der "Stolz der Nation" Fredrick Zoller (Daniel Brühl) nachstellt, wie er zum Wehrmachtshelden wurde. Was die Basterds nicht wissen: Das Kino gehört Emmanuelle Mimieux aka Shosanna Dreyfus und nach deren Willen soll die Vorstellung für die Mörder ihrer Familie zum Fanal werden.

    Trotz seiner Laufzeit bietet Tarantino in den wie ein klassisches Drama aufgeteilten fünf Kapiteln im Grunde nichts weiter als fünf Szenen. Und jede einzelne ist ob ihrer Dialoge und der Darsteller ein für sich stehendes Kabinettstückchen, das man spielend auch auf die Bühne bringen könnte. Sein eindringlichstes Stilmittel ist dabei aber eben nicht die exemplarische Gewaltdarstellung; auch wenn er das Skalpieren und Schnitzen von Hakenkreuzen (die übrigens vorsichtshalber aus allen Werbemitteln und Covern entfernt wurden) in Soldatengestirne ebenso wie den Tyrannenmord, als Maschinengewehrsalven Hitlers Antlitz bis zur Unkenntlichkeit zerfetzen, durchaus drastisch ins Bild nimmt. Auch die sich sonst so in den Vordergrund spielende Musik setzt er diesmal auffallend zurückhaltend ein.

    Geschichtsrevision im Kino durch das Kino

    Im Mittelpunkt steht der messerscharfe Dialog. Der war freilich auch in Tarantinos früheren Werken immer von starkem Reiz, aber mit den "Basterds" bringt er diese Kunst der Konversation zur Vollendung. Seine dialogische Detailbesessenheit gipfelt schließlich im peniblen Sezieren eines Stückchens Apfelstrudel; und sogar mit solch einer süßen Banalität baut er Spannung auf in einem Umfeld, in dem jedes falsche Wort das Leben kosten kann. In Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch parliert der Film.

    Deshalb verbietet es sich eigentlich "Inglourious Basterds" in seiner synchronisierten, alles verwischenden Einheitsversion zu schauen. Es wird auch so genügend Deutsch geredet: Gleich 45 Schauspieler aus Germany hat Tarantino engagiert, darunter August Diehl als verschlagenen Sturmbannführer und Diane Krüger als Filmdiva Bridget von Hammersmark, Ken Duken, Volker "Zack" Michalowski, Christian Berkel oder Ludger Pistor. Und Ärzte-Trommler Bela B. ist in einem Cameo-Auftritt als Platzanweiser in Shosannas Kino zu sehen.

    "Sieht so aus, als hätte ich eben mein Meisterwerk vollbracht"

    Es ist überhaupt eine sehr cinephile Welt, in der die Regisseure Georg Wilhelm Pabst und Leni Riefenstahl ebenso würdige Erwähnung finden wie das Bergfilmdrama "Die weiße Hölle vom Piz Palü", an dem sie beide beteiligt waren. Dazu kommen scheinbar beiläufig eingeworfene Referenzen ans Filmschaffen im Dritten Reich, Truffauts "Letzte Metro", die "Winnetou"-Reihe und Edgar-Wallace-Krimis. Ob Tarantino mit dem Mexican-Standoff den Italo-Western würdigt oder sich selbst, ist inzwischen allerdings nicht mehr so ganz eindeutig festzustellen.

    Auf die fixe Idee, dass 35mm-Nitrofilm die Welt von den Nationalsozialisten befreit, kann aber nur ein totaler Cineast wie Tarantino kommen! Geschichtsrevision im Kino durch das Kino und ohne Rücksicht auf die Historie - der Triumph des Mediums über das Böse. Und nachdem der letzte Nazi gebrandmarkt ist, dürfte der Regisseur hinter seiner Linse die Lippen mitbewegt haben, während er Brad Pitt die vielsagenden Worte sprechen lässt: "Sieht so aus, als hätte ich eben mein Meisterwerk vollbracht."

    www.universal-pictures.de
    www.inglourious-basterds.de
    www.bertz-fischer.de
    www.randomhouse.de/luchterhand

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