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Karlsruhe: Silbermond vor Regenwolken

Karlsruhe

Silbermond vor Regenwolken

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    Und so groß die Enttäuschung darüber war, dass es in diesem Sommer keinen "Spirit Of The Greedy Bunch" und somit keine Überraschungsgäste geben würde, so groß war hernach die Begeisterung über einen mehr als würdigen "Fest"-Abschluss. Was am Freitag auf der Hauptbühne mit der Schicksalsgemeinschaft um Moneybrother und Amparanoia vergleichsweise mäßig begann (ka-news berichtete) und sich am Samstag dank Juli und Within Temptation auf Standesmaß einpendelte (ka-news berichtete), erlebte gestern Abend seinen fulminanten Schlusspunkt. Allen Regengüssen zum Trotz hatten sie ausgeharrt; im unerschütterlichen Glauben, dass der Vierer aus dem ostsächsischen Bautzen das Naseschnäuzen und Abhusten der Folgetage wert sein würden.

    Silbermond verstehen das Geschäft: 'Cause It's Only Entertainment (Foto: ka-news)

    Und Silbermond waren es: Wohl selten hat der Hügel einen derart energiegeladenen Gig erlebt! Und so bemüht der abgedroschene Begriff um die Powerfrau auch anmuten mag - Stefanie Kloß ist mit ihren knapp 21 Jahren eine eben solche. Den Tourkalender-Eintrag "Karlsruhe" mit fetten Edding-Lettern auf dem linken Arm (oder war es am Ende gar ein genialer Coup des Stadtmarketing?), verstand sie es von Beginn an, ihr Publikum mitzureißen: 'Cause It's Only Entertainment! Drei, vier Powernummern zu Beginn, dann kam die "Silbermond-Jukebox". Ob inszeniert oder nicht - die Idee, das Publikum aus Reihe eins einen Nicht-Silbermond-Song auswählen zu lassen, um diesen sodann aus dem Stehgreif zu covern, ist schon mal ganz nett.

    Stadtmarketing-Coup oder Eselbrücke? Steffi Kloß mit Tourkalender-Auszug auf dem Arm (Foto: ka-news)

    Doch die Silbermond-Spar-Fassung von Green Days "Boulevard Of Broken Dreams" entwickelte sich zu einer erquicklichen Mitmachrunde. Ergebnis: Stimmung nahe dem Siedepunkt. Zuvor sicherte sich Stefanie Kloß bei "Mach's dir selbst" noch die Gesangsunterstützung der kleinen Laura und auch der spontan auf die Bühne gebetene "junge Mann mit dem giftgrünen Hut" durfte sich sein Steffi-Bussi - wenn auch mit vorgehaltener Hand - abholen: Eigentlich zum Mitsingen auserkoren, nutzte er die große Showbühne: "Heb die linke Hand in die Höh, heb die rechte Hand in die Höh und dann im Kreis, das ist der verrückte Tiertanz". Frechheit siegt nun mal.

    Thomas Stolle verlangt seinem Instrument alles ab (Foto: ka-news)

    Aber Silbermond überzeugten allen Entertainer-Qualitäten zum Trotz mit ihren musikalischen Fertigkeiten. Konnte man bei Juli ab und an fast den Eindruck gewinnen, dass Eva Briegel ihre Refrain-Zeilen bewusst ans Publikum abtrat, weil ihr schlicht die Puste ausging, blieben auch ihre Hintermänner im Vergleich zu Silbermond doch recht blass. Dort tummeln sich nämlich drei richtig gute Musiker. Schlagzeuger Andreas Nowak blieb es zwar größtenteils versagt, sich gesondert hervorzutun, dafür legte Johannes Stolle gleich zwei Bass-Soli an den Tag, wie man sie nicht oft präsentiert bekommt. Und Bruder Thomas scheint ohnehin beim Gitarren-Spiel mit dem Saiten-Instrument schier zu verschmelzen.

    Während Eduardo Bennato noch bei leichtem Nieselregen musizieren durfte... (Foto: ka-news)

    Seine breiten Metal-Riff-Einlagen - etwa während Stefanie Kloß das Bad in der Menge genoss, sich vom Publikum auf Händen tragen ließ - könnten sogar den im Doppelpack angetretenen Within Temptation-Einheizern Robert Westerholt und Ruud Jolie den inoffziellen Titel um die absolute "Fest"-Härte 2005 streitig machen. Doch Silbermond verstehen sich keineswegs nur auf stilsichere Abgeh-Nummern mit gefälligen Hooklines, wie "Wissen was wird" oder "Immer am Limit". Beim MTV- und Viva-geschädigten "Symphonie" etwa beweist Thomas Stolle auch sein feines Händchen für die Klaviatur, und Derwisch Stefanie fasziniert erst recht, wenn sie den Schmusekurs einschlägt. So muss sie klingen, die wahre perfekte Deutschrock-Welle!

    Vergessen werden soll allerdings ob all der Silbermond-Anbetungen nicht Eduardo Bennato. "Fest"-Organisator Rolf Fluhrer war sich auch aufgrund der guten Erfahrungen mit Künstlern wie Jovanotti oder den Local Heroes Casanostra schon im Vorfeld sicher, "dass Italo-Rock auf dem 'Fest' funktioniert." Mal Rock 'n' Roll in Reinkultur, dann wieder sehr bluesig und am Ende sogar mit jamaikanischem Reggae samt Tribut an Bob Marley veredelt - schon um kurz nach acht war klar, dass der Abend soeben seine erste kleine Überraschung erlebt hatte. Auch wenn die zuvor angekündigte WM-Hymne "Un estate italiana" am Ende leider doch nicht angestimmt wurde.

    ...wurden die Besucher vor dem Silbermond-Gig auf eine nassfeuchte Probe gestellt (Foto: ka-news)

    Gute anderthalb Stunden vor Mitternacht und die zweite Überraschung des Abends war perfekt. Silbermond wurden geradezu frenetisch ein ums andere Mal aus der Garderobe komplimentiert, mittlerweile hatte man auch den bislang unveröffentlichten Track mit dem so herrlich zum Wetter passenden "Meer sein" vorgetragen, dann setzte es den endgültigen Schluss-Akkord. Zwangsläufig, denn es wäre auch nicht mehr sonderlich viel vom 15 Songs umfassenden Debüt "Verschwende deine Zeit" übrig geblieben.

    Fast schon überbordende Begeisterung auf beiden Seiten und man konnte der völlig geflashten Stefanie Kloß ihre Hügel-Überwältigung durchaus abnehmen. Der Spirit am "Fest"-Sonntag war nach drei Jahren Greedy Bunch zugegeben wieder ein ganz anderer, doch auch ohne Überraschungsgäste erlebte Karlsruhe eine verklärte Nacht voller Überraschungen: Durchnässt, aber glücklich. Der schillernde Silbermond hatte sich längst mit Vehemenz vor die dunklen Regenwolken geschoben. Patrick Wurster

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