Der Karlsruher Gemeinderat hatte sich in der vergangenen Woche mit einer Resolution gegen den Verkauf gewandt; am vergangenen Samstag sammelte die "Landesvereinigung Baden in Europa" am Karlsruher Marktplatz Unterschriften gegen die "Kulturbarbarei" (ka-news berichtete). Doch die Auseinandersetzung hat längst Dimensionen angenommen, die weit über die Landesgrenzen hinaus gehen. Inzwischen befasst man sich sogar in der Bundeshauptstadt mit dem Fall.
Kulturstaatsminister lässt Ausfuhrverbot prüfen
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, lasse Kulturstaatsminister Bernd Neumann derzeit ein Ausfuhrverbot prüfen. Experten seines Hauses erwägen demnach, die umfangreiche Sammlung auf die Liste nicht veräußerbarer nationaler Kulturgüter setzen zu lassen. Die entsprechende Klausel im Kulturschutzgesetz, nach der auch der Bund "zur Wahrung eines gemeindeutschen Interesses" ein Ausfuhrverbot verlangen kann, habe man "durchaus im Blick", heißt es. Haken dabei: Ein entsprechender Antrag dazu müsste in solchen Fällen aber vom Land Baden-Württemberg selbst ausgehen.
Die "Frankfurter Rundschau" zitierte dazu den baden-württembergischen Staatsminister Willi Stächele (CDU), der "mehr Sachlichkeit in der Diskussion" forderte: "Baden-Württemberg weiß, wie man den Ausverkauf wertvollen Kulturguts verhindert. Die Überlegungen des Finanzministeriums brauchen noch viele Ergänzungen", sagte er. "Nicht alleine die Finanzpolitiker haben das Wort, sondern auch das zuständige Wissenschaftsministerium wird abschließende kulturhistorische Bewertungen vornehmen müssen."
"Schock und Entsetzen" in Cambridge, Yale und Harvard
Wertvoll, möglicherweise aber bald billig zu haben (Foto: ka-news) |
Indessen haben sich Wissenschaftler aus dem In- und Ausland in einem Schreiben an Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) gegen die Verkaufspläne ausgesprochen. Auch 19 Professoren und Kunsthistoriker aus aller Welt, darunter Forscher der Universitäten Cambridge, Harvard, Yale und Princeton, brachten in einem offenen Brief "Verwunderung, Schock und Entsetzen" angesichts der "noch immer fast unglaublichen Nachrichten über den skandalösen Plan, den größten Teil der Handschriftenbestände (...) aus der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe zu verkaufen" zum Ausdruck. Andere Nationen wie beispielsweise England hätten "Wege gefunden, durch Instrumente wie den National Trust ein Gleichgewicht zwischen Konservierung und privaten Besitzansprüchen herzustellen", heißt es weiter.
Die Wissenschaftler bezweifeln, dass der Weltmarkt dermaßen viele Kunstschätze binnen kurzer Zeit aufnehmen könne und befürchten daher, "dass eine große Zahl von ihnen zu Preisen verschleudert werden, die in keiner Beziehung zu ihrem echten Wert stehen". Zudem werde "mit dieser Aktion, die unter der Hand und ohne öffentliche Debatte oder Rechnungsprüfung beschlossen wurde, eine der größten Sammlungen der Welt in alle Winde verstreut. (...) Bücher, die (unter beträchtlichen Kosten seitens des Staats) konserviert, katalogisiert und ausgestellt wurden, werden nun Gott weiß wo enden. Viele werden in Privatsammlungen verschwinden und damit unzugänglich für Studenten, Wissenschaftler und die breite Öffentlichkeit (...)."
Dreißigjährigen Krieg und zwei Weltkriege überstanden - und nun?
Nachdem die Handschriften und Bücher den Dreißigjährigen Krieg, die napoleonischen Kriege, die Säkularisation und zwei Weltkriege überstanden hätten, sei es kaum zu glauben, dass sie nun "auseinander genommen und zu Opfern des Marktes werden". Besonders bitter stößt den Elite-Professoren die Motivation des Verkaufs auf: "Und wofür? Um die Würde einer aristokratischen Familie in finanziellen Schwierigkeiten zu erhalten." Die Versteigerung der Karlsruher Handschriften werde "weltweit als deutliches Signal registriert werden, dass in Deutschland die Vergangenheit zum Verkauf steht - zu Schleuderpreisen". Der Landesregierung stellen die Wissenschaftler abschließend ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: "Im Verkauf von solchen Schätzen macht die Regierung von Baden-Württemberg nicht nur das demokratische Vorgehen, sondern auch ihre Verpflichtungen gegenüber Bildung, Kultur und dem Gemeinwohl zur Farce."