Das Konzept war billig, aber vielversprechend: Zwei der hippsten Regisseure dieser Tage drehen zwei einstündige Trashfilme, die dann als Double-Feature im Stil amerikanischer B-Movie-Kinos von einst - Grindhouses genannt - zum Preis eines Einzelfilms gezeigt werden. Da nach Meinung des Produzenten Harvey Weinstein mit dem Phänomen der Doppel- und Dreifachvorführungen kruder Genre-Filme in schäbigen Seitenstraßenkinos außerhalb Amerikas kein Staat zu machen ist, tingeln wir nun zweifach an die Kasse.
Der Kinotipp von Patrick Wurster
Auch bei Rodriguez' futuristischer Zombiehatz bleibt manches Stückwerk und doch ist sein "Grindhouse" stylischer, in sich stimmiger, aber vor allem kurzweiliger und damit unterhaltsamer als "Death Proof"; Tarantinos Zweieinhalbstünder über den narbengesichtigen Stuntman Mike (Kurt Russell), der sich einen Spaß daraus macht, jungen, zugedröhnten Mädels unter Aufwand sämtlicher Charmeregister und mit Hilfe seines aufgemotzten, pferdestärkenstrotzenden Muscle-Cars genüsslich den Garaus zu machen. Bis er an drei taffe Ladys gerät, die ihm augenscheinlich über sind und ihrerseits Jagd auf ihren Jäger machen.
Mit einem Bein im Kult: Rose McGowan alias Cherry Darling mit MG-Protese (Foto: pr) |
Zwar gab's neben rohem Plot und trashigen Szenarien auch tolle Kamerafahrten zu bestaunen; etwa als Tarantino seine Damen geschlagene zehn Minuten über Nichts und andere Nichtigkeiten sinnieren lässt, um dann doch noch einzwei tiefgründige Aussagen zu verstecken und währenddessen ohne einen Cut um Tisch und Sprechende gleichzeitig kreist. Neben fleddrigen Dialogen, gut gemeinten Selbstzitaten und ein bisschen Splatter verkündet er aber selbst nur eine ziemlich lange, läppische Botschaft: Nur kucken, nicht anfassen!
Bei Rodriguez indes, der mit "From Dusk Till Dawn" und "Sin City" (ka-news berichtete) gleichfalls auf junge Klassiker verweisen kann, geht in punkto Aussage nicht unbedingt mehr, auch hier sehnt man sich nach dem inhaltlichen Schick und der Ästhetik seiner übrigen Arbeiten. Aber es geht was. Der langt immerhin richtig zu, scheut dabei kein Tabu und ebenso unfertig, wie das Ganze bei "Death Proof" geendet hat, so stimmig geht's weiter: Mit durchweg eingesetzten Retro-Verfremdungen in Form von Flimmereffekten, Farbfading und spratzelnden Bildern verratzter Kopien wird ganz schmuddelkinogetreu erst mal ein bluttriefender Trailer serviert und das Metzel-Revenge-Movie "Machete" mit den beiden Rodriguez-Lieblingen Danny Trejo in der Titelrolle und Richard "Cheech" Marin angekündigt.
Einziger Star im B-Movie-Aufgebot: Bruce Willis (Foto: pr) |
Die Kohärenz geht im Hauptfilm schon nach wenigen Minuten flöten. Auf einer US-Militär-Base stehen sich zwei Männer (Bruce Willis und "Lost"-Sahid Naveen Andrews) gegenüber, der taffe Lieutenant leimt den geschäftstüchtigen Wissenschaftler, ein Schussgemenge und Gas tritt aus, an dem sich die Soldaten fröhlich laben. Den aberwitzigen Grund erfahren wir viel später: Die auf der Jagd nach Bin Laden mit toxischem Gas kontaminierten Kämpfer brauchen eben jenes Gas, um zu überleben, weil es in geringer Dosis die eigene Wirkung neutralisiert. Eine lustlose, in diesem Fall bewusst abstruse und auch gesellschaftskritische Erklärung, wie sie billige B- und klassische Horror-Movies nun einmal haben müssen.
Nun führt Regisseur und Drehbuchautor Rodriguez nach und nach mehrere Schauplätze und jede Menge schräger Charaktere ein; da ist etwa Wray (Freddy Rodriguez), der unverhofft seinen Augenstern von einst (McGowan), die gerade ihren Job als Go-Go-Tänzerin geschmissen hat, um Stand-Up-Comedian zu werden, in der siffigen Barbecue-Bude von J.T. (Jeff Fahey) wiedertrifft, der wiederum das Rezept für die perfekte Soße sucht; und dann ist da noch das Arztehepaar Block (Marley Shelton und Josh Brolin), denen die gegenseitige Abneigung förmlich ins Gesicht geschrieben steht. Tödliche Scheidung absehbar.
Bei den Blocks kann auch eine Paartherapie nichts mehr kitten (Foto: pr) |
Während ihres Nachtdienstes tritt die Seuche auf und die Patienten mutieren einer nach dem anderen zu schleimigen, eingeweidegeilen Zombiewesen, denen die eitrigen Blasen nur so von der Haut platzen. Von nun an nimmt ein überzogen trashiges Gore-Vergnügen voll abgefahrener Einfälle einen verqueren Lauf, das seine Vorbilder, allen voran Romeros "Zombie"-Tetralogie (ka-news berichtete), bis zum Gehtnichtmehr überspitzt und gleichfalls die Fun-Splatter-Filme der End-80er und Anfang-90er zu würdigen versteht.
Heiße Kurven auf der Flucht: Cherry Darling und die ins Leben zurückzitierte Dakota Block, einst McGraw (Foto: pr) |
Man bekommt wieder Appetit auf Peter Jacksons "Bad Taste" oder "Braindead" - bei Rodriguez wird noch (oder besser wieder) richtig Blutsuppe gekocht! Köpfe fetzen in Einzelteilen über die Leinwand, mal bleibt einzig das Gebiss über, der nächste steht in der Landschaft wie ein menschlicher Springbrunnen, dem die rote Fontäne nur so aus dem verbliebenen Rumpf schießt, Zombies wühlen willenlos in Eingeweiden, Blut stäubt durch die Luft und angefahrene Körper zerbersten randvollen Wassertonnen gleich.
Nimmst du mir den Arm, dann nehm ich dir dein Leben (Foto: pr) |
Dann schlängelt Rose McGowan ihren wollüstigen Leib zum Liebesspiel und Rodriguez landet einen echten Coup. Was ihm die einen als Faulheit auslegen werden, eine ordentliche Geschichte zu erzählen, soll und darf man als passenden Geniestreich betrachten, welcher der unfertigen Schmuddelästhetik des Projekts konsequent Rechnung trägt: Im heißesten Moment schmort die Filmrolle durch. Nach einer Einblendung, in der sich die Kinobetreiber für den Ausfall entschuldigen, finden sich alle Hauptakteure völlig zusammenhanglos in J.T.s siffiger, jetzt in Flammen stehender Barbecue-Bude und umzingelt von Untoten wieder.
Quentin Tarantino zieht bei seinem Kurzauftritt nicht nur diese Wumme aus der Hose (Foto: pr) |
Da fehlen gut und gerne 20 Minuten Plot, aber es geht hier auch zu keiner Zeit um etwas, das einer logischen Handlung gleichkäme. Gleichfalls passend besetzt Rodriguez ziemlich durchgängig mit echten B-Film-Schauspielern wie Michael Biehn in der Rolle von J.T.s Bruder Sheriff Hague, besagtem Jeff Fahey oder Josh Brolin. Im Falle Marley Sheltons zwinkert er denn fröhlich Busenfreund Tarantino zu und zitiert dessen in "Death Proof" verblichene Figur Dakota McGraw zurück ins Leben; ihr Vater ist obendrein Texas Ranger Earl McGraw (Michael Parks), der aus "Kill Bill" (ka-news berichtete) nur zu gut bekannt ist.
Angenehme Hommage: Tom Savini als trotteliger Deputy Tolo (Foto: pr) |
Der Auftritt von Tom Savini als trotteligem Deputy Tolo, der arglosen Passanten und unvorsichtigen Vorgesetzen schon mal eine Kugel verpasst, ist ebenso angenehme Hommage, wie das Schlussbild oder der Name El Wray und dessen Gleichklang mit der (und auch dort hineinzitierten) mexikanischen Gangster-Enklave El Rey aus Rodriguez' mittlerweile vom Privatfernsehen zu Untode gezeigt und geschnittenen Vampirgroteske. Und Rose McGowan steht dank einer nicht nur mit sinnlosen Talenten gesegneten Cherry Darling und ihrem finalen MG-Protesen-Shoot-Dance sowieso schon mit einem Bein im Kult.
Cherry Darling ist nicht nur mit sinnlosen Talenten gesegnet (Foto: pr) |
Wenn dann gen Ende Quentin Tarantino seinen Kurzauftritt hinter sich gebracht hat und der Abspann nochmal den tollen, stampfenden "Grindhouse-Main-Title" spielt, blitzt trotz allem gelaufenen Splatter-Spaß nochmal und unverhofft ganz kurz das Grauen auf: Hat sich die Pinionier-Generation um die beiden Selfmade-Regisseure, die so prächtig durch die Filmgeschichte zitieren können und dabei doch eigen bleiben, sich nun lediglich eine in seligen Erinnerungen schwelgende Auszeit genommen? Oder mutieren die beiden zu sich nurmehr selbst und andere Regie-Größen zerfleischenden Popkultur-Zombies, denen außer Zitat vom Zitat und anderen Selbstreferenzen nichts mehr einfallen mag? Und ist nicht der Film die Wahrheit, 24 Mal in der Sekunde? Großer Gott! Schon wieder Godard... Karlsruhe zitiert in Filmpalast, Kurbel und Schauburg, dort auch im englischen O-Ton.