ka-news: Auf deiner neuen Platte "Zeit" stimmst du ungewohnt leise Töne an. Ist's etwa vorbei mit dem Liedermaching-Rebellen?
Götz Widmann: Das wechselt bei mir irgendwie ständig. Schon zu Joint Venture-Zeiten gab es eine nachdenklichere Platte und die nächste war dann wieder rockig. Ich hab da nur nicht so großen Einfluss drauf, muss nehmen, was grade aus mir rauskommt. Ich bin aber dabei, Songs für die nächste Scheibe zu schreiben - und die wird wieder rockiger.
ka-news:
Wird's denn auch wieder mehr "Lasterlieder" geben?
Widmann: Ich hab schon so viele Lieder übers Kiffen geschrieben in meinem Leben, da sind die Pfade dann irgendwann ausgetreten. Und sich wiederholen ist langweilig. Da ist es dann ganz natürlich, dass sich die Themenschwerpunkte ein bisschen ändern. Obwohl auch auf "Zeit" die Mischung stimmt. Jedenfalls hab ich's konzipiert wie eine LP, allerdings mit drei Seiten: Die erste zum Lachen, die zweite gut gemischt, und die dritte zum Schmusen und zum Einschlafen.
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Aber trotzdem, so geballt balladesk und nachdenklich hat man dich bislang selten gehört. Kann man sagen, du verlangst diesmal mehr als früher von deinem Zuhörer, sich Zeit für dein Album zu nehmen?
Widmann: Auf jeden Fall! Das war mir aber bewusst. Als die neue Platte rauskam, gab's zwei oder drei Wochen lang überhaupt keine Einträge in meinem Gästebuch, da bin ich schon ganz nervös geworden. Aber die Leute haben sich die Platte eben erst ein paar Mal angehört, bevor sie ihre Meinung abgegeben haben. Man muss es so sehen: Ich habe heute einfach eine größere Öffentlichkeit als früher, es kommen mehr Leute zu den Konzerten. Daher kann ich auch davon ausgehen, dass mir überhaupt jemand zuhört. Da traut man sich dann ein bisschen mehr und kann dem Zuhörer etwas mehr abverlangen. Aber am Ende hat der ja auch was davon.
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Du bist seit "Zeit" unabhängig, veröffentlichst auf dem Indie Ahuga. Was versprichst du dir von einem in Eigenregie geführten Label?
Widmann: Ahuga haben wir seinerzeit mit Joint Venture gegründet, um die ersten beiden Scheiben vertreiben zu können, die unsere damalige Plattenfirma nicht haben wollte. Ich habe jetzt aber nicht vor zum Label-Manager zu mutieren und mir ein zweites Standbein aufbauen. Dafür ist das Geschäft gerade im Augenblick viel zu undankbar. Es macht hin und wieder schon Spass, etwas bewegen zu können. Aber auf die Dauer ist mir das einfach viel zu viel Arbeit. Mich interessiert naturgemäß immer noch am meisten was ich als Künstler mache. Und damit bin ich voll und ganz ausgelastet. Aber Ahuga ist ein gemeinsames Forum für Liedermacher, die ich kenne und mit denen ich gerne zusammenarbeite. Die können dann die Kontakte des Labels nutzen. Und für meine Person bin ich eigentlich ganz glücklich mit diesem Indie-Gedanken. Den großen Plattenfirmen geht's zur Zeit ziemlich mies und wenn mal ein Künstler gut läuft, muss der die ganzen Flops, die da reihenweise produziert werden, mittragen. Fette Promotion - die kriegen nur die richtig Großen und daher ist es als Undergroundkünstler gar nicht so schlecht, wenn man sich selber vertritt.
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Eine dieser Künstler, die derzeit von Ahuga profitieren, ist Janina. Du hälst offensichtlich viel von ihr, hast sie zweimal mit auf Tour genommen und das Debütalbum (ka-news berichtete) spendiert. Was darf man denn von Janina noch erwarten?
Widmann: Das hängt ein bisschen davon ab, wie sie aus den Startlöchern kommt. Vom Talent her kann man ihr alles zutrauen. Die kann richtig groß werden! Aber mein Engagement hat seine Grenzen. Ich kann ihr in der derzeitigen Situation ein wenig helfen, was Know-How und Finanzierung anbelangt, aber einen anderen Künstler mitaufbauen - das geht nicht. In den drei Monaten, in denen sie mit mir auf Tour war, hat sie die Produktionskosten für die CD wieder eingespielt und hat obendrein noch 500 Stück übrig. Das war so ein bisschen meine Absicht. Es ist was anderes ob ein Künstler nur gut singt oder ob er eine CD als Visitenkarte zur Verfügung hat. Und die hat sie jetzt. Mal sehen, was sie draus macht.