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Karlsruhe: Julius Hirsch: Ein Fußballspieler, der Geschichte schrieb – im Stadion und außerhalb

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Julius Hirsch: Ein Fußballspieler, der Geschichte schrieb – im Stadion und außerhalb

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    Julius Hirsch spielte einst für die deutsche Nationalmannschaft und galt als einer der besten Stürmer seiner Zeit. Der Fußballer im Porträt.
    Julius Hirsch spielte einst für die deutsche Nationalmannschaft und galt als einer der besten Stürmer seiner Zeit. Der Fußballer im Porträt. Foto: Hendrik Schmidt, picture alliance/dpa (Archivbild)

    Der Fußballspieler Julius Hirsch, auch bekannt unter seinem Spitznamen "Juller", wurde zweimal Deutscher Meister - darunter einmal mit dem Karlsruher FV - und absolvierte zwischen den Jahren 1911 und 1913 insgesamt sieben Einsätze für die deutsche Nationalmannschaft. Der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie galt als einer der besten Stürmer seiner Zeit, der zusammen mit seinen Mitspielern Fritz Förderer und Gottfried Fuchs ein damals landesweit bekanntes Innensturmtrio bildete.

    1912 nahm er an den Olympischen Spielen in Stockholm teil, außerdem diente er als Soldat im Ersten Weltkrieg. Nach seiner aktiven Karriere als Fußballer blieb er dem KFV als Jugendtrainer erhalten. Im April 1933 erfuhr Julius Hirsch, dass die süddeutschen Spitzenvereine beschlossen hatten, jüdische Mitglieder auszuschließen - dazu gehörte auch der KFV. Daraufhin verkündete er in einer emotionalen Nachricht seinen Austritt.

    Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers begann für den einstigen Nationalspieler die dunkelste Zeit seines Lebens. Im Jahr 1943 wurde Julius Hirsch in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und wurde später für tot erklärt. Der nach ihm benannte Julius-Hirsch-Preis ehrt heutzutage Menschen und Organisationen, die ihre gesellschaftliche Position nutzen, um sich für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit einzusetzen.

    Wer war die Person hinter dem Fußballspieler Julius Hirsch? Wie sah sein Leben mit und neben dem Sport aus? Was ist über seinen Verbleib bekannt? Die Antworten auf diese Fragen und alle weiteren Informationen gibt es hier im Porträt.

    Nationalspieler Julius Hirsch im Porträt: Familie, sportliche Karriere und Leben

    Julius Hirsch wurde am 7. April 1892 in Achern, Baden-Württemberg, geboren. Er entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie, wuchs mit sechs Geschwistern auf und war der jüngste von insgesamt vier Söhnen. 1898 begann für ihn seine Schulzeit in Karlsruhe, die er mit der Mittleren Reife abschloss. Anschließend besuchte er eine Handelsschule und schloss 1908 eine zweijährige Lehre als Kaufmann bei einer Karlsruher Lederhandlung ab.

    Nachdem er bereits mit zehn Jahren dem Karlsruher FV beigetreten war, wurde er als 18-Jähriger Mitglied der ersten Mannschaft und gewann 1910 mit dem Verein die Deutsche Meisterschaft. Zu dieser Zeit ging er nebenbei noch seinem kaufmännischen Beruf nach. Seine große Leidenschaft war jedoch der Fußball. Julius Hirsch bekleidete die Stürmerposition linksaußen, seine Markenzeichen waren die gebückte Angriffsweise und der harte Schuss.

    1911 wurde "Juller" erstmals in die deutsche Nationalmannschaft berufen - damals war er blutjunge 19 Jahre alt. Nur ein Jahr später nahm er mit der deutschen Auswahl an den Olympischen Spielen in Stockholm teil. Insgesamt lief er siebenmal für die Nationalmannschaft auf, erzielte dabei vier Tore. 1910, 1911 und 1912 gewann er zudem dreimal in Folge die süddeutsche Meisterschaft mit dem KFV. Nachdem er seinen Militärdienst absolviert hatte, wechselte er 1914 zur SpVgg Fürth, mit der er im selben Jahr zum zweiten Mal die Deutsche Meisterschaft holte.

    Im Ersten Weltkrieg diente Julius Hirsch als Soldat. 1916 erhielt er das Eiserne Kreuz 2. Klasse sowie die Bayerische Dienstauszeichnung. Anders als sein Bruder Leopold, der 1916 gefallen war, überlebte er den Krieg. Im Jahr 1919 kehrte er nach Karlsruhe zurück. Dort spielte er weiter Fußball und arbeitete außerdem in der Firma seines Vaters. Vier Jahre später hatte er zwar seine aktive Profikarriere beendet, beim KFV aber den Posten als Jugendtrainer inne.

    Am 10. April 1933 erfuhr er aus der Zeitung vom Entschluss der süddeutschen Spitzenvereine, jüdische Mitglieder fortan auszuschließen. Noch am selben Tag teilte er den Verantwortlichen des KFV schriftlich seinen Austritt mit. Unter anderem hieß es in seiner Nachricht: "Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch Herzblut vergossene deutsche Juden gibt."

    Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Julius Hirsch aufgrund seiner jüdischen Abstammung verfolgt und 1943 schließlich in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Seine letzte Postkarte verschickte er am 2. März 1943 aus Dortmund - einer Zwischenstation auf dem Weg nach Auschwitz. "Bin gut gelandet, es geht gut! Komme nach Oberschlesien, noch in Deutschland. Herzliche Grüße und Küsse, Euer Juller" - so lauteten die letzten Zeilen des ehemaligen Fußballers anlässlich des 16. Geburtstags seiner Tochter. Sein genaues Todesdatum ist unbekannt, 1950 wurde er rückwirkend zum 8. Mai 1945 für tot erklärt.

    Namensgeber für einen Preis, eine Sportanlage und eine Straße: Julius Hirsch bleibt unvergessen

    Bis heute steht das Leben von Julius Hirsch beispielhaft für die Ausgrenzung zahlreicher jüdischer Sportler aus der deutschen Gesellschaft. Der siebenmalige deutsche Nationalspieler, zweifache Deutsche Meister und Olympia-Teilnehmer bleibt unvergessen - im Jahr 2005 etwa rief der DFB (Deutscher Fußball-Bund) den Julius-Hirsch-Preis ins Leben. Diese Auszeichnung wird an Einzelpersonen und Organisationen verliehen, die sich im besonderen Maße für Toleranz und Menschenwürde sowie gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einsetzen. Ehrenpreisträger sind unter anderem Thomas Hitzlsperger (2011), Die Toten Hosen (2019) und Christian Streich (2023).

    Ein Jahr später wurden die "Sportplätze am Eichkamp" in der Landeshauptstadt Berlin, auf denen auch der jüdische Fußballverein TuS Makkabi Berlin seine Heimspiele austrägt, zu Ehren von Hirsch in "Julius-Hirsch-Sportplätze in Eichkamp" umbenannt. Am 16. Juni 2013 beschloss zudem der Gemeinderat von Karlsruhe die Umbenennung eines Teilstücks des "Karlsruher Weges" in "Julius-Hirsch-Straße".

    Der Fürther Stadtrat kam am 26. Februar 2014 einstimmig zu dem Entschluss, eine neue Sportanlage mit Dreifachturnhalle nach dem Fußballer zu benennen, was sein Enkelsohn mit Verweis auf die 100 Jahre zuvor von der SpVgg Fürth mit Hirsch als Kapitän gewonnene deutsche Meisterschaft besonders begrüßte. Eingeweiht wurde das "Julius-Hirsch-Sportzentrum" im Jahr 2017.

    Auch die Anhänger des Karlsruher SC erinnern regelmäßig an Julius Hirsch. Jedes Jahr am 1. März findet sich ein Großteil von ihnen an der eigens für "Juller" eingerichteten Erinnerungsstelle am Karlsruher Hauptbahnhof ein, um ihm und weiteren Opfern des Nazi-Regimes zu gedenken. Während der Corona-Pandemie war dies vor Ort nicht möglich, 2023 fand das Gedenken aber wieder statt. Auch am 1. März 2024 soll in Karlsruhe an Julius Hirsch und die anderen Opfer des Nationalsozialismus erinnert werden. 

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