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Widerstand in Karlsruhe

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    Regelmäßig entlassen

    Im elterlichen Haus Otto Hafners in Karlsruhe befindet sich die Damenschneiderei Traub-Goldstein, ein jüdischer Betrieb mit 50 Angestellten. Mit den Besitzerinnen verkehren Hafners persönlich. Otto Hafner nennt die Damen „Tanten“. Schon von diesen Kontakten her hat die Familie Hafner in Karlsruhe zahlreiche jüdische Bekannte.Otto Hafner ist Angehöriger des antinazistischen Reichsbanners. Wegen seiner Haltung wird der Ingenieur für Elektro- und Gastechnik mehrfach mit derm Hinweis entlassen, das sei so angeordnet worden. 1934 wandert er deshalb nach Frankreich aus und findet dort Anstellungen. Unter anderem wird er Leiter einer Gasgerätefabrikation. Er holt bald seine schwangere Frau und sein einjähriges Kind nach. Er beginnt nun auch seine neue Lage dazu zu nutzen, vielen seiner jüdischen Bekannten zur Flucht zu verhelfen.

    Patient bedürftig

    Bei einer legalen Ausreise dürfen Juden, solange diese überhaupt noch möglich ist, keine Werte wie Bargeld, Gold oder Schmuck mitnehmen. Das wird aber in vielen Fällen benötigt, um von einem Immigrationsland aufgenommen zu werden. Hafner bringt diese Menschen, aber auch Menschen ohne Besitz, illegal über die Grenze. „Patient bedürftig“ lautet z.B. das Telegramm des Vaters von Hafner, das der verschlüsselte Hinweis auf die nächste Aktion war. Hafner kehrt dann für einige Tage nach Karlsruhe zurück. In der Nacht fährt er mit zwei oder drei Flüchtlingen nach Lauterburg, das er zwischen ein und zwei Uhr erreicht. Hafner nutzt hierbei vorzugsweise Schlechtwetterperioden. Die Grenzstation ist nur schwach beleuchtet und die Beamten versehen ihren Dienst eher lustlos. Hafner mus nur die bereitgehaltenen Pässe am Fenster der Fahrerseite vorzeigen, dann kann er passieren. Dabei handelt es sich zum Teil um Pässe seiner Familie, was ein erhebliches Risiko für alle Beteiligten bedeutet. Seine alte Wohnung in Karlsruhe besteht weiterhin. Zeitweise finden jüdische Flüchtlinge vor ihrer Ausreise dort Unterschlupf. Auch in seiner Wohnung im französischen Monthermé beherbergen die Hafners manchmal die Flüchlinge vorübergehend. Bis 1938 kann Hafner 25 bis 30 Personen über die Grenze bringen. Danach sind diese Aktionen kaum noch möglich, weil nach der Sudetenkrise die Grenzkontrollen verstärkt werden.

    Nachteilige Verbindungen

    Nach der Besetzung Frankreichs 1941 findet die Gestapo Unterlagen über seine Verbindungen zu französischen Organisatonen, welche jüdische Flüchtlinge unterstützen. Hafner wird 1941 verhaftet. Seine Fluchthilfe wird jedoch nicht bekannt. Er wird zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Danach wird er jedoch nicht freigelassen sondern wird weiter in Magdeburg in Haft gehalten. Die Ernährung ist so mangelhaft, dass er sich am Treppengländer hochziehen muss, um eine Treppe zu ersteigen.

    Als Sträfling Zeitungen austragen

    Durch Reparaturarbeiten macht sich Hafner im Polizeipräsidium unentbehrlich. Er erwirbt das Vertrauen von leitenden Stellen. Einmal erhält er die Vergünstigung, in Magdeburg vertretungsweise Zeitungen auszutragen, eine Gelegenheit, bei der er sich frei bewegen kann. Eine Flucht wäre somit ohne weiteres möglich. Er fährt sofort zum Bahnhof. Dort angekommen gerät er in einen schweren Gewissenskonflikt.Soll er gehen oder bleiben? Er sagt sich, „das kannst du nicht machen, die Leute haben dir vertraut, die verlieren Kopf und Kragen.“ So erledigt er seine Aufgabe und kehrt in die Haft zurück. Als Hafner von der Gestapo verlegt werden soll, stehen alle Wachleute Spalier und reichen ihm die Hand, zum größten Ärger der anwesenden Gestapobeamten. Er wird in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht und muss dort in einem Rüstungsbetrieb Zwangsarbeit leisten. Im Oktober 1944 wird ihm eröffnet, er müsse nun nach Auschwitz kommen, um sich vom Wohlergehen seiner jüdischen Freunde zu überzeugen. Hafner wird zunächst nach Buchenwald gebracht. Seine Frau erhält eine Besuchserlaubnis, trifft ihn aber dort schon nicht mehr an. Hafner wird mit nicht viel mehr als der Hälfte seines ursprünglichen Gewichtes in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht.

    Hafner schlägt sich alleine durch

    Schließlich ist für ihn die „Rehabilitation“ in der SS-Division Dirlewanger vorgesehen. Es handelt sich hierbei um eine für die Front bestimmte SS-Division aus Kriminellen und teilweise politischen Häftlingen, die für die bereits in den Tod geschickten freiwilligen SS-Verbände nachrücken muss. Man erklärt Hafner, dass das Angebot zwei Möglichkeiten bietet: entweder Hafner wird durch den Tod rehabilitiert, oder er wird im Fall der Kampfunfähigkeit in ein Konzentrationslager zurückgebracht. Zum Zeichen seines neuen Status wird Hafner sogleich in SS-Rock fotografiert und mit Sie angeredet. Im April 1945 löst sich die Truppe auf. Hafner schlägt sich allein durch und wird von sowjetischen Truppen aufgegriffen. Im September 1945 wird er aus einem russischen Kriegsgefangenenlager in Posen entlassen und kann endlich nach Karlsruhe zurückkehren. Nachdem er sich von einer Lungenentzündung erholt hat, die ihn für ein halbes Jahr auf das Krankenlager wirft, kann er seine Erfahrungen und seine Tatkraft in der neu zu gründenden Demokratie einsetzen.

    Verdienstorden der franzöischen Republik

    Er wird Mitbegründer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). In der Gründungszeit der FDP leistet er Aufbauarbeit. Von 1945/46 ab wird Hafner mit dem Aufbau und der Leitung des Landesamtes für Wiedergutmachung in Nordbaden beauftragt. Jüdische Überlebende, die an Leib und Seele schwer geschädigt sind und völlig mittellos sind, sollen unterstützt werden, aber auch Opfer politischer und religiöser Verfolgung. Hafner glaubt zunächst, diese Arbeit sei innerhalb von zwei Jahren getan. Tatsächlich arbeitet er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1969 in diesem Amt. Wegen seines mutigen Einsatzes für das Menschenleben unschuldig Verfolgter verleiht der Staat Israel Otto Haffner wie auch seiner Frau 1981 die Auszeichnung „Gerechter der Völker“. Weil Hafner als Vorarbeiter im Konzentrationslager nach der Aussage von Häftlingen auch französische Gefangene vor dem Tod rettete, verleiht ihm Präsident Mitterrand im Januar 1986 den Verdienstorden der französischen Republik. Zehn Monate später stirbt Otto Hafner 82jährig. (ruw)

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