Wie haben Sie vom Ende des Flugbetriebs bei Air Berlin erfahren?
Da die Air Berlin eine Aktiengesellschaft und damit an der Börse ist, habe ich das Ende vom Flugbetrieb durch die Nachrichten erfahren. Wir Mitarbeiter wissen nichts, bevor es nicht auch die Öffentlichkeit erfährt. Persönlich finde ich es erschreckend, aber das ist bei einer AG Vorschrift.
Wir wussten auch über die Bekanntgabe des Eigeninsolvenzverfahrens am 15. August 2017 nicht vorher Bescheid. Geahnt haben wir allerdings schon lange, dass es nicht mehr lange gut gehen wird. Nach dem Wechsel zum jetzigen CEO Thomas Winkelmann hatte man das Gefühl, es wird alles kontrolliert an die Wand gefahren.
Was sagen Sie als Konzernangehörige zu den Übernahmegesprächen?
Schon im letzten Herbst hat Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr Interesse an der Air Berlin angemeldet. Nachdem sich die Lufthansa Anfang 2016 dafür eingesetzt hat, dass die Codeshare-Flüge (Anmerk. der Red.: ein Verfahren, bei dem sich zwei Fluggesellschaften einen Linienflug teilen) mit Air Berlin und Etihad nicht mehr fortgeführt werden -Lufthansa sah hier ein Wettbewerbsnachteil für sich- ging es mit Air Berlin bergab. Seltsamerweise arbeitet Lufthansa heute mit Etihad zusammen.
Anfang 2017 löste Herr Winkelmann unseren CEO Stephan Pichler ab. Herr Winkelmann war Manager bei Lufthansa und auch Chef von Germanwings. Seltsam fanden wir dies schon, dass ein Ex-Lufthansa-Chef nun CEO der größten Konkurrenz-Airline ist. Im Mai flog dann Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit Lufthansa-Chef Carsten Spor zu Etihad Airways nach Abu Dhabi für Gespräche. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten berichteten damals, dass es auch schon um die Verhandlung zur Übernahme von Air Berlin ging. Somit wussten wir, dass etwas geplant war.
Was sagen Sie zur Übernahme mit der Lufthansa?
Carsten Spohr unterschreibt einen Vertrag zur Übernahme von Flugrechten und Maschinen der Air Berlin. Natürlich hofften wir, dass die Lufthansa nicht nur Interesse an unseren Maschinen und an den Flugrechten, sogenannte Slots, hat, sondern dass auch die Mitarbeiter übernommen werden. Dies ist leider nicht der Fall.
Lufthansa stellt sich in der Öffentlichkeit als großer Retter der Air Berlin-Belegschaft hin. Es sollen 3.000 Stellen für Air Berliner geschaffen werden, die sich in Wahrheit allerdings neu auf diese Stellen bewerben müssen. Somit wird Personal ausgesiebt und ein Betriebsübergang laut Paragraph 613a BGB umgangen. Heute (Freitag, 13. Oktober) findet in Berlin eine Jobmesse von Eurowings statt, wo man Fragen stellen und sich bewerben kann. Mit keinem Ton erwähnte der Lufthansa-Chef, dass die 3.000 Stellen bei Eurowings Europe bei deren Hauptsitz in Österreich angesiedelt werden sollen, zu österreichischem Arbeitsrecht! Somit verschwinden die Arbeitsplätze nach Österreich. Tarifflucht nennt man das.
Die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings wollten einen Betriebsübergang um jeden Preis vermeiden, um so die Tarifverträge nicht übernehmen zu müssen. Die Mitarbeiter von Air Berlin fliegen zwar schon im Wetlease-Verfahren (Anmerk. der Redaktion: Leasing von Flugzeug samt Crew und Wartung) für Eurowings, sollen sich dann aber neu bewerben zu neuen Konditionen. Ohne Tarifvertrag, ohne Recht auf Teilzeit und bis zu 50 Prozent weniger Gehalt! Und muss auch noch im 30-minütigen Turnaround zwischen den Flügen die Kabine sauber machen, Gurte legen, und so weiter - was eigentlich Aufgabe des Cleaningpersonals wäre - wird hier eingespart.
Wie ist die Stimmung unter den Kollegen und Passagieren an Bord der Maschinen? Gibt es Proteste?
Die Stimmung bei uns im Cockpit und in der Kabine ist sehr gedrückt. Alle sind sehr traurig über die Situation. Mein letzter Flug war so emotional, dass alle Flugbegleiter nach der Landung Tränen in den Augen hatten und die Gäste uns das Beste wünschten.
Es gab keine Proteste. Die Meldung über einen wilden Streik der Piloten im September war nur durch die Presse hochgepuscht. Es waren gerade mal fünf Prozent mehr Kollegen im Krankenstand als sonst im September der Vorjahre. September ist immer ein Monat mit hoher Belastung. Da die Sommerflugmonate sehr voll geplant sind, merkt man im September die Erschöpfung. Und da unsere Personaldecke auf das Minimum reduziert wurde, ist es kein Wunder, dass es Flugausfälle mangels Personal gibt.
Aufgrund der Situation, mit der jetzt jeder klar kommen muss, ist es auch nicht verwerflich, dass sich das Kabinen- und/oder Cockpit-Personal krank meldet. Es herrschen Existenzängste gefolgt von schlaflosen Nächten. Ich denke kein Passagier wünscht sich einen übermüdeten Kapitän.
Mitte September gab es eine Aktion von Kabinen und Cockpitkollegen am Flughafen Düsseldorf. Sie demonstrierten ihre Arbeitsfähigkeit. Flüge fielen auf Grund von Personalmangel aus, obwohl das Personal vorhanden war. Crews auf stand by wurden nicht aktiviert und saßen zu Hause. Wir vermuteten ein geplantes Grounding der Airline. Wäre das passiert, wäre der Flugbetrieb sofort zum Erliegen gekommen. Viele Passagiere waren regelrecht Fans von Air Berlin. Dass sie jetzt Probleme mit gebuchten und nicht durchgeführten Flügen haben, tut mir leid.
Welche Ursache sehen Sie in der Insolvenz von Air Berlin?
Die Ursache der Insolvenz kann ich leider nicht erläutern. Dieses Thema ist so komplex. Allerdings trägt dazu ganz klar das Konkurrenzverhalten der Airlines in Europa bei- und die Passagiere selbst. Jeder Passagier möchte so günstig wie möglich mit soviel Leistung wie möglich fliegen. Das ging nicht gut.
Air Berlin war bis letztes Jahr noch eine der wenigen Airlines, bei dem es einen vollen Service ohne Zuzahlung gab. Wenn es dann Tickets für 29,99 Euro gibt, muss man sich einfach mal vor Augen halten, dass damit nicht mal das Kerosin bezahlt werden kann.
Wie geht es für Sie und Ihre Kollegen weiter?
Ich habe keine Ahnung wie es weitergeht für mich. Viele Kollegen, auch ältere Kollegen, die nicht mehr lange bis zur Rente haben, haben berechtigte Existenzängste.
ka-news-Hintergrund:
Große Teile der insolventen Fluggesellschaft AirBerlin gehen an die Lufthansa. Beide Unternehmen haben am Donnerstag in Berlin einen entsprechenden Kaufvertrag unterzeichnet. Das Geschäft steht aber noch unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Überprüfung. Nicht zu einem Abschluss führten hingegen bislang Verhandlungen mit der britischen Gesellschaft Easyjet, die ebenfalls bis zu 30 Maschinen samt Verkehrsrechten und Besatzungen übernehmen sollte. Die Verhandlungen würden fortgesetzt, sagte ein Sprecher der Air Berlin.
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