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Neues zu Flowtex?

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Neues zu Flowtex?

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    Banken hatten solche Maschinen, die es tatsächlich nicht gab, aber zum Stückpreis von umgerechnet bis zu 800.000 Euro finanziert.

    Zweimal waren sie vor Gericht gescheitert: Geschädigte Flowtex-Banken, die nach dem im Jahr 2000 aufgedeckten Milliardenbetrug der einstigen Ettlinger Vorzeigefirma beweisen wollten, dass staatliche Betriebsprüfer den Skandal schon Jahre zuvor entdeckt, aber nicht aufgedeckt hätten. Das hatte einen Finanzbeamten wegen Betrugsverdachts vor ein Strafgericht gebracht, von dem er freigesprochen worden war. Und auch Zivilrichter hatten das Land Baden-Württemberg wegen der umstrittenen Rolle von Finanzbehörden nicht zu einer Entschädigung verurteilt. Besagte Banken wollten 1,1 Milliarden Euro Schadenersatz einklagen und waren gescheitert. Dass der Fiskus frühzeitig vom 2,2 Milliarden Euro schweren Flowtex-Schneeballsystem mit nicht existenten Horizontalbohrmaschinen gewusst habe, sei "sehr unwahrscheinlich", erklärte vergangenes Jahr das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in letzter Instanz und wollte eine Revision gegen sein Urteil ausdrücklich nicht zulassen.

    Wieder kam Schmider als Zeuge - und plötzlich packte er aus

    Februar 2000: der größte Wirtschaftsbetrug der Nachkriegsgeschicht war aufgeflogen (Foto: ka-news)

    Achteinhalb Jahre nach dem Skandal ist der Fall zwar strafrechtlich abgeschlossen. Ex-Flowtex-Chef Manfred Schmider und seine Helfershelfer waren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie alle haben mindestens zwei Drittel davon hinter Gittern verbüßt und sind heute wieder auf freiem Fuß. Aber um große Millionen- und Milliardenbeträge wird vor Zivilgerichten immer noch gestritten. Bei solchen Prozessen war auch immer wieder Schmider als Zeuge geladen. Weil auch gegen ihn bis vor kurzem noch kleinere Strafverfahren anhängig waren, hatte er stets unter Berufung auf sein Aussageverweigerungsrecht geschwiegen - bis vor wenigen Tagen. Vor dem OLG Karlsruhe ging es um eingefrorene Gelder eines früheren Flowtex-Geschäftspartners. Wieder kam Schmider als Zeuge - und plötzlich packte er aus.

    Neu ist diese Schmider-Behauptung nicht. Er hatte sie schon kurz nach seiner Verhaftung im Februar 2000 geäußert - aber nie mehr wiederholt. Auch nicht im milliardenschweren Amtshaftungsprozess gegen das Land Baden-Württemberg.

    Vertagung wurde dereinst abgelehnt - eines Beweismittel beraubt?

    Die Kläger um die Rechtsanwaltskanzlei Schultze & Braun aus Achern hatten seinerzeit eine Vertagung beantragt, bis Schmider eben kein Aussageverweigerungsrecht mehr habe. Diese Vertagung war abgelehnt worden und genau an diesem rechtlichen Hebel will Anwalt Eberhard Braun jetzt wieder ansetzen. Nicht was der frühere Flowtex-Chef jetzt aktuell gesagt hat, ist zunächst wichtig, sondern dass er sich geäußert hat. Denn hätte es diese Aussage schon im Milliardenprozess gegen das Land gegeben, wäre das Urteil womöglich anders ausgefallen damals, als eine Vertagung abgelehnt worden war, sagt Braun heute, "wurden wir rechtswidrig dieses Beweismittels beraubt". Genau damit will er jetzt seine längst beim Bundesgerichtshof (BGH) anhängige Nichtzulassungsbeschwerde gegen die verweigerte Revision weiter erhärten.

    In dieser Phase geht es beim BGH nur um Rechtsfragen, nicht aber um den Inhalt dieser neuen Schmider-Aussage. Braun erklärt, seine Kläger seien vom OLG Karlsruhe "unfair behandelt" worden, denn ihre Überzeugung, der Fiskus habe das Betrugssystem schon früh entdeckt, wäre nicht nur durch Dokumente, sondern durch das neue Schmider-Bekenntnis "beweisbar" geworden. Sollte der für Amtshaftungsfragen zuständige dritte Zivilsenat des BGH dieser Argumentation folgen, könnte es in noch ferner Zukunft zu einer Neuauflage des Milliardenprozesses kommen.

    [Meinrad Heck ist Karlsruhe-Korrespondent der "Stuttgarter Zeitung". Der Beitrag erschien dort am Samstag, 26. Juli. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.]

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