Aktualisierung, 29. November: Gespräche mit der Stadt laufen noch
"Karlsruhe ist der älteste Michelin-Standort in Deutschland mit einer mehr als 90-jährigen Historie. Seit Jahrzehnten ist das Unternehmen Michelin am Standort Karlsruhe ein Pionier für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und ein verlässlicher Partner bei der Umsetzung kommunaler Projekte.
Eine Schließung des Werks und ein Rückzug Michelins aus Karlsruhe wäre ein großer Verlust für den Wirtschaftsstandort und die Stadtgesellschaft", erklärt Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup in einer Stellungnahme auf Instagram. Zur besseren Ausnutzung und höheren Rentabilität des Michelin-Geländes in Karlsruhe durch ergänzende Ansiedlung habe Mentrup ausdrücklich Unterstützung angeboten.

Die Stadtspitze habe bereits seit einigen Tagen in Gesprächen mit dem Unternehmen Michelin und dem Betriebsrat gestanden und sei daher von der harten Ankündigung überrascht worden, so Mentrup weiter. Zudem sollen weiterhin weiterhin Gespräche stattfinden, um mögliche Lösungen für eine Weiterentwicklung des Standortes auszuloten.
"Noch hat die Unternehmensleitung in Paris nicht erklären können, warum die Schließung unausweichlich ist und welche alternativen Lösungen für den Erhalt des Standortes geprüft wurden", stellt Mentrup klar. Für den Karlsruher Oberbürgemeister scheint damit das letzte Wort über die Entscheidung noch nicht gefallen zu sein. Seitens der Stadt strebe man in den kommenden Wochen und Monaten einen intensiven Kontakt mit der Werks- und Standortleitung von Michelin, dem Betriebsrat, der Gewerkschaft und dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg an.
Aktualisierung 28. November: Werk schließt
1.410 Mitarbeitenden an den Produktionsstandorten Karlsruhe und Trier sowie der Lkw-Neureifen- und Halbfabrikatanfertigung in Homburg wurden heute darüber informiert, dass die betroffenen Standorte sukzessiv bis Ende 2025 schließen werden. Das erklärte Michelin am Dienstag, 28. November, in einer Mitteilung an Presse.

Neben den Produktionsstätten werde außerdem das Kundenkontaktzentrum für Deutschland, Österreich und die Schweiz bis Ende 2025 von Karlsruhe nach Polen verlagert, so der Konzern. 479 Arbeitsplätze in der Produktion sowie 122 Arbeitsplätze im Kundenkontaktzentrum sind von dieser Entscheidung betroffen.
"Diese unumgängliche Entscheidung ist uns sehr schwergefallen. Das Engagement unserer Mitarbeitenden, die innerbetrieblichen Fortschritte und die Investitionen der vergangenen Jahre in die betroffenen Aktivitäten können den starken Wettbewerbsdruck nicht länger ausgleichen", sagt Maria Röttger, Präsidentin der Region Nordeuropa von Michelin.
Werkleitung Karlsruhe zur Schließung
"In den letzten Jahren hat sich der Lkw-Reifenmarkt stark verändert", erklärt Christian Metzger, Leiter des Produktionsstandorts Karlsruhe. Aktuell sei eine klare Verschiebung von Premiumreifen, hin zu importieren Budget-Reifen aus Niedriglohnländern zu erkennen.

"Erschwerend kommt hinzu, dass die aktuellen Krisen und die hohe Inflation massive Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts haben. Diese Faktoren sorgen dafür, dass unser Produktionsstandort in Karlsruhe nicht länger ausreichend wettbewerbsfähig und ausgelastet ist", so Metzger. All das habe zu der "unausweichlichen Entscheidung" geführt, die Produktion am Standort Karlsruhe schrittweise einzustellen.
Eine Zukunft für die Mitarbeiter
Es habe Priorität, die Mitarbeitenden so gut wie möglich zu unterstützen und in eine neue Zukunft zu begleiten, so Röttger. "In einem verantwortungsvollen Austausch mit den Sozialpartnern wird Michelin nun mit den betroffenen Mitarbeitenden deren weiteren beruflichen Weg besprechen und ein umfassendes Maßnahmenpaket anbieten", heißt es in der Mitteilung des Reifenherstellers.

Gemeinsam mit Partnern werde die Umgestaltung der Standorte geprüft, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu unterstützen. "Michelin fühlt sich den Gemeinden und Regionen rund um seine Standorte verbunden und wird eng mit den Sozialpartnern, der öffentlichen Hand und Unternehmen zusammenarbeiten, um gemeinsam die besten Optionen für die Zukunft der betroffenen Standorte zu prüfen", so die Erklärung des Konzerns.
Michelin bleibt in Deutschland präsent
Ziel sei es, gemeinsam Projekte zu lancieren, die die Entwicklungsprioritäten der Regionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen, so Michelin. "Die Entwicklung am ehemaligen Produktionsstandort in Hallstadt bei Bamberg zeigt, wie eine Schließung verantwortungsvoll gemeinsam mit Kooperationspartnern gelingen kann."

Der Reifenhersteller wird weiterhin in Deutschland präsent sein und seine anderen Produktionsstandorte modernisieren, so die Mitteilung an die Presse. "Deutschland bleibt als Heimat der technologieführenden Automobilindustrie ein wichtiger Standort für die Michelin Gruppe."
Abgeordneter Parsa Marvi (SPD) gibt nicht auf
"Es schmerzt sehr, dass Michelin für sein traditionsreiches Karlsruher Werk derzeit offenbar keine Zukunft mehr sieht. Zudem hatte ich mit einem solch drastischen Schritt nicht gerechnet, nachdem ich bei einem Besuch im vergangenen Jahr den Eindruck gewonnen hatte, dass der Standort gut aufgestellt ist und man zuversichtlich in die Zukunft blickt", so der SPD-Politiker.

Da ein solcher Schritt erhebliche Folgen habe, baut er darauf, dass der Konzern sämtliche Optionen in den Blick nehme, die auch mögliche Alternativen zu einer Schließung des Standorts berücksichtigen, sagt der Abgeordnete in einer Meldung an die Presse.
Schließlich gehe es neben kurz- und mittelfristigen Erwägungen im aktuellen Wettbewerbsumfeld auch um die zahlreichen Beschäftigten vor Ort und deren Familien, betonte Marvi. So wolle er die Hoffnung nicht aufgeben, dass im weiteren Dialog doch noch Möglichkeiten gefunden werden können, die Produktion im Karlsruher Reifenwerk aufrechtzuerhalten.
24. Oktober: Der Weg zur Entscheidung
Der Reifenhersteller Michelin will seine Produktion verringern, das kündigt er auf seiner Homepage an. Als Grund nennt er "wachsenden Wettbewerbsdruck" sowie "steigende Produktions- und Verwaltungskosten". Man führe aktuelle Gespräche mit Sozialpartnern. Betroffen sind die Standorte Karlsruhe, Trier und Homburg.
Michelin: Es ist noch nichts entschieden!
"Ziel dieser Gespräche ist es, gemeinsam mögliche Optionen für diese Situation zu prüfen. Zum jetzigen Zeitpunkt wurde noch keine Entscheidung getroffen", so das offizielle Statement am Freitag, 20. Oktober, aus dem Unternehmen. Und weiter: "Die Michelin Mitarbeitenden in Deutschland werden als Erste über den Abschluss dieser Gespräche informiert."
Überlegungen zur Schließung der Michelin-Werke in Karlsruhe und Trier
Dies tat der Konzern offensichtlich am vergangenen Wochenende: Am Samstag, 21. Oktober, kritisiert die zuständige Industriegewerkschaft IGBCE das Vorgehen und kündigt Widerstand an.

Michelin habe auf Belegschaftsversammlungen mitgeteilt, dass es Planungen gibt, sich weitgehend aus der Produktion von Lkw-Reifen in Deutschland zurückziehen zu wollen, so die IGBCE.
In Karlsruhe und Trier (Rheinland-Pfalz) drohe die Schließung, in Homburg (Saarland) der Verlust von zwei Aktivitäten und damit den Großteil der Belegschaft, so die Gewerkschaft.
"Nicht nachvollziehbar und nicht akzeptabel!"
"Der hier beabsichtigte Kahlschlag ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar und wird auf unseren Widerstand stoßen", sagt Matthias Hille, Leiter des IGBCE-Bezirks Mainz, Konzernbetreuer und Aufsichtsratsmitglied bei Michelin Deutschland.

"Hier drohen ebenso traditionsreiche wie hochmoderne Standorte einfach ausgeknipst zu werden, ohne zuvor Alternativen systematisch durchdacht zu haben", kritisiert Hille. "Gegen einen solchen Rotstift-Aktionismus werden sich Belegschaft, Betriebsrat und IGBCE entschieden zur Wehr setzen."
SPD-Politiker Parsa Marvi: Ankündigung kommt überraschend
"Die Ankündigung kommt für mich tatsächlich etwas überraschend", betont der Karlsruher Bundestagsabgeordnete Parsa Marvi (SPD) und erläutert: "Ich war erst im Sommer letzten Jahres zu einem Vor-Ort-Termin auf dem Werksgelände des Standortes Karlsruhe. Dabei waren natürlich auch Lieferengpässe und steigende Kosten infolge der internationalen Verwerfungen ein Thema, wobei das Unternehmen jedoch zuversichtlich war, die Herausforderungen meistern zu können", so der SPD-Politiker.

Er baue nun auf einen intensiven Austausch zwischen dem Unternehmen, dem Betriebsrat sowie der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), um mögliche Lösungen für die vom Konzern genannten Probleme zu finden. Ziel müsse es sein, sämtliche Maßnahmen auszuloten, die es braucht, um den Standort und die Arbeitsplätze zu erhalten.
Michelin seit 1931 in Karlsruhe
Seit über 90 Jahren hat der französische Reifenhersteller ein Werk in Karlsruhe - als erstes Werk in Deutschland. Das bekannteste an den Michelin-Reifen dürfte wohl deren Werbefigur sein: das weiße, pummelige Michelin-Männchen ist bereits seit 1898 das Gesicht der Marke.

Hauptgeschäft der Michelin Reifenwerke in Karlsruhe sind laut Unternehmenswebsite die Fertigung von Leicht-Lkw-Reifen in Kleinstserien und moderne Produktionsanlagen.
800 Michelin-Mitarbeiter in Karlsruhe wären betroffen
Bis zu 1,1 Millionen Reifen werden dort demnach pro Jahr hergestellt. 2,38 Milliarden Euro Umsatz macht das Karlsruher Werk laut dem Branchenportal North Data (2021). Die Belegschaft in Karlsruhe zählt laut Michelin aktuell rund 800 Mitarbeiter, davon sind etwa 550 in der Reifenherstellung, der andere Teil in Vertrieb und Verwaltung tätig.
Das Michelin-Werk in Karlsruhe zählt zu den modernsten der Branche: Erst 2021 wurde die Produktion komplett umgestellt, um CO2-Emissionen zu reduzieren.