Man muss vorweg erwähnen: An Rhein und Neckar, an Donau und Isar häufen sich gerade in Süddeutschland die AKW-Standorte. Die Länder der Südschiene sind besonders abhängig von der Produktion in Philippsburg, in Neckarwestheim bei Heilbronn, im südhessischen Biblis oder von Grundremmingen, im bayerischen Bezirk Schwaben direkt hinter Ulm.
Das älteste deutsche AKW in Obrigheim/Odenwald wurde 2005 abgeschaltet. Neckarwestheim I hätte kurz vor der Bundestagswahl abgeschaltet werden müssen. Die EnBW Kraftwerke AG hatte das AKW zuvor aber mehrfach vom Netz genommen und so über den Wahltermin hinüber gerettet. Biblis hätte 2011 folgen sollen, Philippsburg I sollte ursprünglich 2013 vom Netz gehen. Da werden eigene Interessen, eigene Gesetzmäßigkeiten erkennbar.
Eines ist offensichtlich: Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke bremst das Interesse der großen Energieversorger, Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, in Windparks und Solaranlagen zu investieren. Das reduziert den Wettbewerb auf dem Energiemarkt. Energiesparen und regenerativer Strom gehören eindeutig nicht zu den Schwerpunkten des Konzepts. Schon zum Juli wurden Einspeisevergütungen reduziert. Man kann viel darüber streiten, ob "die großen vier" nun abermals Steuergeschenke erhalten - viel wichtiger ist aber, dass kaum zu erwarten sein dürfte, dass der Strom für den Haushaltsendverbraucher billiger würde.
Der Atomkompromiss verhindert zudem den Wettbewerb zwischen "den großen vier", den Monopolisten, ganz oben, und den Stadtwerken, an der Basis, die sich auf erneuerbare Energien eingestellt haben. Das ist eine Festigung des Monopols von Merkels Gnaden - und die Zementierung der Abhängigkeiten des Stromendverbrauchers, der alledem ausgeliefert ist und oft nur tatenlos zusehen kann.
In Karlsruhe haben sich einige wichtige Personen stark gemacht für den Atomkonsens. KIT-Präsident Horst Hippler gehört zu den 40 Mitunterzeichnern großformatiger Zeitungsannoncen im August. Würde er nur der Universität vorstehen, hätte er das vielleicht nicht getan - als KIT-Präsident untersteht ihm auch das Forschungszentrum, das eine eigene große Atomforschungsabteilung sein eigen nennt. EnBW-Chef Hans-Peter Villis hat noch vor ein paar Wochen ganz unverhohlen gedroht, einzelne Kraftwerke abschalten zu müssen, würde die Laufzeitverlängerung nicht kommen. Die EnBW betreibt die Meiler in Philippsburg und Neckarwestheim.
Den Sinn hinter Villis’ Drohung hat Otto Normalbürger nicht verstanden, nicht verstehen können. Es war aber ganz unverhohlen ein Spielen mit den Muskeln. Die Kanzlerin ist vor der Atomlobby eingeknickt - und "Merkels Männer mussten spuren", wie am Wochenende eine große deutsche Tageszeitung die reduzierte Rolle von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und Umweltminister Norbert Röttgen beschrieb.
Ganz und gar frei von ideologischen Erwägungen, ob die Kernkraft im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sinnvoll ist oder nicht: Der Traum von der schönen neuen Energiewelt beginnt mit einer Rolle rückwärts. Und konkret in den Karlsruher Rheinhafen gefragt: Wenn der neue Kohlemeiler 2011 seinen Betrieb aufnimmt, darf dann der kleinere, ältere daneben auch einfach so weiterlaufen? Einfach mal dahin gefragt...