Firmen wandern zunehmend aus Karlsruhe ab. In den letzten fünf Jahren haben 32 Unternehmen die Stadt Karlsruhe verlassen. Die Stadt verlor dadurch 1.000 Arbeitsplätze; jährlich fehlen zudem rund 1,8 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen. Dies geht aus dem Fünfjahresbericht der städtischen Wirtschaftsförderung hervor.
Es fehlt die Hälfte an benötigter Fläche
Viele Unternehmen möchten expandieren, finden aber keine geeignete Fläche in Karlsruhe. Der Stadt fehlen oftmals Flächen, möglichst mit Autobahnanschluss zu günstigen Preisen, so das Fazit der ersten Bürgermeisterin Margret Mergen im Wirtschaftsförderungsausschuss.
Die neue Ausgabe des Wirtschaftsspiegels Karlsruhe belegt dies mit Zahlen. Die Nachfrage von Unternehmen nach Hallenflächen beträgt demnach im Jahr 2010 154.900 Quadratmeter. Der steigenden Nachfrage wird die Stadt allerdings nicht gerecht, denn sie kann gerade einmal 79.425 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stellen. Das ist gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der benötigten Fläche.
Grünen-Fraktion bestreitet Flächenmangel
"Leider haben wir Schwierigkeiten Flächen bereit zu stellen. Dennoch hoffen wir weiter auf die Standorttreue der Unternehmen", sagte Bürgermeisterin Margret Mergen bei der Vorstellung des aktuellen Wirtschaftsspiegels in der vergangenen Woche. Die CDU-Fraktion macht als Hauptursache für die Abwanderung den Mangel an Entwicklungsflächen verantwortlich und fordert daher, dringend weiter Flächen für Betriebe auszuweisen.
Die Grünen-Fraktion bestreitet die Behauptungen der CDU-Fraktion: "Mit fehlenden Gewerbeflächen in Karlsruhe hat das nichts zu tun. Was wir brauchen, ist eine optimale Nutzung der bestehenden Gewerbegebietsflächen", meint Fraktionssprecherin Bettina Lisbach. Immer noch würden zu viele Gewerbeflächen als Pkw-Parkplätze genutzt.
"Wir können keine Flächen anbieten, die wir nicht haben"
Michael Kaiser, Leiter der Wirtschaftsförderung Karlsruhe, bestätigt den Mangel an größeren zusammenhängenden Flächen. "Bei Flächen ab 1,5 bis 2 Hektar gibt es Probleme. Und gerade produzierende und logistische Unternehmen brauchen große Flächen", so Kaiser.
Auch sei der niedrigere Quadratmeterpreis und die Lage der Flächen im Umland für die hauptsächlich klein- und mittelständischen Unternehmen attraktiver. "Wir haben Flächen, aber eben nicht da, wo die Unternehmen sie gerne hätten." Zukünftig sollen mehr Flächen im Westen der Stadt aktiviert und für das Gewerbe ausgewiesen werden. Diese Flächen seien für die Unternehmen aber häufig nicht attraktiv genug, da man sich große Flächen in der Nähe der Autobahn im östlichen Teil der Stadt wünscht. "Wir können aber keine Flächen anbieten, die wir nicht haben", so Kaiser.
Speditionen und Logistikunternehmen wandern ab
Erst kürzlich verlagerte die Bielefelder Spedition Kunze GmbH ihren Karlsruher Standort nach Karlsdorf-Neuthard. Das Unternehmen gab an, an der bisherigen Betriebsstätte sei keine räumliche Erweiterung mehr möglich gewesen. Der traditionelle Familienbetrieb habe mangels passender Alternativen in der Fächerstadt seine Präsenz verlagert, um den wachsenden Kundenanforderungen entsprechen zu können und weiteres Wachstum zu ermöglichen.
Auch das spanische Unternehmen San Lucar ist dabei, seine Deutschland-Zentrale von Karlsruhe nach Ettlingen zu verlegen. Als Hauptgründe gibt das Unternehmen fehlende Fläche und mangelnde Infrastruktur am alten Standort an. Der Fruchtgroßhändler Görger & Kies, der von San Lucar mit der Logistik des Unternehmens beauftragt wurde, baut auf dem Oetker-Areal in Ettlingen Lager- und Büroräume auf 10.000 Quadratmetern.
"Sehr bedauerlich für Karlsruhe"
"Wir hätten uns gerne in Karlsruhe vergrößert, aber uns konnte keine Fläche in geeigneter Größe zur Verfügung gestellt werden", sagt Gunther Kies, Geschäftsführer von Görger & Kies, gegenüber ka-news. Die Gesamtfläche des neuen Standorts beträgt 54.000 Quadratmeter. Zukünftig plant das Unternehmen mit 160 bis 180 Mitarbeitern am neuen Standort.
"Diese Entwicklungen sind für die Stadt Karlsruhe sehr bedauerlich. Das hat nichts mit der Qualität des Standorts zu tun, es sind einfach geographische Engpässe", sagt der Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer, Michael Hölle. Wichtig sei, dass Unternehmen, die keine geeigneten Flächen in Karlsruhe finden, wenigstens im Umland und damit in der Region bleiben. Wenn ein Unternehmen in Ettlingen oder Bruchsal expandiert, dann profitiert auch die Stadt Karlsruhe davon. Die Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und bringen Kaufkraft in die Region.
"Wir verweisen auf die Potentiale der Stadt und bieten Dienstleistungen an. Sollten sich aber keine Flächen finden, die mit der Firmenphilosophie zusammenpassen, dann sind wir froh, wenn die Firma wenigstens im Umland bleibt", so der Leiter der Wirtschaftsförderung. Die Stadt Karlsruhe versuche dennoch alles, um die Unternehmen in der Stadt zu halten.