Geburtenschwache Jahrgänge, immer mehr alte Menschen: In der Technologieregion Karlsruhe mangelt es an Fachkräften, der demografische Wandel bereitet der regionalen Wirtschaft zunehmend sorgen. Daher will die regionale Wirtschaft künftig stärker mit Frankreich - speziell dem Elsass - kooperieren. Denn hier finden viele gut ausgebildete junge Menschen keine Arbeit. Sie könnten einen Teil der Ausbildungs-Lücke in der Technologieregion Karlsruhe schließen, da waren sich alle Redner in der Karlsruher Stadthalle einig.
Der erste IHK-Neujahrsempfang von Präsident Wolfgang Grenke begann daher mit einem Plädoyer für mehr Internationalisierung. "Der Wirtschaft in der Technologieregion Karlsruhe geht es gut", sagte Grenke vor etwa 1.500 Gästen - darunter zahlreiche Oberbürgermeister, Landräte, Abgeordnete und Unternehmer. Der 62-Jährige wurde im April 2013 zum Nachfolger von Bernd Bechtold gewählt. Es werde viel exportiert - sowohl in Deutschland als auch auf dem Weltmarkt. Doch man dürfe die Wurzeln des Exporterfolges nicht vergessen.
IHK-Präsident Grenke: "Wir müssen den Blick ins Ausland richten"
"Frankreich und das Elsass sind unsere natürlichen wirtschaftlichen Partner", so Grenke. Und hier lägen auch die Chancen für die Technologieregion, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Der Appell: Die Wirtschafts- und Bildungsräume Frankreich und Deutschland sollen künftig stärker zusammenwachsen - auf diese Weise werden beide Seiten profitieren.
"Es fehlt an Nachwuchs. Wir müssen den Blick ins Ausland richten", so der IHK-Präsident. Schon heute seien in der Technolgieregion Karlsruhe 400 Ausbildungsplätze unbesetzt. Andere europäische Ländern wie Spanien, Italien und Frankreich hätten gleichzeitig mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen (Arbeitslosenquote von bis zu 50 Prozent bei den unter 25-Jährigen).
"Die demografische Entwicklung läuft gegen uns", so Grenke. "Wir müssen die Internationalisierung vorantreiben", fordert er. Aber auch die Chancen für Abbrecher müssten verbessert werden. So müssten junge Menschen, die eine Ausbildung oder ihr Studium abgebrochen haben, besser gefördert und dazu gebracht werden, ihr Talent richtig einzusetzen. Des Weiteren müsse die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Und Hemmnisse müssten abgebaut werden, damit ausländische Fachkräfte gerne nach Deutschland kommen.
Peter Friedrich, baden-württembergischer Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten, forderte in seiner Rede ein "neues europäisches Selbstbewusstsein". Die EU sei im Exportgeschäft erfolgreicher als die USA und China. Gerade Baden-Württemberg werde zurecht als "Musterländle in Europa" bezeichnet.
Fachkräfte - Region Elsass hat enormes Potential
Seit dem Ersten Weltkrieg - der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" - seien jetzt 100 Jahr vergangen - und die europäische Idee habe Frieden und Wohlstand gebracht."Nirgendwo ist so viel Europa wie hier", so der Europaminister mit Blick auf die Region Oberrhein. Auch er warnt vor dem demografischen Wandel. Bereits 2020 würden in Baden-Württemberg 500.000 Fachkräfte fehlen. "Ohne Zuwanderung wird es nicht funktionieren", so der Europaminister. Er appellierte daher für mehr grenzübergreifende Abkommen für zweisprachige duale Ausbildungen.
Jean-Louis Hoerlé, Präsident der Wirtschaftskammer für die Region Elsass, sieht das genauso und rührte die Werbetrommel die für französische Fachkräfte: "Im Elsass steht ein junges und hervorragend ausgebildetes Arbeitskräftereservoir zur Verfügung. Die Region Elsass hat enormes Potential." Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup bemerkte zudem: "Es sollte heute eigentlich klar sein, dass der Rhein keine Grenze mehr ist."
Am Ende der Veranstaltung wurde als Zeichen der zusammenwachsenden Regionen eine Kooperation zwischen den beiden Wirtschafts- und Bildungsräumen geschlossen. Junge Menschen, die für ihre Ausbildung aus Spanien und Frankreich in die Technologieregion gekommen sind, wurden als "Ausbildungsbotschafter für Europa" ausgezeichnet.
Erneute Forderung nach zweiter Rheinbrücke
Vor lauter deutsch-französischer Freundschaft wurde aber auch ein Dauerbrenner-Thema nicht vergessen. "Ohne gute Infrastruktur funktioniert Wirtschaft nicht", erneuerte Grenke die Forderung für den Bau einer zweiten Rheinbrücke. Bei einer Sperrung der bestehenden Brücke drohe ein Verkehrskollaps. Tausende Pendler, die täglich die Brücke überquerten, müssten dann einen Umweg von etwa 60 Kilometern in Kauf nehmen. Das würde laut Grenke die Volkswirtschaft 1,1 Millionen Euro kosten - pro Tag.
"Bei einem halben Jahr Sperrung wäre die neue Brücke finanziert - mit Anschluss an die B36", so Grenke. Neben den Kosten spielten auch die Umwelt und der Zeitfaktor eine Rolle. "Familienväter und Mütter, die täglich im Stau stehen, haben weniger Zeit für das Familienleben", betonte Grenke. Außerdem sei Stop-and-Go-Verkehr umweltschädlicher als fließender Verkehr. "Ich empfehle allen politischen Vertretern, sich für eine zweite Rheinbrücke, wie sie geplant ist, mit einem ergänzenden Anschluss an die B36 einzusetzen", forderte der IHK-Präsident.