Straßenbahnen gibt es in Karlsruhe viele - ältere wie neuere Modelle - doch keine ist so modern wie die mit der Nummer 348: die "Mess-Straßenbahn". Von außen ist sie fast nicht von den anderen Bahnen zu unterscheiden, doch von innen umso mehr, denn: In ihr steckt eine Menge High-Tech. Nun ist sie seit rund einem Monat auf den Karlsruher Schienen unterwegs.
Vollgestopft mit modernster Technik
Dabei befördert sie aber nicht einfach nur die Fahrgäste - die Bahn sammelt auf ihren Fahrten Daten über Daten. Dafür ist sie sowohl im Innenraum, auf dem Dach als auch am Unterboden mit Messinstrumenten ausgestattet.

Die Daten sollen helfen, das Bahnfahren in Zukunft komfortabler, sicherer und energieeffizienter zu gestalten. Es ist ein gemeinsames Forschungsprojekt der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Bahn fährt im täglichen Fahrgastbetrieb
Die Praxis, mit Messfahrzeugen das Streckennetz abzufahren und zu untersuchen, ist allerdings nicht neu: Andere Messzüge untersuchen die Gleise bereits auf etwaige Schäden. Diesen Bahnen gegenüber hat der neue High-Tech-Zug aber eine Besonderheit: Er wird im laufenden Fahrgastbetrieb eingesetzt. "Dadurch bekommen wir nicht nur die Veränderungen an der Strecke mit, sondern können darüber hinaus die tatsächliche Belastung durch das Fahrzeug erfassen", sagt Philip Otto, Leiter des Projektes am Institut für Fahrzeugsystemtechnik am KIT.

Das heißt: Wer in Karlsruhe regelmäßig Bahn fährt, sitzt also früher oder später wohl auch mal in der Mess-Straßenbahn. "Die Straßenbahn fährt auf keiner festen Strecke, sie wird rundum geschickt und ist mal hier und mal dort in Karlsruhe unterwegs", so Sarah Fricke von der AVG im Gespräch mit ka-news.de.
Warum quietschen Bahnen überhaupt?
Ein Problem, dass die Bahn auf ihren Fahrten untersucht: Das lästige Quietschen der Wagen, denn: Fahren die Züge auf geraden Strecken meist relativ geräuschlos, ist das Quietsch-Geräusch umso wahrscheinlicher, je enger eine Kurve ist. Es entsteht, wenn der Spurkranz des Rades - eine Erhöhung, die die Bahn in der Spur hält - an den Schienenkopf anläuft. "Ganz vermeiden kann man das Quietschen nicht, es lässt sich aber beispielsweise durch eine selektive Spurkranzschmierung reduzieren", sagt Otto.
Mikrofone und GPS-Daten verraten, wo es quietscht
Wie lässt sich nun herausfinden, wo es auf den Karlsruher Schienen besonders laut quietscht? Ganz einfach: Mit Mikrofonen. "Die Messmikrofone befinden sich im Bereich des vorderen und hinteren Drehgestells. Auf dem Fahrzeug befindet sich ein Datenrekorder, der die Messwerte erfasst und über das LTE-Netz zu uns ins Institut überträgt", sagt der Projektleiter auf Nachfrage von ka-news.de.

Zeitgleich mit dem Quietschen wird über GPS-Daten die Position der Bahn erfasst. "So können wir die für unsere Auswertung interessanten Stellen im Netz ganz leicht finden", weiß Otto. Auch die Geschwindigkeit der Bahn wird für die spätere Analyse aufgezeichnet.
Bahnen sollen zukünftig auch leiser rollen
Doch nicht nur das Quietschen sorgt bei fahrenden Bahnen für einen störenden Lärmpegel. Ebenso sollen mit den gesammelten Daten der Mess-Straßenbahn zukünftig laute Rollgeräusche reduziert werden. Sie entstehen durch den Verschleiß an den Radlaufflächen, die beispielsweise durch Notbremsungen oder Unebenheiten auf den Schienen entstehen.

Neben unerwünschten Geräuschen wollen KIT und AVG mithilfe der cleveren Straßenbahn auch anderen Faktoren auf die Spur kommen: Von Beschleunigungssensoren über die Sonneneinstrahlung bis zur Luftfeuchtigkeit: Es gibt fast nichts, was die Mess-Straßenbahn nicht misst. Sogar der CO2-Gehalt der Luft im Inneren des Fahrzeugs wird erfasst - denn je höher die CO2-Konzentration, desto mehr Menschen sind gerade in der Bahn. Auch die Klimatisierung der Bahnen könnte mithilfe der Daten verbessert werden
Bis die Verbesserungen kommen, dauert es noch
Doch so zukunftsweisend die Arbeit des neuen Mess-Zuges klingt: Vorerst werden die Daten erst einmal nur erhoben und ausgewertet. "Bis es soweit ist, dass die Ergebnisse für die Fahrgäste spürbar werden, ist schwer zu sagen", sagt Philip Otto gegenüber ka-news.de. "Die Auswirkungen werden wohl erst in den folgenden Fahrzeug-Generationen bemerkbar sein."