Die Homepage trägt den Titel "Frauenheld-sein". "Es gibt drei Dinge, die Männer brauchen, um Zivilcourage gegenüber Zwangsprostitution zu entwickeln", erklärt Erbacher das Konzept, das sich in der dreifachen Begrüßung widerspiegelt, die den Nutzer der Internetseite erwartet. Erstens: "Hut auf", wir machen Männer zu Frauenhelden. Zweitens: "Maske auf", Frauenhelden bleiben anonym und drittens: "30.000 Frauen in Deutschland brauchen Helden." Fangen wir von hinten an. Drei. Zwei. Eins.
"30.000 Frauen in Deutschland brauchen Helden"
30.000 - diese Zahl steht für die Frauen, die in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden. Die Angabe kann sich auf keine verlässliche, empirische Grundlage stützen, die Zahlen schwanken und beruhen auf Hochrechnungen, die versuchen Licht in das Ausmaß der Dunkelziffer zu werfen. Ralf Krämer, Kriminalrat der Landespolizeidirektion Karlsruhe nennt Zwangsprostituion in einem Atemzug mit Menschenhandel. Dies erschwere die Verfolgung. Die Opfer machten meist nur lückenhafte Angaben, sagt Krämer: "Sie haben Angst."
Die Homepage der Diakonie soll Männer ansprechen,gegen Zwangsprostitution einzutreten (Foto: Diakonie Baden) |
Die Angst hat viele Gesichter. Die Frauen seien nicht allein körperlicher Misshandlung ausgesetzt, weiß Krämer, dahinter stehe oft psychische Bedrohung: "Deiner Familie im Heimatland könnte etwas zustoßen...". Außerdem würden ausländische Betroffene umgehend abgeschoben. Den Opfern mangele es aber nicht nur deswegen an Vertrauen in die Polizei, fährt der Kriminalrat fort, die meisten hätten negative Erlebnisse mit Polizisten in ihren Heimatländern vor Augen. "Das polizeiliche Verfahren ist das eine Thema, das menschliche ist ein anderes", weist Krämer auf die Grenzen der Strafverfolgung hin.
Deswegen hat die Diakonie vor zwei Jahren begonnen, ein Netzwerk mit Hilfsmöglichkeiten aufzubauen. Neben Beratungsstellen, Schutzwohnungen, Übernahme von Anwaltskosten, Arztbesuchen und Rückkehrhilfe steht die Kooperation mit anderen europäischen Ländern im Mitttelpunkt. "Die Frauen haben ein Trauma", geht Krämer auf die Auswirkungen der Zwangsprostitution ein. Die Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern in den Heimatländern der Frauen sei deswegen besonders wichtig, betont der Kriminalrat. "Die Opfer müssen aufgefangen werden."
"Maske auf": Frauenhelden bleiben anonym
Jeder vierte Mann sucht in Deutschland regelmäßig eine Prostituierte auf, eine Millionen Männer nehmen täglich den Dienst von 400.000 Prostituierten in Anspruch. Doch "die Zwangsprostitution findet im Verbogenen statt", stellt Christine, selbstständige Prostituierte fest. Die legale Prostitution habe in der Regel keinen Kontakt dazu. "Wenn eine Frau das freiwillig macht, ist sie aktiv in ihrem Verhalten", schildert Christine, "sie lächelt, scherzt mit dem Gast."
Männer, die zu einer Zwangsprostituierten gingen, würden die Angst der Frau genießen, wollten sie quasi vergewaltigen. Christine schätzt die Chance gering ein, dass Männer beim Verdacht auf Zwangsprostitution Anzeige erstatteten. "Die Polizei will viel wissen. Name, Adresse", sagt Christine, "was soll der Mann denn sagen, wenn die Ehefrau die Post öffnet?"
"Hut auf": Wir machen Männer zu Frauenhelden
"Doch wie sollen wir Männer erreichen, die die Notlage der Frauen ausnützen?", fragt Oberkirchenrat Johannes Stockmeier, Hauptgeschäftsführer des Diakonischen Werks Baden. Die Kampagne versuche eine Antwort auf diese Frage zu geben. Stockmeier stellt klar, dass die Diakonie Prostitution an sich in keiner Weise gut heiße. Es handele sich um ein Feld, in dem Menschen Schuld auf sich laden, in dem Leid entstünde. Doch die Frauen seien darauf angewiesen, dass die Diakonie keinen Bogen um sie mache. "Prostituierte kommen schon im Neuen Testament vor, sie erfahren die Zuwendung Jesu Christi", sagt der Oberkirchenrat. Doch es sei eine Gradwanderung.
"Wir rechnen nicht damit, dass wir Männer, die wissentlich zu Zwangsprostiuierten gehen, erreichen", gesteht Erbacher ein. Die Kampagne versuche gezielt die Männer anzusprechen, die Kontakt zu Prostituierten haben. Sei es als Freier, als Taxifahrer oder über Mundpropaganda. Die Homepage "Frauenheld-sein" eröffne Männern die Möglichkeit, anonym auf Zwangsprostitution hinzuweisen, sich untereinander austauschen und aktiv gegen die Verbrechen einzutreten. "Um Helden für Frauen zu werden, die auf Hilfe angewiesen sind."