Startseite
Icon Pfeil nach unten
Karlsruhe
Icon Pfeil nach unten

Karlsruhe: "Zerstörerische Brisanz": Wird die Gartenstadtidee preisgegeben?

Karlsruhe

"Zerstörerische Brisanz": Wird die Gartenstadtidee preisgegeben?

    • |
    • |
    "Zerstörerische Brisanz": Wird die Gartenstadtidee preisgegeben?
    "Zerstörerische Brisanz": Wird die Gartenstadtidee preisgegeben? Foto: ka-news

    Der Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan zum Bau "neuer Häuser" wurde unmittelbar vor Ostern gefasst. Jetzt schaltet sich ein versierter Fachmann in lokalpolitischen und städtebaulichen Fragen ein. Josef Werner, der viele Jahre als Journalist in Karlsruhe tätig war und als solcher das lokalpolitische Geschehen quasi hauptberuflich verfolgt hat. Häufig fährt der immer noch vital wirkende Doyen der Journalisten, der in Ettlingen zu Hause ist, mit der Albtalbahn die Herrenalber Straße entlang - just dort, wo eine fünfeinhalb Meter hohe Mauer entstehen soll; dort, wo kürzlich der Bauausschuss unter Leitung von Baudezernent Michael Obert (FDP) einen Vorort-Termin absolvierte.

    Werner, der sich immer wieder mit Verve in Diskussionen - gerade in städtebaulichen Fragen - einschaltet, ließ jetzt in einem Brief wissen, er befürchte, die einstige Idee der Gartenstadt werde aufs Spiel gesetzt: "Mit der geplanten Häufung dreigeschossiger Bauten auf engstem Raum rückt die Genossenschaft endgültig von der Zielsetzung ab, welche die Gartenstadt einst zum Vorbild in ganz Deutschland gemacht hat: Der beispielhaften Symbiose von Haus und Garten, dem Wohnen im Grün", merkt er kritisch an.

    Zwar räumt Werner ein, die Bauherrin, die "Genossenschaft Gartenstadt", werde durchaus einer planerischen Forderung gerecht, zum Bauen wo immer möglich, Gelände in der Innenstadt zu nutzen, ehe grünes Stadtvorland verbraucht werde. Allerdings sei geplant, für den Bau von 74 Wohnungen inklusive Tiefgaragen rund 6.000 Quadratmeter zu verbrauchen, was aus seiner Sicht "eine bedenkliche Versiegelung des Areals zur Folge habe".

     "Diese Mauer kann auch eine beengende Wirkung haben"

    Werner wörtlich: "Mit einem bescheideneren Programm könnte die Genossenschaft ihrer historischen Maxime ("Wohnen im Grünen") auch heute noch gerecht werden. Andernfalls bliebe das Wort "Sonnengrün" nur eine geschickte Täuschung", hält der 95-Jährige den Plänen entgegen. Der Geschäftsführer der Genossenschaft, Ralf Neudeck, kontert indes auf Anfrage von ka-news: Die Wohnungsbaugenossenschaft habe seit Vorliegen der Wettbewerbsergebnisse zur Erweiterung der Gartenstadt "stets den stadtplanerischen Gestaltungsprämissen Rechnung getragen". Die entscheidenden Stellen seien jederzeit eingebunden gewesen.

    Josef Werner mahnt indessen: "Wenn die Genossenschaft bei ihrem Programm bliebe, solle sie auch schleunigst die Formel löschen, mit der sie sich anspruchsvoll empfiehlt: "Gartenstadt Karlsruhe e.G. - Die zuverlässige Gemeinschaft für ein Zuhause im Grünen". Kritik übt er zudem an der vorgesehenen Mauer zur Herrenalber Straße: "Diese Mauer kann für das Wohngefühl zwischen den Blöcken aber auch eine beengende Wirkung haben".

    Vor hundert Jahren wurde die avantgardistische Gartenstadt gegründet

    Auch da gibt es Widerspruch von Ralf Neudeck: Die immer wieder von Kritikern des Vorhabens genannte 180 Meter lange Mauer gebe es in der Form nicht. Es sei in den vergangenen Monaten "nachweislich mit falschen und völlig veralteten Darstellungen der Ansicht Stimmung in der Rüppurrer Öffentlichkeit gemacht worden" (Anm. d. Red.: Neudeck stellte ka-news eine aktuelle Visualisierung des beauftragten Architekturbüros - mit Ansicht des Plangebietes an der Herrenalber Straße - zur Verfügung, die mit diesem Artikel veröffentlich wird. Sie zeigt eine Abfolge von Mauer-Teilstücken, den außen an den Häusern angebrachten Aufzügen und Glasbauteilen.)

    Für Rüppurr sei und bleibe die Gartenstadt ein wichtiger Bestandteil, sagt dagegen Josef Werner. Die Rüppurrer, ob im "Dorf" oder in den neuen Siedlungen lebend, wären zudem "wohl auch ein bisschen stolz auf ihre vor 100 Jahren gegründete avantgardistische Gartenstadt. Mit großer Aufmerksamkeit beobachten sie deshalb alles, was in der Gartenstadt geschieht", meint der Journalist. Nun aber zeigten sie sich geschockt von einer Planung, die zum Schutz der künftigen Bewohner eine fünfeinhalb Meter hohe Mauer vorsehe - die "Berliner Mauer" sei "nur" dreieinhalb Meter hoch gewesen.

    Seit dem Krieg nur noch Wohnungen im Mehrfamilienhausbau

    Der betagte Journalist fordert die Genossenschaft auf, sie selbst solle ihre Verantwortung erkennen. Am besten wäre, so schreibt er, die Genossenschaft könnte sich entschließen, sich auf eine dem Ursprungsgeist der Gartenstadt angemessene Lösung zu beschränken. Josef Werner, der auch diesen Brief wie eh und je auf seiner "alten Dampfschreibmaschine" schrieb, schließt mit den Worten: "Bleibt zu hoffen, dass mit der Gartenstadt-Genossenschaft letztlich auch der Karlsruher Gemeinderat die zerstörerische Brisanz des Rüppurrer Themas Nummer eins erkennt und danach handelt."

    Entwurf nach langer Abwägung wieder verworfen

    Der Geschäftsführer der Wohnungsbaugenossenschaft, die ihre Geschäftsräume mitten in der Gartenstadt - am Ostendorfplatz - hat, hält dagegen, "die Gartenstadt habe bei ihren Bauvorhaben der letzten 50 Jahre stets sowohl die Siedlung an sich, aber auch die seinerzeit gebotenen Bauweisen berücksichtigt". Mehrere Nachkriegserweiterungen seien jeweils zeitgenössisch gestaltet worden und würden sich von der Vorkriegsbebauung deutlich unterscheiden. Seit dem Krieg seien Wohnungen nur noch im Mehrfamilienhausbau errichtet worden, sagt Neudeck.

    Eine Alternative, wie von Kritiker Josef Werner beschrieben, sei in ähnlicher Form Gegenstand einer Arbeit des Wettbewerbsergebnisses im Herbst 2008 gewesen - allerdings habe man den Entwurf nach langer Abwägung aller Vor- und Nachteile verworfen, meint der Geschäftsführer der Wohnungsbaugenossenschaft gegenüber ka-news abschließend.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden