Hand aufs Herz: Lesen Sie jetzt das erste Mal von der Trennung des Ehepaars Wulff? Vermutlich nicht. Allerdings konnte man der Nachricht am Montag auch beim besten Willen nicht entkommen. Bild-Chef Kai Diekmann, obwohl eigentlich gerade für einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt im kalifornischen Silicon Valley, hatte am Montagvormittag persönlich in die Tasten gehauen, um die Welt über die Trennung des Ex-Präsidentenpaares in Kenntnis zu setzen. Per Eilmeldung der Deutschen Presseagentur dpa verbreitete sich die Nachricht anschließend durch praktisch alle deutschen Nachrichtenportale.
Die Bild: 2,5 Millionen Nicht-Leser
Gelesen hat sie dort natürlich niemand - so wie auch nie jemand die Bildzeitung kaufen würde. Ein Rätsel, wie diese dennoch auf eine verkaufte Auflage von über 2,5 Millionen Exemplaren kommt. Und ein Rätsel, mit welcher Vehemenz nun aller Orten erklärt wurde, dass die Trennung der Wulffs doch niemand interessierte, diese sich aber bei ka-news und offenbar auch bei diversen anderen Nachrichtenportalen schnell zu einer der meistgelesenen Meldungen hochklickte. Mussten sich all die Nicht-Leser nur schnell versichern, dass es sie wirklich nicht interessierte, und klickten die Meldung deshalb an? Nahm nicht nur die Bildzeitung, sondern auch die FAZ und zahlreiche weitere Zeitungen die Wulffs auf die Titelseite, weil sie davon ausgehen mussten, dass die Nachricht niemanden interessiert?
Christian Wulff selbst hat seine Ehe zu einem öffentlichen Thema gemacht, als er 2006 per Interview bekannt gab, dass es eine neue Frau an seiner Seite gebe und später diverse Homestories folgen lies. Auch Bettina Wulff hielt kein Blatt vor den Mund, als sie sich in ihrem Buch "Jenseits des Protokolls" Details aus ihrer Ehe ausbreitete. Dass nun auch über die Trennung berichtet wird, ist daher nur legitim. Allerdings würde über das Thema vermutlich nicht in dieser Breite berichtet, wenn die Medienschaffenden nicht mit einem entsprechenden Resonanzboden bei den Rezipienten rechnen könnten.
Menschlich - und scheinheilig
Natürlich gibt kaum jemand gerne zu, dass er die Nachrichten zur Trennung der Wulffs verfolgt hat, vielleicht sogar Schadenfreude dabei empfunden hat. Allerdings erklären bei Studien zur Mediennutzung auch regelmäßig die Teilnehmer, wie wichtig ihnen das Feuilleton ihrer Tageszeitung ist, obwohl Lesetests immer wieder belegen, dass gerade dieses kaum gelesen wird. Zu erklären ist diese Schere zwischen Einstellung und Handlung wohl mit dem Selbstbild vieler Leser, das eben hin und wieder doch von der Realität abweicht. Das ist nur menschlich - und trotzdem irgendwie scheinheilig.