Sarah Lumpp ist Lehrerin und kommt aus Ettlingen. Sie kann sich eine flächendeckende Einführung der 50-Stunden-Woche nicht vorstellen. Ob das Familienleben darunter leiden würde, fragen wir. "Na sicher, die Eltern haben ja bereits heute schon so viel zu tun. Wenn jetzt die Arbeitszeiten noch weiter steigen würden, wären die Auswirkungen auf das familiäre Leben dramatisch", sagt sie. "Aber", gibt sie zu bedenken, "die Arbeit ist ja eh nicht mehr die gleiche, wie vor ein paar Jahrzehnten. Viele würden gerne das Rad zurückdrehen, aber das geht nicht."
"Wir werden alle verarscht."
"40 Stunden Wochenarbeitszeit sind ok", meint Stephan Bürkle, der bei der Miro Erdölraffinerie im Karlsruher Rheinhafen arbeitet. "Aber mehr muss nicht sein." Er schlägt eine andere Variante vor: "Es wäre doch ganz vernünftig, erst einmal alle angefallenen Überstunden abzubauen. Dann könnten die Unternehmen neue Leute einstellen." Außerdem: "Nach acht Stunden Arbeit kann sich doch eh niemand mehr konzentrieren. Wie soll man sich als Arbeitnehmer da noch mehr arbeiten? Teilweise haben wir ja jetzt schon 50 Stunden in der Woche."Auch er grinst bei der Frage, ob das Familienleben leiden würde: "Das ist doch praktisch sicher."
Sandra Schumm aus Pforzheim ist "total gegen die Einführung der 50-Stunden-Woche." Denn, so erklärt sie uns: "Wir werden da doch total verarscht. Die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit bringt dem Arbeitsmarkt rein gar nichts. Ich glaube, wenn dieser Vorschlag bundesweit durchgesetzt werden würde, ginge ein riesiger Teil der Arbeitsplätze verloren." Um der schwachen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, hat sie eine andere Idee, die bisher von den Arbeitgebern als Konjunkturkiller verschrien ist: "Wie wäre es, die Arbeitszeit zu reduzieren? Dadurch könnte der Arbeitsmarkt vielleicht wieder gestärkt werden.", meint die Sparkassenangestellte.
"Wer Arbeitsplätze gefährdet, sündigt an unserer Jugend"
Nicht genannt werden möchte ein Erzieher aus Karlsruhe, aber auch er ist der Meinung, dass 50 Stunden "viel zu viel wären. Angeblich soll es ja Arbeitsplätze bringen und das mag ja in manchen Gebieten der Wirtschaft auch stimmen. Jedoch, wo kein Bedarf mehr ist, kann es auch kein Wachstum mehr geben." Er stimmt dem Argument zu, dass bei längeren Arbeitszeiten die Unternehmen flexibler wären, aber fragt sich gleichzeitig, wie die Arbeitslast dann verteilt werden würde. "Das kostet doch auch Arbeitsplätze!" Sorgen macht er sich, wie sich eine Erhöhung der Arbeitszeit auf die Kindererziehung auswirken würde. "Die Eltern haben ja jetzt schon kaum Zeit. Als Erzieher bekomme ich das alles mit. Die Kleinen werden doch heute schon nur noch vor die Glotze gesetzt."
Der Meinung der Bevölkerung deckt sich praktisch mit der Meinung des Geschäftsführer des ver.di Mittelbaden-Nordschwarzwald Jürgen Ziegler: "Wer in der jetzigen Situation darüber nachdenkt, die Arbeitszeiten zu erhöhen, sündigt an der heutigen Jugend! Die Betriebe stellen doch bereits heute kaum noch neue Auszubildende ein." Erst vor kurzem habe der Bund angekündigt, 6.000 Stellen abbauen zu wollen. Mitarbeiter kündigen wolle man nicht, sagt Ziegler und stellt die Frage: "Wie wollen die denn dann anders Stellenabbau betreiben, als die Neueinstellungen zurückzufahren? Die werden bei den Auszubildenden drastisch sparen", befürchtet Ziegler.
"In Deutschland muss die Nachfrage angekurbelt werden."
"Handeln nach der Devise 'Löhne runter, Arbeitszeiten hoch' kann nicht sein. All diese Einsparungen trotz anhaltender Gewinne der großen deutschen und europäischen Unternehmen werden auf dem Rücken des kleinen Bürgers ausgetragen. Auch die 'Großen' müssen sich an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen", sagt Ziegler. Er kündigt einen "heißen Herbst" an: "Ein Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzvernichtungsprogramm werde wir nicht mittragen."
Der Ausweg aus der Misere führt für Ziegler über die Steigerung der Nachfrage. "Wissenschaftler haben dies doch bestätigt. Wir haben in Deutschland ein Problem mit der Nachfrage. Aber wenn der Lohn fehlt, kann der Konsum nicht anziehen. Bei weniger Arbeitslast und mehr Arbeitszeit kann aber der Lohn doch nur fallen." Deswegen plädiert Ziegler für die europaweite Einführung der 30-Stunden-Woche. "Die derzeitige Situation ist katastrophal. Arbeitslosigkeit ist das Schlimmste, was man einem Menschen antun kann."