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Karlsruhe: Wie Tätertherapie zum Opferschutz wird

Karlsruhe

Wie Tätertherapie zum Opferschutz wird

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    Logo des Vereins Foto: ka-news

    Im Jahr 2005 wurde ein Kinderarzt aus Stuttgart wegen Pädophilie verurteilt und kam in eine Sozialtherapeutische Anstalt, eine Sondereinrichtung des Strafvollzugs. Dort werden verurteilte Täter in der Regel drei Jahre behandelt, doch der Arzt aus Stuttgart wurde  nach drei Monaten wieder entlassen: Er war nicht akzeptiert worden, passte nicht ins Konzept und Schema der anderen Patienten. Diese waren alle psychisch krank, doch der Arzt litt nur unter einer psychischen Störung wie beispielsweise einem Empathiedefizit oder einer narzistische Störung.

    Wie dem Arzt aus Stuttgart geht es vielen Tätern. Sie leiden unter psychischen Störungen, fallen aber nicht unter die strafrechtliche Kategorie der psychisch Kranken, werden nicht therapiert  und höchstens bei einer Begutachtung während des Vollzugs auffällig.

    Dieser Fälle hat sich die Behandlungsinitiative Opferschutz e.V. (BIOS) angenommen. Angestoßen durch den Fall des Stuttgarter Arztes wurde die Initiative im Frühjahr 2005, von unter anderen Klaus Böhm, Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe, im "Hauruckverfahren" gegründet. Damals noch nicht als gemeinnütziger Verein eingetragen, mietete sie sich in Räumen des Amtsgerichts Karlsruhe ein.

    Tätertherapie ist Opferschutz

    Im Jahr 2007 setzte sich der stellvertretende Vorsitzende der CDU Baden-Württemberg, Stefan Mappus, dafür ein, dass die Initiative 100.000 Euro pro Jahr bewilligt bekam, heute sind es 130.000 Euro, die fest im Justizhaushalt Baden-Württembergs verankert sind. Ins Leben gerufen wurden damals  Behandlungsstützpunkte in Mannheim, Heimsheim und Heilbronn; der Hauptsitz war und ist in Karlsruhe, wo am 2. Juni 2008 die Forensische Ambulanz Baden (FAB) eröffnet wurde. Hier werden aktuell 153 Patienten betreut: verurteilte Gewalt- und Sexualverbrecher die entweder haftbegleitend oder in ambulanter Nachsorge therapiert werden sollen.

    75 Prozent der Therapien werden vom Land oder sogar von den Patienten selbst gezahlt, für die restlichen 25 Prozent kommt der Verein auf. Trotzdem seien die Gelder immer knapp, so Klaus Böhm, denn die Therapie koste für einen Patienten rund 6.000 Euro. Auch die Therapeuten und Ärzte müssten bezahlt werden.

    Die Funktionslogik des Vereins basiert auf dem Prinzip, die Täter nachhaltig zu therapieren um das Risiko von Rückfällen so weit wie möglich zu mindern und so präventiven Opferschutz zu leisten. Und der Ansatz bewährt sich: Seit Gründung der Initiative seien nur die Hälfte der betreuten Täter rückfällig geworden, seit eineinhalb Jahren sogar kein einziger mehr.

    Doch BIOS könne sogar noch mehr, so Böhm,  und nennt als Beispiel den Fall eines Mannes, der wegen Kinderpornographie verurteilt und von dem Verein betreut wurde. Im Zuge der Therapie stellte sich heraus, dass der Mann sich schon zwei reale Opfer ausgesucht hatte und sich ohne die Therapie der BIOS an ihnen vergangen hätte.

    Deliktorientierte Psychotherapie

    In der FAB arbeiten derzeit zwei Ärzte und acht Psychotherapeuten, einer von ihnen ist H. Klein. Er erklärt die Vorgehensweise der sogenannten deliktorientierten Psychotherapie dahingehend, einen roten Faden zwischen Mustern im Leben des Patienten und dem Delikt herzustellen. Außerdem erwähnt er, dass die Therapie nur mit Tätern, die ein Unrechtsbewusstsein haben, möglich sei.

    Andererseits gehe es in der Therapie vorrangig darum, potentielle Delikte zu vermeiden und nur in zweiter Linie um den - straffälligen - Patienten. Denn zur Not, also wenn die Therapeuten der Meinung sind, dass der Patient nicht von einer Straftat beziehungsweise einem Rückfall abzubringen sei, ergreife die BIOS auch rechtliche Maßnahmen.

    Besonders an der BIOS, in Abgrenzung zu anderen Einrichtungen sei, so Böhme, dass sich der Verein sowohl auch um tatgeneigte Patienten kümmert als auch Akutversorgung für Opfer von Gewaltdelikten anbietet - für Opfer von Sexualdelikten gebe es spezielle Einrichtungen. Akutversorgung bedeutet, dass die Opfer direkt nach der Tat bei der BIOS therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen können, bis eine reguläre Therapie aufgegriffen werden kann.

    "Tatgeneigte" sind Personen, denen es nach einer Straftat verlangt, die sich aber noch beherrschen können. Sie melden sich oft selbst bei der BIOS oder werden von der Telefonseelsorge oder ProFamilia vermittelt. Für sie und auch für bereits straffällig gewordene Täter bietet die BIOS Sprechstunden an. Ein Notruftelefon für Opfer von Gewalttaten gibt es außerdem (0721/9265041, 0721/9265200, 0173/5107171).

    Am 27. März wird im Bundestag das Memorandum der BIOS zur Verbesserung des Opferschutzes verhandelt.

    Mehr Informationen gibt es auf http://bios-bw.de

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