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Widerstand in Karlsruhe

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    Die Gruppe

    Siegfried Kühn (1895 bis 1972) war nach dem Umsturz des 20. Juli als Justizminister vorgesehen (Foto: Stadtarchiv)

    Der harte Kern umfasste fünf Personen. Alle hatten ihrer Gegnerschaft zum Nationalsozialimus unverhohlen Ausdruck gegeben. Alfred Ibach z.B. war Bevollmächtigter einer großen Bank, deren Leitung dem National-sozialismus huldigte. Er weigerte sich nicht nur, irgendeiner NS-Organisation beizutreten, sondern ließ auch seine Ablehnung des Nationalsozialismus deutlich erkennen. Dafür musste er vielfache Repressionen von der Firmenleitung hinnehmen. Erst unter Androhung der Entlassung ließ er sich als förderndes Mitglied der SS registrieren. Er erreichte aber, dass die Bank selbst seine Beiträge bezahlte.Dr. Siegfried Kühn war als Jurist degradiert worden, weil er sich wie Ibach weigerte, einer NS-Organisation beizutreten. Den Absichten, ihn als Richter in den besetzten Ostgebieten einzusetzen, widersetzte er sich ebenso. Er übernahm zahlreiche kirchliche Ehrenämter, von denen andere aus Angst vor Repressionen zurückgetreten waren.Wie auch Franz Sprauer und Karl Ramstein waren alle aus der Gruppe praktizierende Katholiken und hatten der Zentrums-Partei angehört, auch der Anwalt Reinhold Frank, um den sich die Gruppe bildete. Gegen die Gleichschaltung

    Für Frank war die Machtergreifung Hitlers Anlass gewesen, erstmals ein politisches Amt anzunehmen. Er versuchte als Stadtverordneter der rasch erfolgenden Gleichschaltung entgegen zu arbeiten, zunächst innerhalb des Zentrums, nach dessen Auflösung noch bis zum 6. März 1934 als zwangsgetaufter "Hospitant der NSDAP". Bereits aus der Zeit dieser Tätigkeit rührten die Kontakte zu Sprauer und Ramstein. Nachdem eine Einflußnahme auf parlamentarischem Weg unmöglich geworden war, wurde Franks anwaltliches Wirken zunehmend zum Schwerpunkt seiner Arbeit gegen das Unrechtsregime.

    Wider das Unrecht

    Gebäude der Kanzlei Honold/Frank in der Hoffstraße 2, Ecke ehemalige Westendstraße, heute Reinhold-Frank-Straße (Foto: Stadtarchiv)

    1924 war Frank, 28jährig, Sozius des renommierten Rechtsanwaltes Franz Xaver Honold geworden. Dessen Kanzlei befand sich in der Hoffstrasse 2, an der Ecke zur heutigen Reinhold-Frank-Strasse, ehemals Westendstraße, in unmittelbarer Nähe zum Oberlandesgericht. Das Gebäude im Burgenstil fiel 1944 der Bombardierung zum Opfer. Dadurch wurden auch wertvolle Zeugnisse seiner Tätigkeit vernichtet. War die Kanzlei zunächst eher auf Wirtschaftsrecht spezialisiert, wurde Frank mehr und mehr als Anwalt politisch, teilweise auch rassisch oder religiös Verfolgter tätig. Er ließ darin nicht nach, trotz Überwachung durch die Gestapo und obwohl er mehrfach zu Verhören geladen wurde.

    Für den 20. Juli

    Die Treffen der Gruppe um Reinhold Frank intensivierten sich in den Kriegsjahren, vor allem nach der ersten Kontaktaufnahme zu Carl Goerdeler Anfang 1943, einem der Männer, die das Attentat des 20. Juli 1944 und die Zeit nach einem erfolgreichen Umsturz planten. Den Kontakt hatte Eugen Bolz vermittelt, ehemals württembergischer Staatspräsident. Er wohnte unmittelbar vor Weihnachten 1943 unter dem Decknamen "Dr. Müller" für etwa 20 Tage bei der Familie Frank. Dies blieb unentdeckt. Frank gab es auch in den Verhören vor dem Volksgerichtshof nicht preis.Goerdeler überredete Frank, sich für den Fall des erfolgreichen Umsturzes zur Verfügung zu stellen. Frank wurde schließlich als politischer Unterbeauftragter für Baden vorgesehen.

    Für eine grundlegend demokratische Ordnung

    Bemerkenswert ist, dass Frank und seine Gruppe offenbar in mehreren Aspekten grundlegend demokratische Positionen gegenüber dem zentralen Kreis der Verschörer in Berlin zur Geltung brachten. Nach Sprauers Bericht für die Militärregierung am 31.7.45 machte Frank eine Bedingung für seine Mitwirkung: Er verlangte die Zusage, dass der Umsturz "die Wiederherstellung demokratischer Grundsätze zur Folge haben müsse". Auch das Militär habe somit seine für den Umsturz notwendigerweise wichtige Rolle wieder zu verlieren. Diese Zusage wurde ihm gegeben. Noch weitere Überzeugungsarbeit leistete Frank bei Goerdeler: Um die Freiheit zu sichern, müsse die 1933 zerstörte förderale Ordnung wieder hergestellt werden. Die Gruppe Frank bestand auch entgegen Goerdelers Absichten darauf, dass das Elsaß nach dem Umsturz nicht zwangsläufig weiter politisch zu Deutschland gehören sollte. Dessen Bevölkerung sollte darüber selbst abstimmen können.

    "Das werden Sie mir büßen"

    Reinhold Frank hatte seine anwaltliche Tätigkeit zugunsten Verfolgter verschiedentlich auch am Volksgerichtshof in Berlin auszuüben. Dort war er mehrfach vor dem berüchtigten Richter Roland Freisler gestanden, dem er bereits aufgefallen war. Frank äußerte gegenüber seiner Frau: "Wir hassen uns." Am entscheidenden 20. Juli 1944 begab sich eine folgenschwere Begegnung mit diesem demagogischen Unrechtsprecher. Frank vertrat eine elsässische Schauspielerin, der Hochverrat vorgeworfen wurde und für die die Todesstrafe beantragt war. Er erreichte für sie eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Angesichts der Bedrohung musste die Elsässerin dies als großartigen Erfolg erleben. Im Überschwang ihres Glücksgefühls fiel sie ihrem Anwalt um den Hals und rief höhnisch aus: "Diese sieben Jahre brauche ich nicht mehr abzusitzen". Freisler machte offenbar Frank persönlich für diesen Ausbruch verantwortlich. Er warf ihm ein wütendes "Das werden Sie mir büßen" zu.

    Die Gestapo als "gute Freunde"

    Noch auf der Heimfahrt von Berlin nach Karlsruhe erfuhr Frank vom mißglückten Attentat. Am Abend traf sich die Gruppe, um die Lage zu besprechen. Man rechnete nicht mit einer unmittelbar drohenden Verhaftung, da keiner der Gruppe direkt am Attentat beteiligt war. Frank hatte ein Visum für die Schweiz, wollte aber Karlsruhe nicht verlassen.In der folgenden Nacht wurden die Franks um 3:00 Uhr aus dem Bett geholt. "Gute Freunde" wollten Reinhold Frank sprechen, hieß es hinter der Haustür. Frank wurde verhaftet. Man hatte Listen mit den für die Zeit nach dem Umsturz vorgesehen politischen Beauftragten gefunden, so auch den Namen Franks. In Berlin-Plötzensee wurde Frank verhört. Über die Vehörmethoden haben wir nur mittelbare Kenntnisse durch seinen Zellennachbar Alfred Delp. Dieser wurde in seinen Verhören selbst schwer mißhandelt. Er berichtete, dass Frank kurz vor Weihnachten 1944 in elender körperlicher Verfassung sei. Dennoch blieben die anderen Mitglieder der Gruppe Frank zunächst unbehelligt. Offenbar war Frank nicht dazu zu bringen, irgendjemanden zu belasten.

    Freispruch gegen Todesurteil

    Reinhold Frank (1896 bis 1945) vor dem Volksgerichtshof in Berlin (Foto: Stadtarchiv)

    Am 12. Januar 1945 wurde Frank der Prozess gemacht unter Vorsitz von Roland Freisler. Im gleichen Pozess stand auch Albrecht Fischer vor dem Volksgerichtshof. Er hätte als Oberbeauftragter für den Wehrkreis V Reinhold Frank als Unterbeauftragten vorstehen sollen. Anders als Frank wurde er freigesprochen. Bei Frank sah Freisler wohl seine Stunde der Vergeltung gekommen. Trotz ähnlicher Sachlage wurde er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Demnach ist Frank nicht nur wegen seiner Beziehungen zu den Verantwortlichen des 20. Juli verurteilt worden. Er ließ sein Leben auch in unmittelbarem Zusamenhang mit seiner unbeirrten Verteidigung von Verfolgten. Alfred Delp klagte: "Ach was waren wir für Toren, als wir uns sachlich auf die Verhandlung vorbereiteten." Freislers Gesinnungsjustiz kann kaum deutlicher als durch seine Urteilsbegründung illustriert werden. Darin heißt es: "... Volk, Reich und Nationalsozialismus leben gleichlang, denn sie sind eins. Anders denken ist abartig."

    Todesanzeige unzulässig

    Symbolgrab für Reinhold Frank in seiner Geburtsgemeinde Bachhaupten (Foto: Gemeinde Bachhaupten)

    Gefängnisgeistliche durften die in Zusammenhang mit dem 20 Juli Inhaftierten offiziell nicht besuchen einem ausdrücklichen Verbot Hitlers zufolge. Dank der Bereitschaft einiger Gefängniswärter konnte der Priester Peter Buchholz dennoch zu Frank gelangen, Sakramente und Trost spenden und Nachrichten übermitteln. Am 23. Januar 1945 wurde Reinhold Frank hingerichtet. Ein Grab gibt es nicht. Die Familie erhielt die Todesnachricht von Pater Buchholz. Die einzige offizielle Nachricht zum Urteil und der Hinrichtung kam erst am 19. Februar, vier Wochen nach der Vollstreckung.

    Gedenktafel für Frank an der Kirche Bachhaupten (Foto: Gemeinde Bachhaupten)

    Im Wortlaut heißt es: "Der ehemalige Rechtsanwalt Reinhold Frank ist wegen Hoch- und Landesverrats vom Volksgerichtshof des Grossdeutschen Reichs zum Tode verurteilt worden. Das Urteil ist am 23. Januar vollstreckt worden. Die Veröffentlichung einer Todesanzeige ist unzulässig."

    Erinnerung

    Gedenkstein für Frank auf dem Karlsruher Hauptfriedhof (Foto: ka-news)

    Viele schriftlichen Zeugnisse zu Widerstandshandlungen sind vernichtet worden, durch Bombardierung, zum eigenen Schutz der Verfolgten oder durch die Verfolger. So sind auch die Akten zu Reinhold Franks Prozess vor dem Volksgerichtshof zum größten Teil nicht mehr vorhanden. Nach Möglichkeit wurden schriftliche Zeugnisse überhaupt vermieden, um sich und andere nicht in Gefahr zu bringen. Das gilt nicht nur für Reinhold Frank, sondern für alle Widerständigen. So mag es manche Beispiele von aktivem Widerstand geben, von denen wir nichts oder kaum etwas wissen. Um so wertvoller erscheinen die vorhandenen Zeugnisse.In seiner Rede zum 8. Mai sagte Richard von Weizsäcker 1985: "Erinnern heißt, eines Geschehens so ehrlich und rein zu gedenken, daß es zu einem Teil des eigenen Innern wird." Mögen wir uns an das Tun Reinhold Franks und anderer Aufrechten in diesem Sinn erinnern. (ruw)

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