Die Tour beginnt am Marktplatz. Frau Angermann steht in der Nähe des Rathauses mit Blick auf die Pyramide. "Es ist noch voller geworden hier", meint sie. "Ich erinnere mich noch daran, dass auf dem Marktplatz Autos gefahren sind, da gab es die Fußgängerzone noch nicht." Die vielen Menschen sind für sie allerdings zu viel Trubel. Sie selbst stammt aus Karlsruhe-Bulach und wohnt inzwischen auch wieder dort. "Da ist es nicht so stressig".
"Karlsruhe bietet alles was man braucht"
Weiter geht es in Richtung des Ettlinger Tor Einkaufszentrums, einer großen Veränderung im Stadtbild. "Das erinnert mich natürlich sehr an die USA, wo es überall die großen Malls (Einkaufszentren) gibt", sagt Birgit Angermann. Beim Friedrichsplatz gegenüber des Naturkundemuseums bleibt sie stehen. "Die Grünanlagen hier sind herrlich" meint sie. Die vielen grünen Flecken in der Stadt hat sie vermisst. Auch, dass man auf dem Friedrichsplatz im Winter Schlittschuh fahren kann, gefällt ihr sehr.
Warum sie die Heimat überhaupt in Richtung USA verlassen hat? Das war "die typische Geschichte", meint die Mittvierzigerin. Sie lernte einen in Karlsruhe stationierten US-Soldaten kennen und folgte ihm in die Vereinigten Staaten. Sie heirateten, bekamen zwei Kinder, lebten zuerst in Californien, später in Virginia. Nach der Trennung von ihrem Mann kehrte sie nun nach Karlsruhe zurück. Obwohl Angermann ihre Kinder und ihr Enkelkind sehr vermisst, denkt sie, dass die Entscheidung zur Rückkehr richtig war. "Karlsruhe bietet alles was man braucht", sagt sie.
Das "Kaufhaus Schneider" ist aus der Kaiserstraße verschwunden
Am Europaplatz zeigt die Heimgekehrte auf die große Uhr, die an der Hauswand der Postgalerie hängt. "Unter der Uhr, da habe ich mich jahrelang mit einer Freundin getroffen, das war immer unser Treffpunkt". Sie hofft, dass der Europaplatz auch in Zukunft wieder ein Treffpunkt sein kann. Momentan ist da eine große Baustelle, die Haltestelle verlegt. Mit der Kombilösung geht die Wieder-Karlsruherin hart ins Gericht: "Wahnsinn, was da für ein Geld reingesteckt wird". Besonders ärgert sie sich über den K. Infopavillion, der über die Kombilösung informieren soll. "In Karlsruhe gibt es doch schon genug öffentliche Begegnungszentren"
Die Kaiserstraße "hat sich kaum verändert", findet sie. "Dass einige Läden schließen und andere öffnen, war schon damals so". Dass ein bestimmtes Geschäft fehlt, fällt ihr aber gleich auf: "Das Kaufhaus Schneider, das war damals die Institution". Als sie die Fächerstadt verließ, gab es erst einen Burger King: "Das war natürlich eine Attraktion". In den USA hat sie derartige Fast-Food-Restaurants selten genutzt, lieber kochte sie Gerichte aus der Heimat, wie zum Beispiel Spätzle. "Da kamen dann auch immer viele Nachbarn vorbei". Vorurteile über die amerikanische Küche sind ihrer Meinung nach unbegründet: "Es stimmt zum Beispiel nicht, dass es keine regionale Küche gibt."
Straßenfeste und Chriskindlesmarkt - was in den USA fehlt
Vor der Ersatzhaltestelle "Europaplatz" zeigt Birgit Angermann auf den Boden. "Die Stolpersteine, die haben viele meiner Karlsruher Freunde nicht einmal bemerkt." Sie ist von den Steinen, die an die Opfer des Holocaust erinnern sollen, begeistert: "Gut, dass die Stadt darauf achtet". "Karlsruhe hatte eine große jüdische Gemeinde. Ich finde es wichtig, dass das nicht in Vergessenheit gerät." Zum Geburtstag hat die ehemalige US-Exilantin von ihrer Schwester eine Stadtführung geschenkt bekommen, die ihr sehr gut gefallen hat. Eine Stadtführung in Karlsruhe, das kann sie selbst gebürtigen Karlsruhern empfehlen.
Trotz der Tatsache, dass sie die Zeit in den USA sehr genossen hat, hat Angermann eine Sache während ihrer Zeit "drüben" sehr vermisst: Die Feste. "Die Deutschen haben einfach die Kunst erlernt, wie man feiert", ist sich Angermann sicher. In den USA sind die Leute allgemein lockerer, findet sie. In Deutschland dagegen brauche man die Feste, um mal gelassener zu sein. "Gott sei Dank" sind Straßen- und Stadtfeste erhalten geblieben. Und auch den Christkindlesmarkt hat sie "wahnsinng vermisst".
Mundartgeschichte "Widder dehoim" über die eigenen Erlebnisse
Das Schloss "hat sich nicht verändert", bemerkt Angermann. Sie erzählt von einem Freund aus den USA, der ihr nach einem Urlaub begeistert berichtete, er sei in Europa "am Schloss" gewesen. Auf die Frage, an welchem Schloss er denn gewesen sei, habe er verwundert mit: "Da gibt es mehrere?" geantwortet. Die Museumseintritte findet die Sachbearbeiterin in Karlsruhe mittlerweile "leider sehr teuer". In Washington seien die Eintritte für Museen kostenlos gewesen.
Über das Internetportal "wer-kennt-wen.de" hat Frau Angermann zurück in Karlsruhe alte Freunde wieder gefunden, von denen viele noch in der Fächerstadt wohnen. Einer Freundin aus den USA hat sie etwas deutsch beigebracht. Auch sie nutzt die Online-Community um ihre Deutschkenntnisse zu trainieren. Ihre Erlebnisse und Eindrücke aus dem Leben in den USA und der Rückkehr nach Karlsruhe hat die Heimkehrerin in einer Kurzgeschichte niedergeschrieben. "Widder Dehoim", heißt die Mundartgeschichte, mit der sie im nächsten Jahr an einem Wettbewerb eines badischen Mundartvereins teilnehmen will.