Vor 225 Jahren wurde Karl Drais geboren. Und hat angeblich dieses Frühjahr für Verstimmung gesorgt: zwischen Mannheim, dem Ort, an dem der Freiherr seine Erfindung - das erste Laufrad der Welt, die Draisine - in die Tat umsetzte. Und Karlsruhe, dem Ort, an dem dieser ältere der beiden Erfinder mit Namen Karl das Licht der Welt erblickte. "Kleine Irritationen gab es lediglich über die bundesweite Anzeigenkampagne, die das Land Baden-Württemberg gemeinsam mit der Stadt Karlsruhe unter dem Slogan 'Wir haben das Rad erfunden' geschaltet hat", lässt Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz nun gegenüber ka-news wissen.
Kleine Irritationen gab es auch schon im Jahr 2007, als an der damaligen Universität die "Carl Benz School of Engineering" ins Leben gerufen, und gleichzeitig von Dieter Zetsche, dem Chef der Daimler AG und einer Benz-Urenkelin die Carl-Benz Gedenktafel im Ehrenhof der Fridericiana enthüllt wurde. Zetsche, der es eigentlich wissen müsste - er hatte wie einst Carl Benz schon in Karlsruhe studiert - verlegte den Geburtsort des Automobilerfinders nach Mannheim. Was wiederum in Karlsruhe für Verstimmungen sorgte. Carl (Friedrich) Benz hatte - wie schon Drais - seine Wiege in Karlsruhe stehen. Er ist 1844 im Stadtteil Mühlburg zur Welt gekommen.
Tja, die Carls: Es ist - vielleicht nicht ganz zufällig - auch der Vorname von Karls-Ruhes Stadtgründer Carl Wilhelm, der nach 1715 ein Schloss im Hardtwald, und später eine Stadt erbaute. Der Erfinder des Laufrades Karl Drais, und der Erfinder des Automobils, Carl (Friedrich) Benz jedenfalls haben es den Karlsruhern und den Mannheimern angetan, und das nicht erst seit diesem Frühjahr. Mit Markgraf Carl Wilhelm, und spätestens Enkelsohn Karl Friedrich, Badens erstem Großherzog, zählte ja irgendwann zudem auch mal Mannheim zu Karlsruhes Einflussbereich.
Also quasi alles in der Familie? Michael Obert, echtes Karlsruher Urgestein, und seit zwei Jahren Baubürgermeister, lässt kein schlechtes Wort auf Karl Drais kommen: Karlsruhe berufe sich "nicht zu unrecht" darauf, die Welt auf Räder gestellt zu haben. Drais sei in Karlsruhe geboren, gestorben und begraben worden - und er habe auch "ganz überwiegend" in der Fächerstadt gelebt. Seine Draisine, so Obert gegenüber ka-news, habe er "1817 am Karlsruher Hof dem Zaren vorstellen dürfen". Und dann schlägt er den Bogen in die Gegenwart: "Im Radverkehr versuchen wir entscheidend nach vorne zu kommen und berufen uns dabei natürlich auch auf Drais."
225 Jahre Drais "nicht so spannend"?
Auch Mannheim zeigt seinen ganzen Stolz auf die beiden Carls: 2007 wurden dort zum Stadtjubiläum - die Quadratestadt erhielt 1607 erstmals Stadtprivilegien - historische Tafeln zur Bedeutung von Carl Benz und Karl Drais aufgestellt. Motto: "Stadtpunkte - Mannheimer Geschichte vor Ort". Im selben Jahr hatten sich auch die Mannheimer Daimlermitarbeiter neu an Carl Benz erinnert, als der schon genannte heutige Chef des Automobilkonzerns, Dieter Zetsche, den Namensteil Benz im gemeinsamen Firmennamen der einstigen Daimler-Benz AG endgültig streichen wollte. Nach ungeahntem öffentlichen Protest machte Zetsche Zugeständnisse: die Fabriken in Mannheim, Wörth und Rastatt wurden zu Mercedes-Benz-Werken.
Doch zurück zum Erfinder des Laufrades, Karl Freiherr von Drais. Karlsruhe hatte im Jahr 2010 eine aufwendige Ausstellung zum Leben und Wirken des Erfinders konzipiert - und offenbar auch im Vorfeld mal in Mannheim angeklopft. Der Chef des Karlsruher Stadtmarketings, Norbert Käthler, bekam dort offenkundig zu hören, in Mannheim empfände man 225 Jahre Drais "nicht so spannend".
In der Quadratestadt wollte man sich zunächst auf das Jahr 2017, dem Jubiläumsjahr der maßgebenden Erfindung, konzentrieren. 18 Aktionen insgesamt hatte Karlsruhe im Lauf des Jahres vorbereitet. Eine Sprecherin des Mannheimer Stadtmarketings bekundet, beide Städte - Karlsruhe und Mannheim - hätten ihr jeweils begründetes Interesse, die Erfinder "zu vermarkten". Rivalität möchte sie keine erkennen.
225 Radler mit dem Namen "Karl"
Den Geschäftsführern des Stadtmarketing in Karlsruhe und Mannheim kann man mangelnde Distanz, oder voreingenommenen lokalpatriotischen Blick nicht vorwerfen: Norbert Käthler stammt aus Bad Kreuznach, und war zuletzt im württembergischen Esslingen tätig. Der seit vergangenem November in Mannheim amtierende Johann Wagner ist gebürtiger Österreicher.
Mannheim besann sich später doch eines besseren. Zu Ehren ihres großen Zweirad-Erfinders eröffnete Mannheims Bürgermeister Lothar Quast am 12. Juni entlang der historischen Fahrtstrecke von 1817 - der ersten Erprobung des neuen Laufrades - die so genannte "Drais-Route". Für die Einweihung der neuen Route suchte die Stadt im 225-jährigen Geburtsjahr von Karl Drais 225 Radler, die den Namen "Karl" tragen - und warb dafür schließlich auch in Karlsruhe.
Auch Personen mit Namensvarianten wie "Karl-Heinz", "Karla" oder "Karl" als Zweit- oder Drittname waren aufgerufen, an der zirka 15 Kilometer langen Eröffnungsfahrt teilzunehmen. Nur ein Karl aus Karlsruhe fand sich in Mannheim nicht ein. Schon traditionell sind so genannte Draisinenrennen in Karlsruhe: die in diesem Jahr am 18. Juni starteten.
Karlsruhe und Mannheim wollen sich präsentieren
Die Verstimmung über die Aktion des Staatsministeriums (Ressort Landesmarketing) und der Stadt Karlsruhe mit großformatigen Anzeigen vergangenes Frühjahr, die in überregionalen Blättern vom "Spiegel" bis zur "Zeit" erschienen, ist auch in Mannheim längst verraucht: "Rivalitäten im engen Wortsinne gibt es keine", lässt Rathauschef Peter Kurz wissen, fügt aber hinzu, "als Landesaktion wäre hier eine Einbindung oder Erwähnung Mannheims sachlich sinnvoll gewesen". Zudem lobt Kurz nun das Karlsruher Trend-Thema "fahrradfreundliche Stadt".
Auch Karlsruhes Baudezernent Obert weiß nicht "warum Mannheim verschnupft sein könnte". Er sieht aber durchaus ein klein wenig Nachholbedarf beim Umgang mit Denkmälern von Karl Drais und Carl Benz in Karlsruhe selbst. 1963 wurden nach dem Umbau der Kriegsstraße die Büsten beider Erfinder in die Beiertheimer Allee verbannt. Michael Obert wörtlich: "Wir sollten wirklich darüber nachdenken, diese Denkmale wieder mehr ins Zentrum - auch im übertragenen Sinne - zu rücken".
Mit Carl Benz im Jahr 2011 soll sowieso alles besser werden. Mit dem Automobilsommer 2011 wollen sich Karlsruhe und Mannheim in einer breit angelegten Image-Initiative des Landes Baden-Württemberg gleich international vermarkten. Mit einer - wie bei Drais' 225. Geburtstag - nicht viel minder ungeraden Jahreszahl, dem 125. Jahrestag der Erfindung des Automobils im Jahr 1886, wollen sich die beiden Lebens- und Wirkungsstätten von Carl Benz präsentieren.
"Genug Ruhm für beide Städte"
Der miteingebundene Geschäftsführer der Tourismus Marketing Baden-Württemberg (TMBW), Andreas Braun, lässt sich von etwaigen Spannungen der beiden "Vaterstädte" von Karl Drais und Carl Benz jedenfalls nicht beeindrucken: "Ich denke, es bleibt genug Ruhm für beide Städte. Die TMBW hat keine Aktien und keine Präferenzen", lässt er mit einem verschmitzten Augenzwinkern wissen. Beide Städte würden im Rahmen des Automobilsommers große Events planen. "Man hat sich vor allem für auto-symphonic entschieden. Rivalitäten sind immer da, sollten aber auch nicht überbewertet werden", sagt Andreas Braun.
"Für viele gilt Mannheim als Wiege der modernen Mobilität", hatte Mannheims Oberbürgermeister ka-news auf Anfrage mitgeteilt. Das klingt ja auch schon nahezu identisch mit dem Satz "Karlsruhe hat die Welt auf Räder gestellt", den Karlsruhes Bürgermeister Michael Obert ganz vorne auf der Zunge trägt. Also: Prost Carl! Oder doch: Prost Karl?