Das zuständige Ministerium für Arbeit und Soziales hat in seiner Antwort im Dezember 2007 bestätigt, dass von 37 baden-württembergischen Rettungsdienstbereichen in den Jahren 2003 bis 2006 maximal 17 Rettungsdienstbereiche die gesetzlich geforderte Hilfsfrist von maximal 15 Minuten eingehalten haben. „Der Rettungsdienstbereich Karlsruhe gehört laut dieser Aufstellung zu den Rettungsdienstbereichen, welche in dieser Zeit die Hilfsfrist am wenigsten eingehalten haben, auch wenn dies von Seiten des DRK in der Öffentlichkeit anders dargestellt wird“, zeigt sich der Informant empört.
Bei einem Blick in das Landesrettungsdienstgesetz von Baden-Württemberg wird deutlich, dass die Zeit vom Eingang der Notfallmeldung in der Rettungsleitstelle bis zum Eintreffen der Hilfe am Notfallort an Straßen (Hilfsfrist) aus notfallmedizinischen Gründen möglichst nicht mehr als zehn, höchstens 15 Minuten betragen soll. Die Vorgaben zur Einhaltung der Hilfsfrist sind erfüllt, wenn sie in 95 Prozent aller Einsätze im Zeitraum eines Jahres im gesamten Rettungsdienstbereich eingehalten wird. In der Statistik hatte Karlsruhe im Jahr 2003 eine Einhaltung der Hilfsfrist von 90,6 Prozent, im Jahr 2004 von 90,8 Prozent, im Jahr 2005 von 89,5 Prozent und im Jahr 2006 von 89 Prozent.
Ministerium für Arbeit und Soziales hat sich eingeschaltet
„Begründet liegt das wohl hauptsächlich im System, in welchem im Stadt- und Landkreis Karlsruhe der Rettungsdienst betrieben wird. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Mehrzweckfahrzeugsystem, das bedeutet, Rettungswagen führen sowohl Einsätze der Kategorie Notfallrettung mit Hilfsfrist, als auch Einsätze der Kategorie Krankentransport ohne Hilfsfrist durch“, so der ka-news-Leser. Aufgrund der in den vergangenen Jahren stetig gestiegenen Einsatzzahlen bei gleich bleibender Anzahl an Einsatzfahrzeugen komme es daher regelmäßig dazu, dass Fahrzeuge der Notfallrettung mit Krankentransporten belegt würden und nicht für Notfalleinsätze zur Verfügung stünden. „Das ist insbesondere im Landkreis und auch in den Nachtstunden, wenn insgesamt weniger Fahrzeuge im Einsatz sind, ein Problem.“
Das Ministerium für Arbeit und Soziales habe sich mittlerweile eingeschaltet und die Rettungsdienstbereiche aufgefordert, umgehend Maßnahmen zur Einhaltung der gesetzlich geforderten Hilfsfrist einzuleiten. „Viele Rettungsdienste haben darauf reagiert, auch im Bereich Karlsruhe sind inzwischen zusätzliche Krankentransportfahrzeuge in Dienst gestellt worden, welche aber offensichtlich noch nicht ausreichend sind. Nach wie vor sind regelmäßig Fahrzeuge der Notfallrettung mit Krankentransporten belegt“, so der Informant weiter.
Die beschriebenen Notfallhilfen seien eine tolle Sache, hätten aber den Nachteil, dass sie nicht immer zur Verfügung stünden, unterschiedliche Ausbildungsstufen und Ausstattungen hätten und nicht in die Berechnung der Hilfsfristen mit eingerechnet werden dürften. „Sie gehören nicht zum professionellen Rettungsdienst; lediglich Fahrzeuge des Rettungsdienstes, also Rettungswagen, Notarzteinsatzfahrzeuge und Rettungshubschrauber, können die Hilfsfrist erfüllen.“
Relativierung der Zahlen seitens des DRK Karlsruhe
Der Kreisgeschäftsführer des DRK, Jörg Biermann, relativiert die bemängelten Zahlen gegenüber ka-news. Mittlerweile gebe es einen standardisierten Fragekatalog vom Landesministerium, was zeitrelavante Einsätze sind und hier würde das DRK Karlsruhe bei der Hilfsfrist bei über 95 Prozent liegen. Zuvor hätten die Rettungsdienstbereiche unterschiedliche Bemessungen gemeldet. "In der vom Leser bemängelten Statistik sind auch Einsätze eingeflossen, bei denen wir in die Pfalz oder den Rhein-Neckar-Raum berufen worden sind, weil die Rettungsdienstfahrzeuge vor Ort alle anderweitig besetzt waren. Hierdurch ergeben sich automatisch längere Anfahrtszeiten. Andere Rettungsdienstbereiche haben solche Einsätze erst gar nicht in der Statistik erwähnt."
Außerdem seien in die Statistik auch Einsätze eingerechnet worden, bei denen ein Rettungsfahrzeug während einer Operation gerufen wurde, obwohl sich diese zeitlich verzögert habe und der Transport dementsprechend erst später stattfinden konnte. Ganz wichtig sei es, die Unfallmeldung immer exakt abzugeben. "Mit Grausen sehe ich unter anderem bei Fernsehsendungen, wie bei einem Unfall ein Krankenwagen und kein Rettungswagen angefordert wird. Ein Krankenwagen ist teilweise ein VW-Bus mit einer Trage drauf, der nicht für den Rettungsdienst ausgerüstet ist. Es ist daher immer wichtig, ein richtiges Meldungsbild abzugeben und genau zu erklären, was vor Ort passiert ist", so Biermann.
Über 70 Ortsverbände leisten ehrenamtliche Arbeit
Es sei auch schon vorgekommen, dass Arzthelferinnen bei einem Herzinfarktpatienten einen normalen Krankenwagen angefordert hätten und sich überhaupt nicht der Tragweite bewusst gewesen seien. Ein Krankenwagen könne abgezogen werden, wenn der andere Einsatz dringender sei. Außerdem würden manche Anrufer absichtlich keine detaillierte Unfallmeldung abgeben, da sie nicht wollten, dass das Rettungsfahrzeug mit Blaulicht einfährt - aus Angst, dass die Nachbarn schauen könnten. "Im Raum Karlsruhe haben wir uns dazu entschlossen, das Mehrzweckfahrzeugsystem zu benutzen, da sich sonst das Problem der Auslastung ergibt. Wir müssten dann die Anzahl der Rettungsfahrzeuge und deren Ausstattung reduzieren, da mehr Krankentransporte benötigt werden. Ein reiner Rettungswagen besitzt nicht die Ausstattung eines Krankenwagens und umgekehrt", erklärt Biermann. Durch das Mehrzweckfahrzeugsystem könne flexibler gehandelt werden.
"In Raum Karlsruhe kommt bei einem Notruf auch immer das Fahrzeug, das gerade am nächsten zum gerufenen Ort ist. Wir haben hier keine Konkurrenz zum ASB, ProMedic oder anderen Organisationen. Wenn von denen einer näher am Ort ist, fährt von denen auch einer hin." Im Stadt- und Landkreis Karlsruhe gibt es außerdem über 70 Ortsverbände, die ehrenamtlich Notfallhilfe leisten. "Diese werden neben dem Einsatzwagen zusätzlich zu dem Unfallort gerufen und sind meistens auch eher da. Hierbei handelt es sich dann immer um den ortsnahen Verband. Wir sind hier bundesweit führend. In den Ortsverbänden gibt es im Stadt- und Landkreis Karlsruhe zwischen 700 und 800 ehrenamtliche Notfallhelfer." So habe sich durch diese Helfer die Überlebenschance beispielsweise bei Herzinfarktpatienten versechsfacht.
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