"Das war für uns ein Schlag ins Gesicht", beschreibt Thorsten Beller, Leiter des Auskunfts- und Beratungszentrums des Kreiswehrersatzamtes Karlsruhe, die Situation.
Zu den Hauptaufgaben der Mitarbeiter des Kreiswehrersatzamt (KWEA) zählte bisher die Musterung der Wehrpflichtigen - also eine Untersuchung der körperlichen und geistigen Eignung eines Menschen für den Wehrdienst. Diese fällt mit dem Aussetzen der Wehrpflicht nun weg. Die rund 120 Mitarbeiter des KWEA werden daher zukünftig wesentlich weniger zu tun haben.
Wie viele Kreisewehrersatzämter müssen schließen?
Das Bundeskabinett hatte am 15. Dezember 2010 zwei Gesetzentwürfe beschlossen, mit denen die 1957 eingeführte Wehrpflicht und als Folge auch der Zivildienst ausgesetzt werden soll. Bereits zum nächsten Einberufungstermin am 1. März werden nur noch Freiwillige eingestellt.
Zwar zählt zu den Aufgaben der Kreiswehrersatzämter auch der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, bei dem es unter anderem darum geht, den Wiedereinstieg von Zeitsoldaten ins zivile Berufsleben zu unterstützen. Und auch in Zukunft müssen die Kandidaten für den geplanten Freiwilligendienst in der Bundeswehr gemustert werden - Verteidigungsminister Karl-Theoder zu Guttenberg will für diesen Dienst 7.500 bis 15.000 junge Leute im Jahr anwerben. Dennoch erwartet Musterungsexperte Beller heftige Auswirkungen auf die Personalstruktur der Ämter und rechnet sogar mit Schließungen.
Dies berichtete auch das Westfalen-Blatt am Donnerstag unter Berufung auf Bundeswehrkreise. Mindestens 42 der bundesweit 52 Ämter, die unter anderem für die Musterung der Wehrpflichtigen zuständig sind, würden zugemacht.
Wird das Nachwuchsproblem verstärkt?
Seit bekannt ist, dass die Wehrpflicht und damit die Einberufung ausgesetzt wird, haben sich weniger junge Männer dazu bereit erklärt den Wehrdienst zu absolvieren. "Es ist eine Tendenz erkennbar gewesen", so Beller. Diese Entwicklung stehe auch im Zusammenhang damit, dass das Bundesamt für Zivildienst (BAZ) seit dem 1. Januar nur noch Zivildienstleistende auf freiwilliger Basis einstelle. Viele Wehrpflichtige hätten daher durch die Verweigerung eine Chance gesehen, überhaupt keinen Dienst absolvieren zu müssen.
Im Zuständigkeitsbereich des Kreiswehrersatzamtes Karlsruhe haben am Montag die letzten 234 Wehrdienstleistende der Region den Dienst an der Waffe angetreten. Sie werden bis Ende Juni bei der Bundeswehr ausgebildet. Weitere 80 Personen haben sich freiwillig für einen Zeitraum von sieben bis 23 Monaten verpflichtet.
Da mit der Musterung der Wehrpflichtigen nun ein Hauptteil der Arbeit in den Kreiswehrersatzämtern wegfällt, werden die Ämter zukünftig vermehrt für den Freiwilligendienst werben. Dennoch befürchtet Beller ein Nachwuchsproblem bei der Bundeswehr. Es sei gut möglich, dass sich für den Dienst nicht mehr so viele Freiwillige melden würden. Auch bestünde die Gefahr, dass sich diejenigen meldeten, die man eigentlich gar nicht so gerne bei den Streitkräften sehe.
"Ich fand das bisherige Wehrpflichtmodell ganz gut", so Beller. Das Modell habe eine gemischte Armee zur Folge gehabt, in der alle Bildungsschichten vertreten waren. Die Gefahr bestünde, dass dies nun nicht mehr so sei. Beller warnt vor einem Szenario wie in Großbritannien. Hier würden Häftlingen Haftverkürzungen versprochen, wenn sie sich der Armee verpflichten.
Ungewisse Zukunft für Zivildienstschule in Karlsruhe
Doch nicht nur das Kreiswehrersatzamt bangt um seine Zukunft, auch die Zivildienstschule in Karlsruhe sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Die Zivildienstschule Karlsruhe wurde 1985 eröffnet und bietet 180 Zivildienstleistenden Platz. Die Zivis sollen hier in Seminaren und Lehrgängen politisch geschult und auf ihre Tätigkeiten vorbereitet werden. Doch anstelle des Zivildienstes soll es künftig einen Bundesfreiwilligen Dienst geben. Was passiert dann mit der Zivildienstschule in Karlsruhe?
Die Regierung will rund 35.000 Männer und Frauen pro Jahr die Möglichkeit zur gemeinnützigen Arbeit bieten. Der Einsatz soll in der Regel zwölf Monate dauern, mindestens Sees und höchstens 24 Monate. Weiterhin rechnet die Bundesregierung mit etwa 35.000 jungen Menschen, die sich dazu bereit erklären ein Freiwilliges Soziales Jahr oder Freiwilliges Ökologisches Jahr zu absolvieren. Die Freiwilligen sollen weiterhin an Seminare zur politischen Bildung teilnehmen. Wie viele Personen das letztlich betrifft und wie viel Kapazitäten in der Zivildienstschule zukünftig benötigt werden, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht prognostizieren, so eine Sprecherin des Bundesamts für Zivildienst.
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