Ein Freitagvormittag im November vor dem Eingang des Friedrich-List-Gymnasiums in Karlsruhe. Bewaffnet mit knallorangenen Warnwesten, Müllsäcken und Greifzangen haben Gabriele Berblinger und ihre Begleiter eine Mission: Auf dem Boden liegenden Zigarettenstummeln den Kampf ansagen. Auch das verregnete Wetter hält sie davon nicht ab.
Schnell kommt viel Müll zusammen
Schon nach kurzer Zeit bekommt die achtköpfige Gruppe so einiges an Ausbeute zusammen: "Ich kann gar nicht so viel zählen, wie ich hier aufhebe", sagt Renate Krogmeier-Vieten, während sie sich durch das nasse Laub sucht.
Sie räumt in ihrer Nachbarschaft freiwillig den Müll von der Straße und hat sich dieses Jahr Gabriele Berblinger angeschlossen. Zusammen mit anderen Ehrenamtlichen ist Berblinger beim Netzwerk Natur Bergdörfer aktiv.
Monatliche Sammelaktionen - und über die Bergdörfer hinaus
Im Jahr 2019 hat Berblinger sich als Sauberkeitspatin für Gruppen beim damaligen Amt für Abfallwirtschaft (AfA) angemeldet. Seit dem 1. Januar ist aus dem Amt der Eigenbetrieb Team Sauberes Karlsruhe (TSK) entstanden. Von ihm bekommen die engagierten Karlsruherinnen auch ihre Ausrüstung für die Aufräum-Tour gestellt.

"Wir versuchen immer neue Mitstreiter zu finden", so Berblinger. "Das Thema Müll ist nicht leicht, aber ich bin froh, dass mittlerweile in allen fünf Bergdörfern monatlich eine Müllsammlung stattfinden kann."

Ab und an führen Gabi und ihr Team auch größere Sammelaktionen in Karlsruhe durch. Genügen tut ihnen das jedoch nicht: "Wir wollen vor allem gesehen werden, aufklären und das Bewusstsein positiv verändern."

"Dafür stehen wir mit allen Ortsverwaltungen in Kontakt und hatten auch schon kleine Erfolge", erzählt sie stolz. "Auch mit der Umweltbürgermeisterin Bettina Lisbach hatten wir ein langes Gespräch und haben dabei unser Anliegen und viele Impulse vorgebracht."
Kippenstummel verursachen immensen Schaden
Der Fokus liegt auf den Zigarettenstummeln: "Einmal klärte ich meine Mitsammlerinnen auf, dass Kippen besonders lästig sind und es müßig ist, sie zu sammeln", so Berblinger. "Sie liegen überall."

Doch nicht nur das: Nach nur einer halben Stunde im Regen seien die Hälfte ihrer zirka 7.000 teilweise krebserregenden Gifte ausgewaschen. So gelangen sie durch den Boden in das Oberflächenwasser, Bäche, Flüsse und das Meer. "Eine Kippe in einem Liter Wasser tötet innerhalb von vier Tagen einen Fisch", veranschaulicht sie.
Die Filter der Zigaretten bestehen aus unzähligen Zelluloseacetat-Fasern, einer Kunststoffart, die sich beim Verfall immer mehr verkleinern und so weitläufig verteilen. "Das kann man nicht mehr aufsammeln", so Berblinger.

Und auch horrende Kosten werden durch das achtlose Wegwerfen verursacht, die für die aufwändige Reinigung ausgegeben werden müssen: 225 Millionen Euro sind es in Deutschland jedes Jahr.
Irene Seyfried-Wilhelm, ebenfalls Sauberkeitspatin, fügt hinzu: "Die Sache ist ein großes Problem. Das Wegwerfen ist ja sogar strafbar, in Baden-Württemberg kann das bis zu 250 Euro Bußgeld kosten. Interessieren tut das leider nur wenige. und kontrolliert wird es auch zu selten."

In den (richtigen) Behälter, statt daneben
Seyfried-Wilhelm kritisiert jedoch nicht nur das Verhalten der Bürger, sondern auch, dass die Stadt nicht die richtigen Behältnisse zur Verfügung stellt. "Sie sind nicht wassergeschützt, bei Regen fließen die ganzen schädlichen Stoffe einfach durch."
Die Offene Jugendwerkstatt e.V. aus Grünwettersbach baute daraufhin etwa 100 Aschenbecher aus Metalltennisballdosen, mit denen Gabi Berblinger und die anderen Sauberkeitspatinnen mittlerweile das städtische Gebiet ausstatten. Auch auf das Fest fanden die Behältnisse diesen Sommer einen temporären Platz.

Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung
Um mehr zu sensibilisieren, bieten die Sauberkeitspatinnen Schulpräsentationen ab der neunten Klasse an. "Im Oktober waren wir im Helmholtz-Gymnasium, mit anschließender Sammel-Aktion. Hier an der Friedrich-List-Schule wollen wir auch bald einen Vortrag halten", erzählt Berblinger.
"Gerade bei jungen Leuten ist häufig wenig Achtsamkeit vorhanden", merkt Seyfried-Wilhelm an. "Wir wollen uns mit dem was wir tun jedoch nicht hinstellen und kritisieren, sondern den Leuten aufzeigen, wie sie es besser machen können."

"Man kann die Raucher natürlich nicht daran hindern zu rauchen", betont Berblinger, "Aber es wäre wichtig, dass sie die bereitgestellten Behältnisse für ihre Kippen auch nutzen und ihre Zigaretten richtig entsorgen."
Was viele nämlich gar nicht wissen: Kippenstummel gehören in den Restmüll. Am sinnvollsten seien Taschenaschenbecher. Diese verteilt das Team bei ihren Touren an die Leute, Gabriele Berblinger legt sie auch direkt in Zigarettenautomaten hinein. Ihr Tipp: "Auf der Webseite des BVTE kann man Taschenaschenbecher auch gratis anfordern."
Kleine Botschaften, große Wirkung
Weiter sagt sie: "An Bänken hinterlasse ich auch oft welche, mit einem kleinen Infozettel zur Schädlichkeit von Kippen. Wir schreiben auch mit Kreide in trockenen Wetterphasen Statements auf den Boden oder neben Gullis."

"Wenn man im direkten Austausch freundlich auf die Menschen zugeht, nehmen sie auch besser auf, was man ihnen zu sagen hat", ist sie der Meinung. "Natürlich stößt man auch manchmal auf genervte oder wütende Leute, wir haben aber auch schon viel Zuspruch bekommen."

Berblinger möchte ihre Botschaft weiter streuen und geht daher außerdem aktiv auf Firmen zu, bei denen ihr auffällt, dass dort viele Kippen liegen. Doch auch generell versucht sie, größere Organisationen zur Bewusstseinsbildung zu motivieren, wie den Karlsruher Zoo im Hinblick auf Artenschutz oder das Städtische Klinikum in Sachen Raucherentwöhnung.

Die Bewegung soll wachsen
Ein Stadtmarketing sei ebenfalls geplant, sowie einige weitere Aktionen im nächsten Jahr. "Zum Weltnichtrauchertag 2024 am 31. Mai wollen wir am Samstag, den 1. Juni von 10 - 12 Uhr eine große Kippensammlung in Karlsruhe, Treffpunkt beim Friedrichdenkmal, veranstalten", kündigt Berblinger an.
Zum Ende der Aktionen wird alles an Müll, der gesammelt wurde, gewogen. Stolze 4 Kilogramm Zigarettenkippen konnten vor der Friedrich-List-Schule weggeräumt werden.

Renate Krogmeier-Vieten zeigt sich optimistisch: "Manche sagen vielleicht, das sei alles ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber 1000 Tropfen machen auch was aus, oder? Man muss nur das Ziel konsequent verfolgen!"

"Es ist schön, dass sich unter uns Gleichgesinnte zusammengefunden haben, die etwas verändern wollen. In einer Whatsapp-Gruppe geben wir immer unsere nächsten Treffen bekannt, und jeder der möchte, kann kommen." Ihr Wunsch: "Vielleicht gibt es ja neue Leute, die sich mit uns vernetzen wollen."