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Halle/Karlsruhe: Was hatte der Halle-Attentäter geplant? Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gibt weitere Informationen heraus

Halle/Karlsruhe

Was hatte der Halle-Attentäter geplant? Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gibt weitere Informationen heraus

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    Polizisten geleiten Stephan B. zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
    Polizisten geleiten Stephan B. zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Foto: Uli Deck/dpa

    Nach dem Terrorangriff auf eine Synagoge in Halle sitzt der mutmaßliche Todesschütze in Untersuchungshaft. In der Partnerstadt Karlsruhe ist die Bestürzung groß. Vor der jüdischen Kultusgemeinde in der Fächerstadt wurde am Donnerstagabend eine Mahnwache abgehalten. Parallel dazu befand sich der Attentäter in Karlsruhe vor dem höchsten deutschen Gericht. 

    Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe erließ am Donnerstagabend Haftbefehl gegen den 27-jährigen Deutschen Stephan B. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm zweifachen Mord und versuchten Mord in mehreren Fällen vor. Nach Einschätzung der Ermittler wollte der mutmaßliche Attentäter ein Massaker anrichten und Nachahmer zu ähnlichen rechtsextremistischen und antisemitischen Taten anstiften. Es bleiben jedoch viele Fragen.

    War der Beschuldigte Teil einer rechtsterroristischen Vereinigung?

    Im Fokus steht dabei, "ob Personen in die Vorbereitung oder Durchführung des Anschlags eingebunden waren oder im Vorfeld Kenntnis hiervon hatten", wie die Bundesanwaltschaft am Donnerstagabend erklärte. Bisher fehlten "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" dafür, dass der Beschuldigte an eine rechtsterroristische Vereinigung angebunden gewesen sei oder ein sonstiger Zusammenhang mit einer solchen Vereinigung bestehe. Die Ermittlungsbehörden sprechen bislang von einem Einzeltäter. Am Donnerstagabend erklärte das Bundeskriminalamt, dass es die Ermittlungen übernommen habe.

    Ein Beamter der Spurensicherung untersucht das Loch in einem Fenster in einem Haus gegenüber der Synagoge.
    Ein Beamter der Spurensicherung untersucht das Loch in einem Fenster in einem Haus gegenüber der Synagoge. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

    Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, kritisierte den Begriff "Einzeltäter". Damit werde seit Jahrzehnten versucht, die Öffentlichkeit nach rechten Anschlägen zu beruhigen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Opferberatungen machten schon lange "auf die rechten Netzwerke und den braunen Sumpf aufmerksam, aus dem all die Täter kamen". Rechte Gewalt sei nicht zu trennen von rechter Ideologie und deren gesellschaftlicher Verbreitung. "Wie viele Einzeltäter sollen denn noch ihr Unwesen treiben, bevor endlich die Einzeltäterthese beerdigt wird?", fragte Korte.

    51 Menschen befanden sich in der Synagoge

    Stephan B. war am Mittwoch festgenommen worden, nachdem vor der Synagoge eine 40-Jährige aus Halle und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss ein 20 Jahre alter Mann aus Merseburg erschossen worden waren. Zuvor hatte der Täter vergeblich versucht, die Synagoge mit Waffengewalt zu stürmen. 51 Menschen hielten sich zu dem Zeitpunkt in dem Gotteshaus auf und feierten das wichtigste jüdische Fest, Jom Kippur . Auf der Flucht verletzte der Täter zudem eine 40 Jahre alte Frau und deren 41 Jahre alten Mann mit Schüssen. Das Paar wird im Krankenhaus behandelt.

    Ein blaues Herz mit der Aufschrift «Unsere Herzen sind mit euch» liegt vor der Mauer der Synagoge zwischen Kerzen und Blumen.
    Ein blaues Herz mit der Aufschrift «Unsere Herzen sind mit euch» liegt vor der Mauer der Synagoge zwischen Kerzen und Blumen. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

    Ein Bekennervideo in sozialen Netzwerken zeigt den Ablauf der Tat aus der Perspektive des Attentäters - von der vergeblichen Erstürmung der Synagoge über die tödlichen Schüsse bis zur Flucht. Das Video diente den Ermittlern auch zur Rekonstruktion des Ablaufs der Tat. Zudem legte der Täter in einem elf Seiten langen "Manifest" seine Gedanken dar. Der Text liest sich stellenweise wie die Anleitung zu einem Computerspiel, in dem Dokument wimmelt es vor antisemitischen Begriffen.

    Bei dem Angriff führte der Täter nach Angaben von Generalbundesanwalt Peter Frank vier Schusswaffen mit sich. Es sei zumindest eine vollautomatische Schusswaffe dabei gewesen, zudem habe er auf der Fahrt zur Synagoge mehrere Sprengsätze im Auto gehabt. In Speziallaboren werde nun untersucht, um was für Chemikalien es sich handele, hieß es aus Sicherheitskreisen. Geklärt werden soll auch, ob der Sprengstoff selbst zusammengerührt wurde und woher etwaige Kenntnisse dafür stammen.

    Waffen aus dem 3D-Drucker?

    Unklar ist bislang auch, woher die Einzelteile stammen, aus denen der mutmaßliche Täter die Waffen zusammenbaute. Nach einem Bericht des ZDF-Magazins "Frontal 21" soll er bei seiner Tat auch Waffen bei sich getragen haben, die teilweise mit 3D-Druckern hergestellt worden waren. Dafür gab es zunächst keine Bestätigung.

    In mehreren Städten, wie hier in Dresden, gab es Mahnwachen und Solidaritätsbekundungen.
    In mehreren Städten, wie hier in Dresden, gab es Mahnwachen und Solidaritätsbekundungen. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

    Der mutmaßliche Attentäter war nach Angaben der Sicherheitsbehörden zuvor nicht mit anderen kriminellen Handlungen aufgefallen. Obwohl bekannt sei, dass es in Deutschland rund 24 000 Rechtsextremisten gebe und etwa die Hälfte davon gewaltbereit sei, habe ihn offenbar kein Sicherheitsorgan "im Rahmen des normalen Systems" auf dem Schirm gehabt, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner".

    Um ähnliche Fälle künftig ausschließen zu können, brauche es neue Techniken, mehr internationale Zusammenarbeit und eine Überprüfung des eigenen Rechtsrahmens "im Sinne von Effektivität". Bürgerrechte dürften dafür aber nicht infrage gestellt werden.

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