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Holocaust: Auf der Wannseekonferenz planten Nazis die Juden-Vernichtung

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Von Ghettos zum Holocaust: Vor 83 Jahren planten Nazis "die Endlösung der Judenfrage"

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    Innenminister Thomas Strobl mahnt: Unfassbares Leid niemals vergessen
    Innenminister Thomas Strobl mahnt: Unfassbares Leid niemals vergessen Foto: Carsten Koall/dpa

    Vorbereitung der Konferenz

    Die Wannseekonferenz ist eine 90-minütige Besprechung, bei der hochrangige NS-Funktionäre kaltblütig über das Schicksal der jüdischen Bevölkerung in Europa entscheiden und verfassen, was in der Welt als "die Endlösung der Judenfrage" bekannt wird.

    Organisiert und geführt wird die Konferenz von Reinhard Heydrich, dem 37-jährigen Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, dessen Ziel es ist, sicherzustellen, dass alle Ministerien und Parteiorganisationen die Maßnahmen einleiten und miteinander kooperieren.

    "Gesamtlösung der Judenfrage"

    Viele der Teilnehmer verfügen über eine höhere Bildung und kommen aus kultivierten Kreisen. Das Durchschnittsalter ist Anfang 40. Heydrich ist auch Leiter der Reichszentrale für jüdische Auswanderung. Seit 1933 haben die Nationalsozialisten die Rechte jüdischer Bürger in Deutschland eingeschränkt, mit der Absicht, sie zum Verlassen des Landes zu zwingen.

    ür Wannsee villa – front): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Frontansicht – Privatsammlung Charlotte Pearce
    ür Wannsee villa – front): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Frontansicht – Privatsammlung Charlotte Pearce Foto: - (für Wannsee villa – front): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Frontansicht – Privatsammlung Charlotte Pearce

    Viele sind tatsächlich ausgewandert, aber der Plan kommt trotz Heydrichs Maßnahmen zur Beschleunigung des Auswanderungsprozesses zu langsam voran. Aus diesem Grund beauftragt Hermann Göring Heydrich im Juli 1941, alle Vorbereitungen für eine "Gesamtlösung der Judenfrage" in Europa zu treffen.

    Die Entscheidungen, die zum Holocaust führen, fallen wahrscheinlich bereits im Herbst 1941. Die Wannseekonferenz wird ursprünglich am 9. Dezember 1941 geplant – der Termin wird jedoch wegen Offensiven im Osten und des Angriffs auf Pearl Harbor verschoben und auf den 20. Januar 1942 neu angesetzt.

    Konferenzteilnehmer

    Reinhard Heydrich lädt 14 höchstrangige Beamten aus verschiedenen Ämtern und Ministerien in Berlin, dem Generalgouvernement (den früheren polnischen Gebieten) und den besetzten Ostgebieten ein: Dr. Josef Bühler aus Württemberg ist Staatssekretär bei der Verwaltung des Generalgouvernements.

    Blick auf die Synagoge in Halle. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat der AfD vorgeworfen, Stimmung gegen Juden zu machen.
    Blick auf die Synagoge in Halle. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat der AfD vorgeworfen, Stimmung gegen Juden zu machen. Foto: Hendrik Schmidt/dpa

    Er möchte mit den Maßnahmen der Endlösung im Generalgouvernement beginnen, weil es hier keine "Transportprobleme" gibt und um die "Judenfrage in dem Gebiet so schnell wie möglich zu lösen". Adolf Eichmann, der unter Heydrich arbeitet, fasst das Konferenzprotokoll zusammen. Staatssekretär Dr. Roland Freisler ist Richter und Politiker und Otto Hofmann, Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamts, ist für die offizielle Rassenprüfung in den östlichen Gebieten verantwortlich.

    Zuständig für Rasse- und Volkstumsfragen ist Dr. Gerhard Klopfer und Ministerialdirektor Wilhelm Kritzinger arbeitet in der Reichskanzlei, unter anderem an den Gesetzen, die Rechte von Juden einschränken und ihr Vermögen vor der Deportation einziehen. Gestapo-Beamter Dr. Rudolf Lange ist an der Tätigkeit der Einsatzgruppen beteiligt und Dr. Georg Leibbrandt ist zuständig für die Abteilungen Politik, Presse und Kultur.

    (für Wannsee conference room): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Konferenzzimmer – Privatsammlung Charlotte Pearce)
    (für Wannsee conference room): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Konferenzzimmer – Privatsammlung Charlotte Pearce) Foto: (für Wannsee conference room): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Konferenzzimmer – Privatsammlung Charlotte Pearce)

    Der Zuständige für Judenangelegenheiten und Rassenpolitik im Auswärtigen Amt, Martin Luther, ist auch dabei. Staatssekretär Dr. Alfred Meyer wird zur Konferenz eingeladen, weil der Mord an den Juden durch die Einsatzgruppen bereits im Verwaltungsgebiet seines Ministeriums angefangen hat. Leiter der Gestapo Heinrich Müller und Erich Neumann, der verschiedene Ministerien vertritt, kommen auch dazu.

    Dr. Eberhard Schöngarth ist an allen Unterdrückungs- und Vernichtungsmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung im besetzten Polen beteiligt. Dr. Wilhelm Stuckart ist an der Ausarbeitung aller grundlegenden Gesetze und Verordnungen gegen die im Deutschen Reich wohnenden Juden beteiligt. Auf der Konferenz schlägt Stuckart die Zwangssterilisierung von sogenannten "Mischlingen" vor.

    Nürnberger Rassengesetze

    Die Nürnberger Rassengesetze verbieten u.a. die Eheschließung zwischen Juden und Nichtjuden und erklären, dass nur Staatsangehörige "deutschen oder artverwandten Blutes" die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen dürfen. Andere werden als Staatssubjekte ohne jegliche Staatsbürgerrechte eingestuft.

    Nach diesen Gesetzen werden sechs Klassen von Bürgern definiert: Es gelten sogenannte "reine Deutschblütigen" und diejenigen Bürger, die zu einem Achtel jüdisch sind als "Bürger deutschen Blutes".

    Sogenannte "Mischlinge Ersten Grades" und "Zweiten Grades" (jeweils drei Achtel oder Halbjuden und ein Viertel Juden) haben laut den Nürnberger Gesetzen auch Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Personen, die zu drei Vierteln jüdisch sind und diejenigen, die der jüdischen Rasse angehören (sogenannte Geltungsjude) dürfen die deutsche Staatsbürgerschaft nicht haben.

    Konferenzprotokoll

    Auf der Konferenz am 20. Januar 1942 ist es nicht der Hauptzweck, den Holocaust zu beschließen, sondern die Deportation der jüdischen Bevölkerung zur Vernichtung in den Osten zu organisieren. Heydrich erzählt, dass Göring ihm mit einem Entwurf zur endgültigen Lösung der "Judenfrage” beauftragt hat, und dass alle beteiligten Behörden dazu verpflichtet sind, miteinander zu kooperieren.

    Er schildert die bisherige Situation und erklärt, dass die Auswanderungszahlen der Juden seit 1933 nicht ausreichend sind. Eine neue Lösungsmöglichkeit hat sich nunmehr ergeben. Die Juden im Reichsgebiet sollen nun nach dem Osten transportiert werden, wo sie zum geeigneten Arbeitseinsatz kommen sollen. In großen Arbeitskolonnen, heißt es, werden die arbeitsfähigen Juden "straßenbauend" in diese Gebiete geführt. Es wird erwartet, dass ein Großteil durch natürliche Ursachen ausgeschieden wird.

    (für Wannsee villa – rear): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Rückansicht – Privatsammlung Charlotte Pearce
    (für Wannsee villa – rear): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Rückansicht – Privatsammlung Charlotte Pearce Foto: Für Wannsee villa – rear): Villa der Wannseekonferenz, Am Großen Wannsee, Rückansicht – Privatsammlung Charlotte Pearce

    Juden werden zunächst in Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus nach dem Osten transportiert zu werden. Heydrich betont, dass nicht alle Juden evakuiert werden. Leute über 65 Jahre werden in einem Altersghetto untergebracht – die Stadt Theresienstadt ist dafür vorgesehen.

    Die Altersghettos werden auch schwerbeschädigte Juden und Juden mit Kriegsauszeichnung aufnehmen. Heydrich schlägt vor, dass in den verschiedenen Gebieten im Südosten, Westen und Osten Europas die zuständigen Bearbeiter die Abläufe der Endlösung mit den zuständigen Referenten der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes besprechen.

    Sterilisierung und Verwaltung

    In vielen Fällen werden Ausnahmen gemacht, beispielsweise bei sogenannten "Mischehen", außerdem werden die meisten "Mischlinge Zweiten Grades" wie Deutschen behandelt. Staatssekretär Dr. Stuckart behauptet, dass der allgemeine Verwaltungsaufwand bei "Mischlingen" unendlich sein wird und schlägt die Zwangssterilisierung vor.

    In Ausschwitz wurden auch die beiden Hauptpersonen des Films ermordet
    In Ausschwitz wurden auch die beiden Hauptpersonen des Films ermordet Foto: ps

    Außerdem hält Stuckart die Abschiebung nicht für eine praktikable Lösung. Jeder Halbjude hat deutsche Verwandte und Freunde, auf die sich die Auswirkungen einer Deportation negativ auswirken würden. Staatssekretär Neumann und Heydrich besprechen, dass Juden, die in kriegswichtigen Betrieben tätig sind, nicht evakuiert werden, da dies sonst eine negative Auswirkung auf die Wirtschaft haben wird.

    Durchführung der Lösung

    Sowohl Dr. Meyer als auch Staatssekretär Dr. Bühler fordern, dass in den betroffenen Gebieten bestimmte vorbereitende Maßnahmen durchgeführt werden, um eine Beunruhigung der Bevölkerung zu vermeiden. In den Monaten nach der Wannseekonferenz deportiert das NS-Regime Millionen von Juden in sechs Lager in Osteuropa, wo die meisten von ihnen sofort durch Giftgas ermordet werden.

    Fünf Monate nach der Konferenz, am 27. Mai in Prag, wird Heydrich Opfer eines Attentats durch ein Mitglied des tschechischen Widerstands. Er stirbt an den Folgen am 4. Juni, 1942. Die Dokumente zur Wannseekonferenz, die heute noch übriggeblieben sind, können hier aufgerufen werden: https://www.ghwk.de/de/konferenz/protokoll-und-dokumente

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