"Als ich mich mit 'Der Tee-Genuss' in der Karlsruher Lammstraße selbstständig machte und am 1. Dezember 2012 den Laden eröffnete, hatte ich alles durchdacht, langfristig geplant", sagt Fatiha Mazouzi im Gespräch mit ka-news. Sie schloss einen Dreijahresvertrag mit Aussicht auf eine zweijährige Verlängerung ab. "Die Ansprüche an mich als Mieterin und an die Produkte waren hoch, man erwartete ein hochwertiges Fachgeschäft."
Ladenmieter müssen Baustelle weichen
Mit einem Förderkredit in Höhe von 85.000 Euro ging Mazouzi an den Start, renovierte das Ladengeschäft, investierte Ersparnisse, verlegte Parkettboden. Mit dem Vermieter, der städtischen Fächer GmbH, hatte sie, so sagt sie, nie Probleme: Die Erwartungen wurden erfüllt, Absprachen wurden getroffen. Auch die Kasig-Baustelle vor der Tür habe bisweilen keine größeren Probleme bereitet. Mit dem Standort Lammstraße hatte Mazouzi eine gute Wahl getroffen. Das zumindest dachte sie, bis sich das Blatt Anfang des Jahres wendete.
"Im März führte ich mit dem Vermieter ein Gespräch zur Vertragsverlängerung, da ja nun die ersten drei Jahre abgelaufen waren. Ich wollte gerne bleiben, auch die andere Seite gab mir zunächst ein positives Signal", erinnert sich die Teeverkäuferin - "dann erfuhr ich zwischen den Zeilen und schließlich auf explizite Nachfrage, dass vonseiten der Stadt beziehungsweise des Vermieters Fassadenarbeiten an der gesamten Ladenzeile sowie in den einzelnen Ladeneinheiten geplant seien." Konkret: Für die Baumaßnahme von rund zwölf Monaten, sei es notwendig, dass alle Ladenmieter, die an das Technische Rathaus angeschlossen sind, ihre Geschäfte temporär räumen müssten.
"Das Angebot war vollkommen inakzeptabel"
Die Bauarbeiten seien auf Januar 2016 angesetzt. Eine offizielle schriftliche Benachrichtigung habe es bis dato nicht gegeben, empört sich Mazouzi. Die Nachricht kam aus dem Nichts: "Es kann doch nicht sein, dass ein solch eingreifendes Ereignis, das meinen kompletten Betrieb und meine Existenz auf den Kopf stellt, zum Zeitpunkt der Mietvertragsverhandlungen unerwähnt blieb. Zumal bekannt war, dass die Fassade seit Jahren marode ist." Auf Recherche hin erfuhr sie, dass der Karlsruher Gemeinderat in seiner öffentlichen Sitzung im Februar die Fassadesanierung offiziell beschlossen hatte. Die Ladenzeile soll letztlich komplett eingerüstet werden. "Dass das kommen wird, stand doch schon vor dieser Gemeinderatssitzung im Frühjahr fest, zumindest gab es grobe Planungen. Als Einzelhändler ist eine langfristige Planung unumgänglich, weshalb ich nicht verstehe, warum man eine Existenzgründerin so gegen die Wand fahren lässt", so Mazouzi weiter.
Schließlich folgte im Frühjahr der Versuch des städtischen Vermieters, auf die Tee-Händlerin zuzugehen: Mazouzi wurden, so sagt sie, die leer stehenden Räume der früheren "Leonardo-Bar" in der Zähringerstraße, um die Ecke, angeboten. Hier her sollte sie in der Zwischenzeit ausweichen.
"Unter Druck mein Lebenswerk aufgegeben"
"Das Angebot war vollkommen inakzeptabel", macht die Karlsruher Einzelhändlerin deutlich - "zum Einen ist die Fläche viel zu groß für mein Sortiment. Derzeit habe ich etwa 30 Quadratmeter, dort müsste ich 80 Quadratmeter füllen. Zum Anderen ist der Vorbesitzer aufgrund von 90 Prozent Umsatzeinbußen durch die anliegende Marktplatzbaustelle notgedrungen ausgezogen." Das habe sie auf direkte Nachfrage von ihm erfahren. Zudem, so habe sie von Anliegern erfahren, soll die benachbarte Zähringerstraße offenbar als Lagerstätte für den nebenan verursachten Bauschutt sowie für Baumaterialien dienen. Einkaufs- und Aufenthaltsqualität gleich Null also, so ihr Resümee. Dass sich ihr Geschäft absehbar durch einen Umzug hier hin verschlechtere, könne sie sich schlicht nicht leisten.
"Ich musste das Angebot, auch auf Anraten meines Anwalts, abschlagen", so Mazouzi. Zuvor habe man ihr eine Immobilie in der rund einen Kilometer entfernten Fritz-Erler-Straße ans Herz gelegt. Laut der Händlerin ein noch unrentableres Angebot. Eine dritte Alternative gab es nicht, die Stadt stellte die Gespräche ein, sagt Mazouzi. Auch über weitere Möglichkeiten, ihr finanziell entgegen zu kommen, habe man nicht mehr gesprochen. "Schließlich habe ich unter Druck den Laden und damit mein Lebenswerk aufgegeben", so Mazouzi. Am Samstag, 31. Oktober, sollen die Türen des "Tee-Genuss" für immer geschlossen werden.
Nie mehr "Tee-Genuss"?
Eine Entscheidung, die der Gründerin nicht leicht gefallen ist. Gerade hatte sich eigenen Angaben nach der Kundenstamm aufgebaut, das Geschäft hatte sich etabliert. "Als ich 2012 aus Frankfurt hier her kam, gab es eine große Nachfrage an einem Teefachgeschäft, einfach weil es vorher noch keines mit einem solch großen Sortiment in Karlsruhe gab", erinnert sich Mazouzi. Dass man froh sei, dass es nun ein zentrales Geschäft mit Teesorten aus aller Welt samt Beratung gibt, haben ihr die Kunden immer wieder bestätigt, so Mazouzi. Diese seien jetzt empört ob der Schließung.
Und wie geht es jetzt für die Unternehmerin weiter? "Ich habe in den letzten Jahren alles gegeben, um mich in Karlsruhe zu etablieren, vor allem habe ich einiges an Mitteln in diesen Standort investiert. Ich hatte drei Jahre keinen Urlaub. Ich brauche jetzt erst mal Zeit, um das Geschehene, die ganzen Streitigkeiten der letzten Monate, zu verdauen. Mir geht es nicht gut." Anschließend wolle sich die gelernte Physiotherapeutin nach Jobs in ihrer alten Branche umschauen, sich wieder anstellen lassen. Ob sie sich nach den gemachten Erfahrungen je wieder selbstständig machen werde? Mazouzi zögert: "Die Planungen für die Zukunft sind noch nicht abgeschlossen." Bevor sie zu dem Entschluss kam, in ihren alten Beruf zurück zu gehen, hatte sie sich selbst nach einer neuen Immobilie in Karlsruhe umgesehen - vergebens, wie sie sagt: "Die Mietpreis sind so horrend, den Umsatz kann ich schlicht nicht generieren." Der Markt sei hart.
Das sagt das Baudezernat zu den Vorwürfen
Vorwürfe macht Mazouzi vor allem dem Baudezernat und der "inakzeptablen Informationspolitik" - "mir scheint es als seien Einzelschicksale für die Stadt uninteressant. Hier wird die Menschenwürde mit Füßen getreten." Zwar habe man in einer Aufsichtsratsitzung der städtischen Unternehmen durchgewunken, dass die Händlerin angefallene Mietrückstände nicht mehr begleichen müsse, aber mit einer Ablöse, aufgrund der frischen Renovierung des Ladens, sei nicht zu rechnen - auch von anderweitigen Entschädigungszahlungen sei nicht die Rede.
Auf Nachfrage von ka-news fällt die Stellungnahme von Baubürgermeister Michael Obert knapp aus: "Die Behauptungen stimmen nicht, Frau Mazouzi sei erst auf Nachfrage informiert worden." Zu den weiteren Anschuldigungen wolle er sich nicht im Detail äußern - "immerhin geht es um privatrechtliche Verträge", so Obert. Tatsächlich sei erst anhand des Gemeinderatsbeschluss im Februar 2015 und damit im Haushalt festgestanden, dass die Fassadensanierung im Frühjahr 2016 kommen werde. Wann und in welcher Form man die Teehändlerin in Kenntnis gesetzt habe, dazu bezieht der Baubürgermeister auf Anfrage von ka-news keine Stellung.
"Die Behauptungen stimmen nicht"
Mit welchen weiteren Einschränkungen für die im weiteren Umkreis der Lammstraße anliegenden Geschäfte sowie für den Durchgangsverkehr zu rechnen sein wird, ist derzeit noch unklar: "Die genauen Bauabläufe sind noch nicht vollständig geklärt, da sie sich noch in der Optimierung befinden", erklärt Obert. Dass die Planungen schon vor mehreren Jahren anstanden bestätigt er jedoch. Im Jahr 2013 hatte man bereits eine Mehrfachbeauftragung für die Fassadensanierung veranlasst - "aber dabei war noch völlig offen, wann die Baumaßnahme vonstatten gehen wird."
"Hätte ich zu Beginn gewusst, dass hier eine solch massive Baumaßnahme ansteht, hätte ich den Mietvertrag nicht unterschrieben", sagt die Einzelhändlerin rückblickend. Auch den Vorwurf, man hätte ihr ein Geschäft angeboten, das aufgrund von fatalen Umsatzeinbußen zuvor schließen, weist Obert zurück. Auf die Frage, ob in der Zähringerstraße die Überbleibsel der Baustelle in der Lammstraße gelagert werden sollen, gibt es keine Antwort. Es steht Aussage gegen Aussage. "Ich bin enttäuscht", fasst die Teeverkäuferin zusammen.