Ich war früher ein großer Fan der Tour de France. Als Schüler, später als Student, saß ich stundenlang vor dem Fernseher und habe mit meinen Radsport-Idolen mitgefiebert. Ich habe ihre außergewöhnlichen Leistungen bestaunt, ich habe sie dafür bewundert, wie sie sich über die Alpen und Pyrenäen quälten.
Die Tour de France war etwas Besonderes, sie hat mich gefesselt. So saß ich mit Freunden fünf bis sechs Stunden vor dem Fernsehapparat und wir warteten mit Spannung auf diesen einen - diesen epochalen - Moment. Auf diesen kurzen Augenblick, wenn Ullrich oder Armstrong den Antritt wagten, das Tempo am Berg anzogen, um dem Erzrivalen zu entkommen.
Wann steigt Armstrong aus dem Sattel? Kann Ullrich kontern oder geht ihm die Puste aus? Mythos L'Alpe d'Huez! Okay, meistens hatte Ullrich das Nachsehen. Der Deutsche war in den Jahren 2000, 2001 und 2003 immer hinter dem Amerikaner auf Platz zwei gefahren. Einzig 1997 konnte er das bis dato wichtigste Radrennen der Welt gewinnen - Armstrong kam später.
Am 8. Juli 2005 war auch Karlsruhe Zielort einer 228,5 Kilometer langen siebten Etappe. Ich stand mit Freunden am Straßenrand. Auch wenn das Fahrerfeld geschlossen pfeilschnell an uns vorbeirauschte und einen Wimpernschlag später alles vorbei war - wir hatten unseren Spaß! Unser Anfeuerungsruf "Volle Pulle, Ulle", den wir auch auf einen Banner geschrieben hatten, sorgte für gute Stimmung.
Doping war im Radsport zwar immer ein Thema, aber es waren immer die anderen. Unser Jan, der doch nicht, sagten wir damals. Das Blatt wendete sich, als bekannt wurde, dass auch Jan Ullrich in den Fuentes-Dopingskandal verwickelt war. Der Internationale Sportgerichtshof Cas hat ihn sogar wegen Dopings verurteilt. Sein dritter Platz bei der Tour 2005 wurde gestrichen.
Die Tour de France schaue ich schon lange nicht mehr. Zu enttäuschend, dass alles Betrug gewesen sein soll. Der Sport hat für mich völlig an Glaubwürdigkeit verloren. Radsport ist schon lange kein sauberer Sport mehr. Ob Ullrich bei einer Aberkennung der Armstrong-Titel nachträglich zum Sieger ernannt werden würde, ist noch offen. Doch sollte Ullrich wirklich zum vierfachen "Tour de France"-Sieger werden, dann wäre auch das eine Farce.
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