Erstmals hat das statistische Landesamt konkrete Zahlen zur Kindesmisshandlung in Baden-Württemberg veröffentlicht. Begründet liegt dies im neuen Bundeskinderschutzgesetz, das zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten war - Ziel ist, künftig eine bessere Datengrundlage für den Kinder- und Jugendschutz zu haben. "Zuvor wurden die Statistiken lediglich intern in den Jugendämtern im Stadt- und Landkreis geführt, aber nicht veröffentlicht", so Margit Freund, Amtsleiterin beim Jugendamt im Landkreis Karlsruhe.
Was ist "Kindeswohlgefährdung"?
"Kindeswohlgefährdung" - ein abstrakter Rechtsbegriff, mit der die Misshandlung von Kindern beschrieben wird. Wann ein solcher Fall eintritt, ist schwierig zu definieren: "Das hängt unter anderem mit Alter, Milieu und dem Grad der geistigen Entwicklung des Kindes ab", erklärt Freund, "eine akute Gefährdung ergibt sich bei einem Kleinkind beispielsweise schneller, weil es sich noch nicht selbst artikulieren kann. Generell muss jeder Fall einzeln geprüft werden. Treffen Mitteilungen über eine mögliche Kindeswohlgefährdung ein, wird zunächst vor Ort recherchiert, um herauszufinden, was sich hinter der auffälligen Situation verbirgt."
Eine akute Gefährdung ist auf jeden Fall vorhanden, wenn eine Situation oder Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit beim ungehinderten Verlauf zu eine Gefährdung des Kindes führt - also eine erhebliche körperliche, geistige oder seelische Schädigung zu erwarten ist. Für Mitarbeiter des Jugendamts und der sozialen Dienstes gibt es eine "Checkliste", mit der die Situation beurteilt werden kann. Sie soll laut Freund demnächst auch für Kindergärten und Schulen zu erhalten sein.
Kindesmisshandlung im Landkreis angestiegen
Die Bandbreite von Kindesmisshandlung ist groß: "Unter Kindeswohlgefährdung fällt schon, wenn ein Kind nicht regelmäßig die Schule besucht", so Freund, "weitere offensichtliche Anzeichen sind Erscheinungen von Verwahrlosung oder Mangelversorgung." 2012 waren 295 Kinder im Stadtkreis Karlsruhe latent und akut gefährdet, 73 waren es im Landkreis. 94 Mädchen und 86 Jungen musste das städtische Jugendamt in Obhut nehmen - 43 auf eigenen Wunsch, bei 137 Kindern war vor der Inobhutnahme eine Gefährdung vorhanden das geht aus einer Pressemitteilung der Stadt hervor.
Begleitende Hilfe durch das Jugendamt gab es in 232 Fällen. "Im Landkreis sind die Zahlen der Kindeswohlgefährdung gestiegen", so Freund. Waren es im Jahr 2012 noch 181 Verfahren, zählte das Jugendamt im Landkreis Karlsruhe 2013 bereits 289 Verfahren, mit 97 akuten und latenten Fällen von Kindesmisshandlung.
Bei Verdacht auf Kindesmisshandlungen empfiehlt das Jugendamt sich an erfahrene Fachkräfte wie Kinderschutzbund oder Beratungsstellen zu wenden, die eine anonymisierte Einschätzung der Lage vornehmen. Bei akuten Fällen sollte sich direkt an die Polizei gewandt werden. Wann ein Kind in Obhut genommen werden muss, entscheidet dann das Jugendamt. Stimmen die Eltern der Inobhutnahme nicht zu, muss das Familiengericht die Sachlage klären und gegebenenfalls die Herausgabe beantragen.