Der Fall sorgt in Karlsruhe für Furore: Als eine 46-Jährige auf dem KIT Campus in der Nähe der Mensa brutal vergewaltigt wird, kann der Täter zunächst flüchten. Zwei Tage später wird er jedoch gefasst. Weil sein Opfer sofort Anzeige erstattet hatte, konnte die Polizei die frischen Spuren sichern - diese führten schließlich zur Verhaftung des Täters. "Wäre die Frau erst Tage später zur Polizei gegangen, hätten wir den Täter wahrscheinlich nicht gefasst", betont Michael Melcher, Leiter vom Dezernat für Sexualverbrechen der Polizei Karlsruhe.
"Körpersprache ist wichtig"
Dringen solche Taten an die Öffentlichkeit, sind viele Frauen immer wieder aufs Neue verunsichert. Wie würde ich selbst als Betroffene reagieren? Gibt es überhaupt Chancen, sich gegen sexuell aufdringliche Täter zu wehren und zu schützen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Hauptkommissarin Ulla Stärk von der Abteilung "Opferschutz" der Polizei Karlsruhe.
Die Kriminalhauptkommissarin arbeitete acht Jahre lang im Dezernat für Sexualdelikte, bevor sie vor zehn Jahren zur Abteilung "Opferschutz" wechselte. Sie erklärt, wie wichtig die Körpersprache einer Frau sei, um Selbstbewusstsein und Wehrhaftigkeit auszustrahlen. "Dazu gehört aufrechtes Gehen, den Kopf hoch halten und den Blickkontakt zu entgegen kommenden Personen suchen", berichtet Stärk. Sie selbst habe auch manchmal Angst, "man darf es sich nur nicht anmerken lassen."
Spucken, Beißen, Treten - alles ist erlaubt
Dazu gehöre auch, einen Umweg in Kauf zu nehmen, anstatt durch eine dunkle Gasse zu gehen. In unbehaglichen Situationen empfiehlt sie, den Schlüssel in die Hand zu nehmen. "Dieser kann im Notfall auch als Waffe dienen", so Stärk. Am Bund könne auch eine Trillerpfeiffe oder ein anderes lautes Alarmgerät für Notfälle befestigt sein.
"Ganz wichtig ist auch: Aufmerksamkeit holen! Leute, die in der Nähe sind auf Hilfe ansprechen und vor allem: Schreien", mahnt die Kriminalhauptkomissarin. Dafür müsse man allerdings zunächst aus der Schockstarre erwachen - dies sei im Affekt schwer zu bewältigen, ließe sich aber trainieren. In Selbstbehauptungskursen - zum Beispiel an Volkshochschulen und in Sportvereinen - lernen Frauen, ihre Stimme kräftig einzusetzen und auch den Täter laut und bestimmt in die Schranken zu weißen. Worte wie: "Lassen Sie mich in Ruhe!" und "Ich rufe die Polizei!" seien abschreckender, als manch einer vielleicht glaube. "Und natürlich Spucken, Treten, Beißen - alles ist erlaubt." Von Pfeffersprays hält sie hingegen nicht besonders viel, denn im Eifer des Gefechts, oder bei Gegenwind, könnte man sich damit auch selbst in die Augen sprühen. Zudem "nützen sie bei Betrunkenen kaum etwas."
"Kurze Röcke sind kein Freibrief"
Außerdem stellt sie klar: "Kurze Röcke sind kein Freibrief." Durch eine knappe Bekleidung entstünden sicherlich Gedanken, allerdings sei dies kein ausschlaggebender Punkt - die meisten Männer seien durch das Internet und freizügige Werbung bereits übersexualisiert und täglich von solchen Reizen umgeben.
Die meiste Gefahr gehe sowieso nicht von Fremden aus, berichten die Polizisten."In Karlsruhe gab es 2011 drei Fälle wie auf dem KIT-Campus", erläutert Melcher. Bei allen anderen Tätern habe es sich um dem Opfer bekannte Personen gehandelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau von einem fremden Mann 'angefallen' werde, sei sehr gering. "In über 90 Prozent der Fälle sind es Internet-Bekanntschaften oder andere Personen, die man privat kennt", meint der Polizist. Melcher bestätigt, dass es sich bei den weiteren 30 bis 40 angezeigten Fällen in diesem Jahr um Beziehungsdelikte handelte; davon führten allerdings nur fünf zur Verurteilung, der Rest wurde fallengelassen. "Meistens steht Aussage gegen Aussage."
"Nach vorne schauen - das ist der beste Weg"
Vergewaltigungsopfer treten nur selten in die Öffentlichkeit. Im Hintergrund bekommen sie jedoch spezialisierte Hilfe angeboten - wenn sie dies wollen. Wie Stärk erzählt, verdrängten viele Frauen die Tat und hätten oft Jahre später mit psychischen Störungen zu kämpfen. Diese können schwere Konsequenzen nach sich ziehen - bis hin zum Jobverlust. "Dann haben die Opfer ein Recht auf eine Rente, allerdings muss diese beantragt und der Nachweis erbracht werden, dass die Erkrankung auf einen Fall von sexuellem Missbrauch zurückzuführen ist", erklärt Stärk.
Unterstützung nach einer Vergewaltigung bieten Organisationen wie der "Weiße Ring" oder die "Landesstiftung für Opferschutz". "Am wichtigsten ist es, dass die Betroffenen ihre Situation annehmen und nach vorne schauen, so hart das auch klingt. Ich denke, das ist der beste Weg", weiß die Kommissarin.
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