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Karlsruhe: Unternimm die Zukunft

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Unternimm die Zukunft

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    Unter dem Motto "Unternimm die Zukunft" startet Werner am heutigen Donnerstag in den großen Tages- und Wochenzeitungen eine bundesweite Anzeigenkampagne für seine Idee des "Bedingungslosen Grundeinkommens". "Sozial ist, was Arbeit schafft" - mit diesem Satz versuchte die Union im Bundestagswahlkampf plakativ zu untermauern, worin die größte Herausforderung unserer Gesellschaft liege. Der dm-Gründer dagegen kann das ganze Gerede von der Schaffung neuer Arbeitsplätze inzwischen nicht mehr hören. Die Wirtschaft habe nicht die Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen, widerspricht Werner einem Dogma unserer Zeit. Die Aufgabe der Wirtschaft sei es vielmehr, die Menschen durch immer höhere Produktivität von der Arbeit zu befreien. "Das ist uns in den letzten 50 Jahren grandios gelungen", so Werner auf der Homepage seiner Initiative "Unternimm die Zukunft".

    Ein neues Bewusstsein muss her: Freiheit statt Vollbeschäftigung

    Es mutet ungewöhnlich an, solche Sätze aus dem Mund eines Unternehmers zu hören, der einen der größten Arbeitsplatzbeschaffer der Bundesrepublik leitet (ka-news berichtete). Aber "gewöhnlich" ist auch kaum das Attribut, das für Werners Ideenwelt und Lebenswerk passend erscheint. "Uns geht die Arbeit aus, weil sie übernommen wird von Maschinen und Methoden, die wir mit unserem geistigen Potenzial geschaffen haben", erklärte er jüngst in einem Interview der Frankfurter Rundschau. "Das ist doch toll." In Zeiten von Massenarbeitslosigkeit und fortschreitendem Arbeitsplatzabbau mag dies zynisch klingen, vor allem für diejenigen, deren Job dem Produktivitätsfortschritt zum Opfer gefallen ist. Als Zyniker kann der Radikaldenker aus Karlsruhe allerdings schwerlich beschrieben werden.

    Werner sieht die zunehmende Freisetzung des Faktors Arbeit nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als historisch einzigartige Chance: "Menschliche Arbeit als Produktionsfaktor lässt sich offenbar zunehmend ersetzen. Das schafft Potenzial für Freiheit und Selbstbestimmung in einem Ausmaß, von dem frühere Generationen nur träumen konnten." Allerdings - und hier kommt seine radikale Reformidee des bedingungslosen Grundeinkommens zum Tragen - könne das Bewusstsein für das zivilisatorische und unternehmerische Potenzial, das in der Rationalisierung der Produktion liege, sich nicht vollständig entfalten, solange die Einkommen der Menschen fast ausschließlich an diese Arbeit gekoppelt seien.

    Warum nicht eine Mehrwertsteuer von 50 Prozent?

    Unser Bewusstsein habe diese Veränderung noch nicht erfasst, konstatiert Werner. "Einkommen koppeln wir trotz steigender Produktivität fast ausschließlich an die immer weniger werdende Arbeit." Die an den Faktor Arbeit gekoppelten Sozialsysteme sind in der Krise. Die kurzfristigen und kurzsichtigen Rettungsversuche der etablierten Parteien gehen am eigentlichen Problem vorbei: Dem Denken im falschen System stellt Werner einen radikalen Systemwechsel, besser: einen Paradigmenwechsel gegenüber. Das alte Dogma "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", dessen Wurzeln von Paulus bis Lenin reichen, entspräche schon heute nicht mehr der Lebenswirklichkeit, so der Initiator von "Unternimm die Zukunft". Aufgabe der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung müsse es deshalb sein, die Menschen mit ausreichend Geld auszustatten, damit diese die von den Unternehmen produzierten Güter und Dienstleistungen auch nachfragen können.

    Aus diesem Grund müsste ein Art Lebensrente für jeden Bürger eingeführt werden - hoch genug, um die Grundbedürfnisse zu decken, zwischen 1.300 und 1.500 Euro, fordert Werner, der als Leiter des Instituts für Entrepreneurship der Universität Karlsruhe (TH) die möglichen Auswirkungen und die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens untersucht. Im Gegenzug müsste eine radikale Steuerreform verwirklicht werden. Werner fordert zur Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens eine reine Konsumsteuer. Während sich die Vertreter der geplanten Großen Koalition nach langem Hin und Her offenbar auf eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf 18 Prozent geeinigt haben, hat der dm-Chef mit einer Mehrwertsteuer von 50 Prozent kein Problem.

    Negatives Menschenbild als Ausdruck eines Kulturproblems

    Keine leistungshemmende Einkommensteuer, keine verzerrende Besteuerung der Wertschöpfungsprozesse, keine Sozialabgaben. Das würde nicht nur eine radikale Vereinfachung des derzeitigen Steuerwirrwarrs bedeuten, sondern auch den riesigen staatlichen Verwaltungsapparat schrumpfen lassen. "50 Prozent Mehrwertsteuer machen doch nichts anderes, als den Steueranteil sauber auszuweisen", so Werner in der Frankfurter Rundschau. Wenn man alle Steuern und Sozialleistungen zusammenzähle, seien wir bereits bei einer Staatsquote von 48 Prozent. Eine ausschließliche Besteuerung des Konsums würde daher auch nicht zu höheren Preisen führen, da die gesamte Staatsquote bereits in den Preisen stecke.

    "Wir müssen uns nur vergegenwärtigen", erläutert Werner auf der Website seiner Initiative, "dass wir erstens ja auch schon heute alle Menschen in unserem Land ernähren und dass zweitens alle zur Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens erforderlichen Geldströme schon heute fließen." Aber wer würde in Zukunft noch arbeiten, argumentieren die Kritiker, wenn er für 1.500 Euro zu Hause bleiben kann? In dieser Frage offenbart sich laut Werner das eigentliche Problem unserer Gesellschaft - ein Kulturproblem. Menschen wären ohne finanzielle Anreize nur dann faul, führt er seinen Standpunkt aus, wenn sie nicht den Sinn ihrer Tätigkeit in den Mittelpunkt stellten.

    Anzeigenkampagne startet heute

    Das Grundeinkommen mache es möglich, eine dem eigenen Lebenssinn entsprechende Tätigkeit wahrzunehmen. Für viele Menschen sei Arbeit mehr als nur Broterwerb, der immaterielle Wert dürfe nicht unterschätzt werden. Gerade im sozialen und kulturellen Bereich gebe es in unserer Gesellschaft einen riesigen Bedarf, der dann endlich finanzierbar wäre. Außerdem würden sich die meisten Menschen mit einem Grundeinkommen nicht alle Wünsche erfüllen können. Der finanzielle Anreiz zu arbeiten bestünde also weiterhin. Und jedes durch Arbeit zusätzlich erwirtschaftete Einkommen wäre im Wernerschen System frei von Steuern und Abgaben.

    Werners groß angelegte Kampagne beginnt heute mit einer halbseitigen Anzeige in der Wochenzeitung "Die Zeit", danach sollen mit je einem Tag Abstand Inserate in anderen überregionalen Blättern folgen, berichtet die Stuttgarter Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe. Die Kosten der Kampagne bezifferte Werner auf 300.000 Euro. Er schloss nicht aus, dass weitere Schritte folgen werden.

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