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Karlsruhe: "Üb immer Treu' und Redlichkeit": "Big Mannis" Betrug im Staatstheater

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"Üb immer Treu' und Redlichkeit": "Big Mannis" Betrug im Staatstheater

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    Die Crew des Musicals "Big Money" sang gleich zu Beginn die Lobeshymnen auf "Big Manni", der - vielschichtig präsentiert von Timo Tank - in dem Stück von Peter Lund (Regie) und Thomas Zaufke (Musik) den Hauptprotagonisten gibt: "Solche Männer braucht das Land", tönte es vielstimmig im Chor. Und gleich wurde nachgeschoben, dass "die Hälfte der Menschen da draußen profitierte". Ob der Texter des Stücks - etwas schelmisch - wohl auch die Zuschauer der Premiere am Samstagabend damit meinte? Jedenfalls war auch einige Prominenz im Premierenpublikum zu sichten: zwei ehemalige Karlsruher Bürgermeister, einige Stadträte - Spitzen der Wirtschaft.

    Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen sei völlig ausgeschlossen, heißt es derweil im ungewohnt umfangreichen Programmheft des Abends. "Echte Anlagebetrüger" würden ja auch nicht singen, lässt die Intendanz gleich in der Einleitung wissen. Die Theatermacher des gleichnamigen Musicals, so liest man augenzwinkernd, täten zwar singen - aber einzig und allein die Lieder des Komponisten Thomas Zaufke. Und ist etwa ein ehemaliger Gebrauchtwagenhändler, der urplötzlich zum "Badischen Vorzeigeunternehmer” wurde, ein "echter" Anlagebetrüger?

    Man durfte vor dem Start des vom scheidenden Schauspielchef Knut Weber in Auftrag gegebenen Musicals mit Spannung erwarten, wie sehr örtliche Prominenz in dem knapp zweieinhalb Stunden langen Stück zu erkennen sein würde. Es kann vorweg genommen werden: sie war zu erkennen, mehr als deutlich. Sei es jener ehemalige FDP-Politiker, der heute noch in Karlsruhe lebt - aber im Stück keine eigene Rolle zugewiesen bekam. Sei es ein ehemaliger FDP-Wirtschaftsminister aus Stuttgart, den man nur wenig verfremdet "Minister Währing" nannte. Man darf annehmen, dass viele der Zuschauer die Geschichte von Manfred Schmider, von FlowTex und all jenen Protagonisten, die von der Geldmaschinerie und den Luftnummern profitierten, quasi aus dem eff eff kennen. Im Publikum war jedenfalls häufig Kichern und Gelächter zu vernehmen. Etwa als besagter Wirtschaftsminister von einer ihn anhimmelnden Dame begrüßt wurde mit den Worten, "ein charmanter Lügner" zu sein, sei für einen erfolgreichen Wirtschaftsminister quasi unabdingbar Grundvoraussetzung.

    Amüsant wurde es auch, als in einem Werbefilmchen - Manfred Schmider war 1994 Unternehmer des Jahres geworden - in breitem Schwäbisch die Vorteile der FlowTex-Horizontalbohrer präsentiert wurden: "Des isch guat", hieß es da beispielsweise. Mehr als amüsant war auch etwa jene Szene, als "Big Manni", der sich in dem Musical leicht verfremdet als "Manfred Schneider" präsentierte, im Gespräch mit seinem jüngeren Bruder "Rocky Schneider" (in Wirklichkeit Matthias S.) über jenen Spiegel-Artikel flaxte, der die Türen und Begehrlichkeiten bei den Banken sperrangelweit öffnete. Wenn es schon im Spiegel steht, dass TexFlex (so der leicht verfremdete Name der Firma im Musical) ein erfolgreiches Unternehmen ist - kann ja schließlich auch die Deutsche Bank nicht nein sagen. Später kamen die Dresdner, die Sparkasse, die Commerzbank dazu...

    Da war dann die Rede vom Flughafen in Söllingen "als Geschenk für die Stadt Karlsruhe". Von dem VW Golf und dem Freiflug nach New York für den Steuerprüfer, den amourösen Avancen der im "TexFlex-Konzern" arbeitenden Nichte jenes FDP-Politikers "van der Weyll" - und von dem immer wieder, wie ein Karma, an "Big Manni" gerichteten Slogan "think big". Dem Anspruch, in großen Zusammenhängen zu denken. Der Big Manfred im Musical antwortete dann genauso schlicht: "Ich regle das". Da ist auch von Sorgen und Nöten des Big Manni, seiner Mitarbeiterin Renate die Rede - es ging "ja alles so schnell". Und wir "wurden einfach verführt". Der Song der Musikal-Truppe "wenn der Fiskus zwei Mal klingelt" könnte in Karlsruhe gar noch ein Gassenhauer werden.

    4,5 Milliarden Mark hatten die einstigen FlowTex-Bosse in wenigen Jahren an Umsatz gemacht, hunderte Millionen blieben nach der Verhaftung der Konzernchefs verschwunden. Da kann in einem Kommissar namens "Steinheim", in dem Stück gekonnt dargestellt von Gunnar Schmidt, schon mal arger Groll aufkommen. Vor allem dann, wenn die Politik seinem Mühen um Gerechtigkeit Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen droht. Hinreißend war immer wieder auch "Big Mannis" jüngerer Bruder "Roberto" (Robert Besta), der in der Realität monatelang abgetaucht war, und in dem Musical - als so genannter "Sonderschul-Bruder" - mit viel Schalk eine Art Eulenspiegel spielte. Und die Moral von der Geschichte: Just ziemlich exakt elf Jahre nach der Verhaftung von Manfred Schmider und seinem einstigen Kompagnon Klaus Kleiser, knapp vier Jahre nach der Freilassung aus der Haft von "Big Manni" (Herbst 2007) - und knapp zwei Jahre nach seinem ziemlich absurd anmutenden Interview mit der "Mallorca Zeitung" (August 2009; abgedruckt ebenfalls im Programmheft der Intendanz) sind jene beteiligten Politiker, die von dem gigantischen Anlagebetrug "Made in Karlsruhe" einst besonders profitierten, nahezu ungeschoren davon gekommen. Besagter Wirtschaftsminister "Währing" musste zwar 2004 - wegen einer Lappalie - doch noch vom Ministeramt zurücktreten.

    Aber im Grunde wollte doch nach Verhaftung von "Big Manni" im Februar 2000 im Nachhinein niemand mehr was mit der Sache zu tun gehabt haben - umso herzhafter konnten jetzt bei der Premiere die Zuschauer lachen. Frei nach dem Motto: "Das waren welche von uns". Menschen mitten unter uns, Männer eben, die das Land scheinbar braucht.

    Zu der alten Volksweisheit "Üb immer Treu' und Redlichkeit" und der Melodie von Mozart wurde zu Beginn des Stücks, und beim Abgang von "Big Manni" zusammen mit Justitia nochmals in einer Parabel vor Augen geführt, was man draus lernen könnte - vermutlich allzu Menschliches! Oder wie es ein Zuschauer aus Ostafrika im Staatstheater zusammenfasste: Die Korruption, als Prostitution in geistiger und finanzieller Form zähle seit jeher zu den ältesten Gewerben der Welt. "Money, Money makes the world go around." Auch in Ettlingen, auch in Karlsruhe. Dafür, dass der FlowTex-Skandal eigentlich ziemlich schwere Hausmannskost ist, wurde es am Staatstheater komödiantisch-gekonnt und mit viel Humor präsentiert - und vom Publikum wurde das Musical zurecht mit lang anhaltendem Beifall quittiert. Vielleicht kann man ja all das auch nur einzig und allein mit Humor ertragen!

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