Auf das Interview in der "National-Zeitung" (NZ) angesprochen lautet Colanis erste Reaktion: "Interviews gebe ich allen möglichen Armleuchtern, die hier antanzen." Was solle er machen, fährt er fort, "wenn mich jemand nach einem Interview fragt, dann gebe ich ihm das natürlich. Ich mache das ja auch für meine Ausstellung und für Karlsruhe."
Nicht das "Was", sondern das "Wo"?
Der Inhalt des Interviews ist astrein: Es geht um Design und Autos, um Pferdestärken und Kraftstoffverbrauch, und um das Werk von Kollegen. Alles "typisch Colani": schwungvoll, witzig, manchmal derb und immer knallhart direkt, und alles gewürzt mit einer starken Prise Selbstbewußtsein. An die Grenze des Beleidigens, vielleicht auch etwas darüber, geht er nur einmal - der Rest mag dem Redigieren zum Opfer gefallen sein: "Die Dämlichkeit der Rot-Grünen schreit zum Himmel", sagt er am Ende des Interviews. Anrüchiges findet sich nicht, weder in den Fragen noch in den Antworten.
Heikel scheint also nicht das "Was" zu sein, sondern das "Wo". Die Verfassungsschützer in mehreren Bundesländern rechnen die "National-Zeitung" dem rechten Spektrum zu. Herausgeber ist der Bundesvorsitzende der "Deutschen Volksunion" (DVU), Gerhard Frey. Die DVU, heißt es im Verfassungsschutzbericht des rheinland-pfälzischen Innenministeriums, "ist die größte rechtsextremistische Partei in Deutschland". Mit einer Auflage von rund 85.000 Exemplaren gehört Freys "National-Zeitung" zu den größten deutschen Wochenzeitungen.
"Ich kenne diese Zeitung nicht"
Colani lässt sich schwerlich in eine Form pressen. Ganz im Gegensatz zu seinen Werken ist der 1928 geborene Designer wahrlich kein Charakter "ohne Ecken und Kanten". Er nimmt selten ein Blatt vor den Mund: was er denkt, will meistens auch raus - mit einer brachialen Direktheit, oft nicht ganz zitierfähig. Er lebt für sein Metier, und das konsequent - und ohne Kompromisse: "Ich habe auch schon Saddam Hussein die Hand geschüttelt", sagt Colani, das sei natürlich vor dem Irak-Krieg gewesen, als er im Irak und mit dem Irak zu tun hatte. Auch in China, wo Colani seit Jahren an seinem Projekt "Bio-City" arbeitet, wird es nicht ohne Zusammenarbeit mit den chinesischen Regierungsbehörden gegangen sein - auch China kein Staat mit einer demokratisch "weißen Weste".
"Wenn der Journalist mich über die wahre Identität seiner Zeitung informiert hätte, dann hätte er einen Tritt in den Arsch bekommen", sagt Colani, als er erfährt, wer der Herausgeber der Zeitung ist. "Ich kenne diese Zeitung nicht. Ich gebe jeden Tag ein bis zwei Interviews. Da kann ich nicht über jeden Erkundigungen anstellen", betont Colani. "Es ist ihm egal, wem er ein Interview gibt", sagt eine Mitarbeiterin Colanis gegenüber ka-news, "uns geht es um die Inhalte".
"Es ist ein Graubereich"
"Sie können schreiben: 'Colani ist da missbraucht worden'", sagt der Designer - und es folgen noch einige Aussprüche, in unnachahmlicher Direktheit, die hier besser unzitiert bleiben. Der Journalist, der das Interview führte, Gerhard Frey, Rechtsanwalt in Gräfelfing und Sohn des DVU-Chefs und NZ-Herausgebers Gerhard Frey, erklärte auf Anfrage von ka-news: "Ich schrieb Herrn Colani per E-Mail, dass ich ihn gerne für die von meinem Vater Dr. Gerhard Frey herausgegebene National-Zeitung interviewen würde" und "schloss daran die Fragen an." Insgesamt seien mehrere E-Mails ausgetauscht worden, bis das Interview seine endgültige Form gehabt hätte. "Herr Colani kann also keinesfalls überrascht gewesen sein zu hören, dass das Interview in der National-Zeitung erschienen ist", ergänzt Frey.
"Es ist ein Graubereich", so der im Presserecht tätige Anwalt Timo Schutt von der Kanzlei Schutt, Waetke in Karlsruhe, gegenüber ka-news. Entscheidend sei, ob Colani wissen musste, für welche Zeitung er ein Interview gibt. "Es gibt ja auch so etwas wie eine Sorgfaltspflicht des Interviewten". Ein anderer gleich gelagerter Fall sei ihm nicht bekannt, aber, so Schutt, "man könnte eine Aufklärungspflicht des Journalisten konstruieren", mit der Begründung: Eine Person der Zeitgeschichte, als die Colani durchaus angesehen werden kann, möchte unter Umständen nicht in einem gewissen Rahmen erscheinen.
Wessen Pflicht wiegt schwerer?
Man könnte dann argumentieren, so Schutt weiter, dass nicht der Interviewte in der Pflicht sei, sich zu informieren, "sondern ich unterwerfe denjenigen, der das Interview für eine Zeitung aus dem rechten Spektrum geführt hat, einer Aufklärungspflicht." Man könne, präzisiert der Jurist, von einem Journalisten, der für eine Zeitung des rechten Spektrums tätig sei, durchaus erwarten, dass er sich der Problematik bewusst ist: "Der Journalist muss davon ausgehen, dass nicht jeder in diesem Rahmen erscheinen will, aufgrund des zu befürchtenden Image-Schadens". Es sei eine Frage der Abgrenzung: hier die Sorgfaltspflicht des Interviewten, dort die Aufklärungspflicht des Journalisten, der das Interview führt.
"Nach meinem Rechtsgefühl wiegt in diesem rechten Kontext die Aufklärungspflicht des Journalisten schwerer als eine mögliche Sorgfaltspflichtverletzung des Interviewten", argumentiert Schutt abschließend. Die Frage der Verletzung von Persönlichkeitsrechten sei hier durchaus naheliegend. Nach Ansicht des Journalisten Frey, der das Interview mit Colani geführt hat, ist die "National-Zeitung" weder "rechtsextremistisch" noch "rechts"; und sie sei auch nicht "Sprachrohr" irgendeiner Partei. "Dass die Zeitung eine nationale Ausrichtung hat, ist bekannt und ergibt sich unzweideutig schon aus dem Namen." Er selbst sei "weder 'rechts' noch 'links' und könne "mit Schubladen dieser Art generell nichts anfangen".
Der Rest ist Schweigen?
Dass die ganze Angelegenheit ein juristisches Nachspiel hat, ist eher unwahrscheinlich: Dafür hat Colani - den Kalender randvoll mit Terminen und den Kopf voller Ideen - vermutlich viel zu wenig Zeit, und vor allem viel zu wenig Lust: "Im Übrigen lässt mich das völlig kalt, weil ich über den Parteien stehe", betont Colani abschließend. "Ich lasse mich nicht parteipolitisch benutzen, das habe ich noch nie getan. Aber ich kann nichts dagegen tun, dass nicht alles, was ich von mir gebe, vor einem seriösen Hintergrund erscheint."