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Karlsruhe: Triage im Städtischen Klinikum - was bedeutet das?

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Triage im Städtischen Klinikum - was bedeutet das?

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    Zelte vor der Notaufnahme des Städtischen Klinikums.
    Zelte vor der Notaufnahme des Städtischen Klinikums. Foto: ka-news.de

    Eine Triage bedeutet eine Sichtung oder Einteilung zur Priorisierung medizinischer Hilfeleistung. Es gibt ihn schon seit Jahren in der Medizin. In diesen Tagen dürfte er bei vielen Bürgern mulmiges Gefühl hervorrufen, wird das Wort derzeit mit überlasteten Krankenhäusern in anderen Ländern und einer Entscheidung über Leben oder Tod in Verbindung gebracht.  

    Was bedeutet Triage derzeit beim Städtischen Klinikum?

    Im Städtischen Klinikum hat das Wort "Triage" derzeit noch nicht die Tragweite wie in Krisensituationen. Die Zelte werden aktuell genutzt, um neue Patienten zu untersuchen, die über die Zentralen Notaufnahme (ZNA) das Krankenhaus erreichen. Triagieren ist in der Notaufnahme medizinischer Alltag.

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    Foto: ka-news.de

    "Ziel ist es, Patienten mit Atemwegserkrankungen und damit potentiell an Covid-19 Erkrankte möglichst frühzeitig von anderen Patienten zu separieren", erklärt Harald Proske, Leiter der ZNA und der Zentralen Aufnahmestation, in einer Pressemeldung des Klinikums.

    "Wir triagieren schon seit Jahren"

    "Triage ist nicht zu verstehen in dem Begriff wie er im Militär oder in der Kriegsmedizin verwendet wird", so Proske in einem aktuellen Video-Statement, "dort wird natürlich der, der am wenigsten Chancen hat, nicht mehr versorgt. Es ist genau umgekehrt in der zivilen Versorgung, das haben wir aber schon immer so gemacht, das ist also kein neuer Begriff."

    Und weiter: "Wir triagieren schon seit Jahren: Jeder Patient wird angeschaut, eingeschätzt und die Dringlichkeit der Behandlung festgelegt - und das orientiert an einer Zeitachse.  Wir machen jetzt nichts anderes." Zu den bereits bekannten Kriterien, werde jetzt nur zusätzlich nach respiratorischen Symptomen gefragt.

    Proske stellt klar: "Es ist nicht so, dass irgendjemand irgendeine Behandlung vorenthalten bekommt."

    Corona-Verdachtsfälle sollen frühestmöglich von anderen Patienten separiert werden

    Notfallpatienten, bei denen kein Verdacht auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus besteht, werden dann regulär zur weiteren Versorgung in den Gebäudetrakt der ZNA gebracht.

    "Begründete Verdachtsfälle oder bestätigte Covid-19-Patienten kommen, sofern eine stationäre Aufnahme erforderlich ist, auf die Infektstation oder separiert auf eine Intensivstation", heißt es von Seiten des Klinikums weiter.

    Ausgewählte Untersuchungen in ZNA

    Hat ein Patient eine Atemwegserkrankung unklarer Ursache, wird er auf einer speziellen Station untergebracht. Diese ging laut Klinikum bereits am vergangenen Wochenende in Betrieb. Ganz außen vor ist die Zentrale Notaufnahme bei der Behandlung von Corona-Fällen, oder auch nur Verdachtsfällen, aber nicht.

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    Foto: ka-news.de

    Ist eine spezielle Untersuchung, etwa das Röntgen der Lunge oder eine Computertomographie, notwendig, erfolge diese nach Angaben des Städtischen Klinikums auch weiterhin über die ZNA - "natürlich unter der Einhaltung strenger hygienischer Vorgaben."

    Derzeit (Freitag, 12 Uhr) sind im Städtischen Klinikum fünf nicht beatmete Covid-19-Patienten sowie sechs beatmete Covid-19-Patienten in Behandlung. Ein Patient konnte aus der stationären Behandlung entlassen werden, eine Patientin ist verstorben.

    Was passiert wenn Ressourcen nicht reichen sollten?

    Noch reichen die Ressourcen - sollte es knapp werden, soll ein Kriterienkatalog bei Entscheidungen helfen. Dieser wurde in den vergangenen Tagen auf Covid19 angepasst und veröffentlicht. Wichtig ist den Ärzten dabei eines: Die Priorisierungen, die Triage-Regeln, erfolgen ausdrücklich nicht in der Absicht, Menschen oder Menschenleben zu bewerten.

    "Sondern aufgrund der Verpflichtung, mit den (begrenzten) Ressourcen möglichst viele Patienten eine nutzbringende Teilhabe an der medizinischen Versorgung unter Krisenbedingungen zu ermöglichen", so der Verband.

    Fachgesellschaft veröffentlicht Kriterienkatalog für Notfall

    Der Begriff wird in medizinischen Kreisen täglich verwendet, der breiten Bevölkerung dürfte er  vor allem  aus dem Katastrophen-Management bekannt sein: Reichen die Ressourcen wie Personal oder Material nicht mehr aus, werden auf Regeln zurückgegriffen, um Patienten  anhand von Kriterien zu priorisieren.

    Aber welche wären das in einem Notfall in Deutschland? Sieben medizinische Fachgesellschaften haben am Mittwoch erstmals einen entsprechenden Kriterienkatalog für klinisch-ethische Regeln formuliert und veröffentlicht - für den Fall der Fälle.

    "Angesichts des bestehenden Mangels von Empfehlungen in Deutschland durch hierfür legitimierten Institutionen und des absehbar dringlichen Bedarfs haben die Verfasser in Abstimmung mit den Vorständen der genannten medizinischen und wissenschaftlichen Fachgesellschaften entschieden, die vorliegende Empfehlung zu erarbeiten", heißt im Papier der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

    "Sollten wir in die Situation kommen, wollen wir gewappnet sein"

    Noch ist es nicht so weit, dass Ressourcen knapp werden. "Aber sollten wir in die schwierige Situation kommen, zwischen Patienten entscheiden zu müssen, dann wollen wir gewappnet sein", so Professor Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

    Eine Sanitäterin verlässt am 29. Februar 2020 ein Zelt, das vor der Notaufnahme des Krankenhauses von Cremona aufgebaut wurde.
    Eine Sanitäterin verlässt am 29. Februar 2020 ein Zelt, das vor der Notaufnahme des Krankenhauses von Cremona aufgebaut wurde. Foto: Claudio Furlan/LaPresse/AP/dpa

    Fair und medizinisch gut begründet zu entscheiden, in einem Team aus drei Experten mit unterschiedlichen Blickwinkeln – all das haben die Autoren festgelegt. Es gelte der Gleichheitsgrundsatz. Janssens erklärt: "So ist es nicht zulässig, nach dem kalendarischen Alter oder nach sozialen Kriterien zu entscheiden!"

    "Wir entscheiden nicht nach Alter!"

    In Deutschland werde nicht dem 80-Jährigen von vornherein die Behandlungsmöglichkeit verweigert. "Wir haben uns ganz klar gegen das Kriterium 'Alter' entschieden und wollen sehr viel differenzierter vorgehen."

    Professor Uwe Janssens
    Professor Uwe Janssens Foto: Thomas Weiland

    Aus Gründen der Gleichberechtigung sieht das Paper zudem vor, dass eine Auswahl unter allen Patienten erfolgen sollte, die eine Intensivbehandlung benötigen, unabhängig davon, wo sie gerade versorgt werden (Notaufnahme, Allgemeinstation, Intensivstation) und ganz gleich, ob COVID-19-Infizierter, Schlaganfall-Patient oder Unfallopfer.

    Autoren wollen Diskussion

    Die Autoren bitten ihre Kollegen explizit um Kommentare und eine lebhafte Diskussion, um in einem offenen Diskurs die Inhalte der Empfehlung weiter zu entwickeln. Auch könne sie so an neue Erkenntnisse und die jeweils aktuelle Situation angepasst werden.

    "Wir wollen eine maximale Transparenz herstellen", so Janssens in einer entsprechenden Pressemeldung. "Und wir wollen Vertrauen schaffen in der Bevölkerung. Damit alle wissen: Selbst in dieser schwierigsten aller Situation wird nicht einfach nach dem Bauchgefühl entschieden."

    Der Artikel wurde nachträglich bearbeitet.

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