Die Tagesstätte Pinguin liegt mitten in der Karlsruher Innenstadt. Ein riesiges Banner mit der Aufschrift "50 Jahre Club Pinguin" ziert aktuell das Gebäude - denn in diesem Jahr wurde großes Jubiläum gefeiert. Wir treffen dort Uwe Schaeidt und Martin Bauer, die beide seit vielen Jahren die Angebote annehmen und uns einen Einblick in das Leben mit und im Club Pinguin ermöglichen.

"Ich bin schon seit 2004 hier", sagt Uwe und erzählt uns seine Geschichte: Als er neun Jahre alt war warf ihm ein Kind einen Feuerwerkskörper direkt vor die Füße, der dann explodierte. Er erlitt so schwere Verletzungen, dass er sofort ins Krankenhaus gebracht wurde. "Meine Eltern wussten drei Tage lang nicht, wo ich bin", erinnert er sich. Bis zu seinem 18. Lebensjahr musste er über 100 Mal operiert werden. "Das macht etwas mit einem Kind, das verändert dich", sagt er mit wehmütiger Stimme.
Der erste Schritt ist meist der schwerste
Zunächst bekam Uwe die Diagnose Depressionen. Erst später stellte sich heraus, dass er an einer Posttraumatischen Belastungsstörung - vielen unter dem Kürzel PTBS bekannt - leidet. "Als ich das erste mal hier bei der Tagesstätte war, habe ich kein Wort geredet. Die dachten bestimmt alle, ich bin taubstumm", schmunzelt er. Noch heute hat der gelernte Industriekaufmann mit seiner Krankheit zu kämpfen.
"Die Symptome sind immer mal wieder da, denn ein Trauma ist schwerer zu behandeln, als eine Depression", sagt Uwe Schaeidt im Gespräch mit ka-news. Er ist daher einer der wenigen Club-Besucher, die keine Medikamente oder Psychopharmaka nehmen müssen.

Der erste Schritt, sich zu überwinden und durch die Eingangstüre des Club Pinguin zu treten, ist für die Erkrankten oft der schwerste. "Dabei sind hier nur Gleichgesinnte", erklärt Uwe Schaeidt. "Hier lacht keiner über dich, denn hier haben alle ein Problem!" Im Club Pinguin, so beschreiben es die beiden Besucher, wird jeder akzeptiert. "Deswegen hat es mir auch gleich gut gefallen", führt Uwe weiter aus.
Die Tagesstätte ist ein Angebot, das die Betroffenen freiwillig wahrnehmen. Jeden Tag gibt es Programm: gemeinsames Kochen, eine Nordic-Walking-Gruppe, Singen, Yoga, Darts und vieles mehr. "Die Tagesstätte hat erst einmal die Aufgabe, den Tag zu strukturieren", sagt Christine Ender, Leiterin des Zentrums für seelische Gesundheit, im Gespräch mit ka-news.

Jeden Tag besuchen bis zu 80 Gäste die Tagesstätte. Einer davon ist Martin. Vor rund zweieinhalb Jahren kam er mit seiner Nachbarin zum ersten Mal zum Club Pinguin. Seine Diagnose: Depression. Nach einem abgebrochenen Studium und einer gescheiterte Ehe fingen seine Depressionen an. Seitdem ist Martin Bauer in ärztlicher Behandlung: "Volle Lotte bei einem Psychiater und einem Psychotherapeuten!"
Viele Besucher haben kein soziales Netzwerk
Auch er fühlte sich im Club Pinguin gut aufgenommen. "Es gibt mir Kraft, dass ich hier einen Rückhalt habe", sagt er. Er weiß aber auch, dass er extremes Glück hat, denn seine Freunde haben sich nicht von ihm abgewandt. "Das ist das größte Problem, die Vereinsamung, denn die Gefahr, ist groß, sich zurückzuziehen, weil die Erkrankten Angst vor einer Verurteilung haben", erklärt Christine Ender. "Ein Großteil unserer Besucher hat kein soziales Umfeld, daher ist es umso wichtiger, das es uns gibt!"

Trotz der Schwere der Krankheit ist es ein Gespräch, in dem vor allem Uwe und Martin viel lachen. Beide erzählen humorvoll die ein oder andere Anekdote aus ihrem Leben - und wir lachen mit ihnen. "Man denkt immer, man sieht einer Person eine psychische Erkrankung schon auf 30 Meter Entfernung an, aber das stimmt nicht", sagt Martin. "Nein, bei uns sieht man das schon auf 50 Meter", erwidert Uwe und beide lachen.
Dass in seiner Aussage dennoch viel Wahrheit steckt, verdeutlicht allein dieses Gespräch: Selbst wenn ein Mensch fröhlich ist und viel redet - man kann nie sehen, was sich hinter der Fassade verbirgt. Selbst für uns wirken die beiden Männer völlig "normal", gesund also.
Im Club Pinguin sollen Besucher Gemeinschaft erleben
Die Tagesstätte Pinguin ist nur die eine Seite der Medaille. Ebenfalls zum Zentrum für seelische Gesundheit gehört der Sozialpsychiatrische Dienst (SPDI). Dort werden die Erkrankten beraten und bekommen Unterstützung im Alltag. Der SPDI bietet sogar Hausbesuche an. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal im Karlsruher Raum, sagt Ender.

In der Tagesstätte Pinguin ist viel los. "Genauso wie Pinguine in Kolonien zusammenrücken und dadurch stark werden, soll auch den Besuchern der Rücken gestärkt werden", sagt Club-Leiterin Christine Ender und Martin ergänzt: "Es geht darum, hier Gemeinschaft zu erleben. Dem Tag einen Sinn und eine Struktur zu geben." Und er betont: "Die Person, der du am allermeisten hilft, ist immer du selbst!"