Verloren steht Victor Winkler in dem Raum, der eigentlich sein Schlafzimmer ist. Staub hängt in der Luft, nebenan dröhnt der Presslufthammer und wo vorher Fenster waren, klaffen Löcher. "Alles wird neu gemacht, das ist ja gut", sagt der 76jährige. Aber im Moment weiß er nicht so recht, wo er hin soll, seine Wohnung, das ganze Gebäude ist eine Baustelle. Seine Schrankwand hat Winkler verhüllt. Wegen des Schmutzes, der sich im ganzen Haus verteilt, seit die Volkswohnung das gesamte Gebäude energiesparend radikalsaniert.
Neue Fenster, Türen, Heizungsrohre
Und dann steht da mitten im ganzen Chaos noch dieser Mann und richtet eine Kamera auf den Rentner. Der Filmemacher Detlev Koßmann ist an den derzeitigen Umständen in der Rheinstrandallee nicht ganz unschuldig: Koßmann ist derjenige, den der Autor Rolf Schlenker und die SWR-Wissenschaftsredaktion auserkoren haben, die Emotionen der betroffenen Mieter mit der Kamera einzufangen. "Selbstversuch: Tschüss Öl, Ciao Gas", soll der Dokumentarfilm heißen (ka-news berichtete).
Stress für die Mieter - Vier Wohnblöcke werden saniert (Foto: ka-news) |
Angesichts des Ausmaßes der baulichen Veränderungen werden im Film wohl nicht nur zustimmende Reaktionen der Mieter auf den Umbau zu sehen sein: Da ist einmal die neue Heizungs- und Warmwasseranlage, die mit Pellets, gepressten Holzresten, heizen wird. Eine gute Sache, das finden auch der Rentner Winkler und der 19jährige Dimitri aus dem ersten Stock des Wohnblocks mit der Hausnummer 2. Aber zudem werden Fassaden, Dächer und Keller wärmegedämmt, die Bauarbeiten sind in vollem Gange - auch Fenster, Türen und alle Heizungsrohre werden ausgetauscht, hervorstehende Balkone zurückgesetzt, das schafft Lärm, Dreck und Ärger.
Gesellschaftliches Engagement mit der Kamera
Auch solche Schattenseiten wollen Koßmann und Schlenker mit der Kamera festhalten. Mit ihrem TV-Format wollen die Macher Neuland erschließen. Schlenker, der das Projekt leitet, hebt das Experimentelle hervor: "Der Film ist ein Selbstversuch, der Ausgang ungewiss", mit dem Projekt wolle man ganz konkret die spannende Frage beantworten, "funktioniert ein energiesparender Umstieg, ohne das die Warmmiete steigt und machen die Mieter mit?" Der Autor gibt sich ambitioniert: "Tagtäglich wird über die steigenden Energiepreise berichtet, aber warum ändert niemand etwas?" Er ist überzeugt: "Rechnerisch funktioniert der Umstieg". Mit dem Film wollen Schlenker und Koßmann nun dokumentieren, ob eine großangelegte energiesparende Umrüstung von Wohnanlagen den wirtschaftlichen, technischen und vor allem sozialen Praxistest besteht.
Mitten drin im Modernisierungschaos: Filmemacher Koßmann (Foto: ka-news) |
Der Thematik will man sich aus der Perspektive der betroffenen Mieter annähern. Koßmann, Videojournalist der ersten Stunde, arbeitet stets alleine, besucht seit einem halben Jahr die Mieter. Die Menschen haben mittlerweile Vertrauen zu ihm gefasst. Wenn der Mann mit der Kamera auf der Schulter mit den Leuten im Haus spricht, hat man den Eindruck, dass sich alte Bekannte unterhalten. Mit dieser unaufdringlichen Arbeitsweise erreiche er Nähe und Authentizität, so Koßmann.
Deutliche Senkung der Nebenkosten möglich
Werner Emmerich von der Volkswohnung, zur Wirtschaftlichkeit befragt, zeigt sich optimistisch: "Rechnerisch funktioniert die Umrüstung". Die Motivation der Immobiliengesellschaft an diesem Projekt teilzunehmen, erklärt Emmerich mit der Grundidee auch die Nebenkosten sozial gestalten zu wollen.Die Kaltmieten würden zwar erhöht werden, durch die Energieeinsparung sei aber mit einer nachhaltigen deutlichen Senkung der Nebenkosten zu rechnen - die Mieter sollen unterm Schnitt also keinesfalls draufzahlen.
Die Arbeiten sollen Ende dieses Jahres abgeschlossen sein und werden dann nach derzeitigen Schätzungen mindestens 4,15 Mio. Euro gekostet haben.Ob dann Victor Winkler und die anderen Bewohner der vier Wohnblocks in der Rheinstrandallee mit dem Ergebnis zufrieden sein werden und die Heizkosten tatsächlich sinken, all dies wird dann Koßmanns und Schlenkers Film zeigen, der im Frühjahr 2007 gesendet werden soll.